EU billigt private P2P-Polizei: Hadopi auch in Deutschland?

Mit dem heutigen Beschluss stellt das EU-Parlament einer "privaten Urheberrechtspolizei" einen Freibrief aus. Wenn Rechteinhaber und ISPs die P2P-Netze effektiv überwachen wollen, geht das nur mit Deep Packet Inspection (DPI). Dabei muss der Datenverkehr bis hin in den OSI-Layer 7 analysiert werden.

Allein das ist äußerst problematisