IPv6 für alle: Das Internet von morgen schon heute nutzen

Um keine falschen Erwartungen zu wecken, sei vorweggenommen, dass wenig praktischer Nutzen aus einer IPv6-Anbindung resultiert. Das kann man leicht nachprüfen, indem man im DNS nachschaut, ob man einen Anbieter im Internet über IPv6 erreichen kann. Die Antwort ist fast immer nein. Dazu verwendet man unter Windows, Linux und Mac OS X den Kommandozeilenbefehl nslookup. Auf den meisten Unix-Derivaten bietet es sich an, die moderneren Tools dig und host zu nutzten. Sie stehen unter Windows standardmäßig nicht zur Verfügung. Man kann sie jedoch herunterladen.

Mit dem Befehl nslookup -querytype=AAAA www.microsoft.com findet man heraus, ob der Host www.microsoft.com über IPv6 erreichbar ist. Bild 9 zeigt, dass keine IPv6-Adresse als Antwort kommt. Das Ganze kann man mit Apple, Google, Red Hat und so weiter wiederholen. Nur wenige Knoten im Netz besitzen eine IPv6-Adresse, beispielsweise www.kame.net, siehe Bild 10. Einige Websites, die sich meist mit dem Thema IPv6 beschäftigen, sind ausschließlich über IPv6 erreichbar. Die URL http://www.ipv6.uni-muenster.de/ funktioniert nur, wenn man am IPv6-Teil des Internets hängt.

Natürlich stellt sich die Frage, warum es kaum IPv6-Anbieter im Netz gibt. Schließlich fordern die Carrier seit Jahren IPv6, um ihre Router zu entlasten. In Asien gehen die IP-Adressen aus. Dort bekommt man schon lange als Privatanwender keine öffentliche IP-Adresse, auch nicht am heimischen Breitbandanschluss. Privatanwendern nützt es, wenn sie ihre Rechner und Geräte von jedem Ort aus einfach erreichen können, ohne dafür mit NAT-Routing, VPNs und Portweiterleitungen hantieren zu müssen. Schließlich ist es grundsätzlich möglich, IPv6 mit Technologien wie 6to4 und Teredo von jedem DSL-Anschluss aus zu nutzen.

Außerdem muss die Frage erlaubt sein, was Firmen wie AVM und D-Link daran hindert, ihren Routern die IPv6-Fähigkeit über 6to4 beizubringen. Das würde einen einfache Plug-and-play-Lösung für jedermann bedeuten. Der 6to4-Zugang scheint sich als Übergangslösung für einen gemischten Betrieb von IPv4 und IPv6 zu etablieren, bis die ISPs natives IPv6 anbieten.

Der Grund für die Zurückhaltung dürfte sein, dass ein gemischter Betrieb von IPv4 und IPv6 durchaus Probleme bereiten kann. Am wenigsten Ärger bereiten Betriebssysteme, die gar kein IPv6 unterstützen. Sie funktionieren in einer gemischten Umgebung mit IPv4. Dienste und Ziele, die IPv6 benötigen, sind nicht erreichbar. Schwieriger wird es, bei Betriebssystemen, die experimentelle Unterstützung für IPv6 bieten, etwa Windows XP ohne Service Pack. Hier muss man mit Schwierigkeiten rechnen.

Technisches Hauptproblem sind die Anwendungsprogramme. Neuere Versionen von Internet Explorer und Firefox beispielsweise sind voll IPv6-fähig und erkennen URL wie http://[2001:0123::5]:8080 als IP-Adresse und Port. Ältere Programme, die IPv6 nicht explizit unterstützen, sollten dennoch eine URL wie http://www.example.com korrekt auflösen und sich über IPv6 oder mindestens IPv4 verbinden können. Das tun sie jedoch häufig nicht.

ZDNet macht dazu einen Kurztest. In einem Intranet mit gemischtem IPv4 und IPv6 wird der Vista-Rechner „Client“ mit Winamp 5.54 aufgesetzt. Auf einen zweiten Vista-Rechner mit dem Namen „Server“ kommt ein Shoutcast-Server. Der Versuch, das gestreamte Radio-Programm zu empfangen, schlägt fehl. Deinstalliert man IPv6 auf mindestens einem der beiden Rechner, gibt es keine Probleme.

Der Grund ist einfach: Winamp erhält die URL http://Server:8000 und löst sie über das API gethostbyname auf. Windows erkennt, dass der Rechner Server sowohl über IPv6 als auch über IPv4 erreichbar ist. Windows versucht es über IPv6, da Winamp keine Vorgabe gemacht hat. Nun geht allerdings etwas schief. Entweder prüft Winamp überflüssigerweise, ob die Socketadresse 32 Bit lang ist, oder der Shoutcast-Server hört nicht auf den Port 8000 des IPv6-Interfaces. Das hat ZDNet im Kurztest nicht weiter geprüft. Wahrscheinlich hätte man das Problem durch Editieren von Config-Files sogar in den Griff bekommen. Das Beispiel zeigt jedoch, dass auch aktuelle Programme, die sich um IPv6 keine Gedanken machen, Probleme bereiten können, die es erst zu lösen gilt.

So erklärt sich auch, dass Unternehmen wie Microsoft, RedHat und Google keine IPv6-Adressen im DNS veröffentlichen. Auf diese Weise werden Probleme von vornherein eliminiert. Schließt man die Kommunikation über IPv6 aus, läuft der Verkehr über IPv4 und nimmt seinen gewohnten Lauf.

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2 Kommentare zu IPv6 für alle: Das Internet von morgen schon heute nutzen

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  • Am 31. Januar 2010 um 18:18 von Klaus

    Nicht gut!
    Ein sehr tendenziöser Artikel, der zudem etliche inhaltliche Fehler hat!

    Wann immer der Autor etwas für gut und funktionierend hält, werden Linux und Mac OS zuerst, und Microsoft zuletzt genannt. Klappt etwas nicht, so wird die Reihenfolge umgekehrt.
    Damit, Herr Christoph C. Hochstätter, werden Sie den Marktanteil des offensichtlich von Ihnen bevorzugten Linux auch nicht über mehr als 5 % bringen!

    Dass z. B. Windows CE und Mobile seit längerer Zeit IPv6-fähig sind, wird leider gar nicht erwähnt – obwohl das Millionen von Geräten betrifft.

    Zu den inhaltlich Fehlern:

    Seite 4: „die drei wichtigsten Betriebssysteme Linux, Mac OS und Windows“ In der Reihenfolge: *LOL*

    [Anm. der Red.: Ja alphabetisch sortiert]

    Seite 5: „Die neuesten Windows-Versionen Vista und 2008…“ Ich weiß nicht, wo Sie letztes Jahr waren, aber die neuesten Windows-Versionen sind Windows 7 und Windows Server 2008.

    [Anm. der Red.: Der Artikel stammt vom Januar 2009. Da waren Windows 7 und 2008 R2 in Beta]

    Seite 6: Die Website „Tal.de“ kann nicht über IPv6 aufgerufen werden. Sie arbeitet nur mit IPv4.

    [Anm. der Red.: In dem Absatz geht es eindeutig um tal.de als ISP. Und es ist nun mal eine Tatsache, dass Tal.de einer der wenigen DSL-Provider ist, die Privatkunden bereits heute natives IPv6 anbieten. Ob sie ihre eigene Website mit IPv6 anbinden, hat damit nichts zu tun.]

    Teredo ist nicht etwa ein Microsoft-Standard, sondern ein offener Standard (RFC), den Microsoft in seine Betriebssysteme integriert hat. (Sonst wirft man MS doch immer vor, sie würden keine offenen Standards beachten…)

    [Anm. der Red.: Teredo ist zu über 90 Prozent von Microsoft-Mitarbeiter Christian Huitema entwickelt und gecoded worden. Er steht auch als alleiniger Autor im RFC 4380.]

    Seite 7: Für eine 6to4-Anbindung benötigt man keinen „Linux-Rechner als NAT-Router“. 6to4 funktioniert übrigens nicht über NAT.

    [Anm. der Red.: Ein Linux-Rechner als NAT-Router ist eine von vielen Möglichkeiten. Wenn ein Rechner selbst NAT-Router ist, hat Zugang zur öffentlichen IP-Adresse und kann natürlich 6to4-Router sein. Zudem darf man die pauschale Aussage „6to4 funktioniert nicht über NAT“ nicht so stehen lassen. Es funktioniert nur dann nicht, wenn der NAT-Router nicht in der Lage ist, das IP-Protokoll 41 an einen bestimmten Rechner im privaten Netz weiterzuleiten. Wenn der NAT-Router dazu in der Lage ist, dann kann für 6in4 und seinen Spezialfall 6to4 auch ein Rechner mit privater IP-Adresse genutzt werden]

    Einfacher ist: Von AVM und Apple gibt es IPv6- und 6to4-fähige DSL-Router. (Siehe unten)

    [Anm. der Red.: Im Januar 2009 gab es noch keine öffentlich verfügbare Fritz!Labor-Version mit IPv6. Als sie Ende Februar erschien, haben wir unmittelbar darüber berichtet, siehe http://www.zdnet.de/41000863 ]

    Unter Windows kann die 6to4-Funktionalität mit einem Netsh-Befehl aktiviert werden. Dazu braucht man keinen Geräte-Manager. Aber wer sich nicht auskennt…

    Der letzte Absatz auf der Seite ist auch Mist: Wiederum über Netsh-Befehle lässt sich auch ein Windows-Client als bsp. IPv6-Router aktivieren, der seine Präfixe „advertised“.

    [Anm. der Red.: ja mit „netsh int ipv6 set int advertise=enabled“ lassen sich Routes advertisen. Das geht sogar schöner als mit Linux, da man unter Linux erst den radvd installieren und konfigurieren muss. Der Absatz beschreibt allerdings eine Lösung bei der ein Rechner gleichzeitig IPv4-NAT-Router und 6to4-Router ist. Dazu braucht man eben einen Windows-Server oder eine Third-Party-Lösung, da Windows-Clients von sich aus kein NAT-Routing beherrschen.]

    Seite 8: Gut, dass zdnet.de ja schon IPv6-fähig ist! *LOL*
    [Anm. der Red.: Finden wir auch gut.]

    Microsoft wird von Akamai gehostet! Warum die kein IPv6 können, weiß ich auch nicht. Schließlich ist es ein Unix-Laden.

    Das 6Bone-Netz wurde abgeschaltet. Insoweit ist der Hinweis auf die Uni-Münster-Seite vergebens.

    Sowohl AVM als auch D-Link und Andere haben IPv6-fähige Router im Programm ( http://www.ipv6ready.org/phase-1_approved_list ).

    Wenn eine Anwendung schlecht programmiert ist, und unter IPv6 nicht läuft, kann man nicht wirklich den Betriebssystemhersteller verantwortlich machen. IE und Firefox funktionieren schließlich mit IPv6.

    Google ist unter ipv6.google.com im IPv6-Netz erreichbar.

    • Am 27. Oktober 2010 um 18:58 von Jogy_s

      AW: Nicht gut!
      Ich habe da mal eine Frage.
      Ich habe an meinem SBS 2008 Server aus dummheit das ipv6 aus den Netzwerkverbindungen weggeklickt.
      Kann es auf gleichem wege nicht mehr korregieren, da der ganze Server hängt (kann hälfte der Dienste nicht starten).
      bewirkt den "netsh int ipv6 set int advertise=enabled" das gleiche?

      mfg Jogy_s

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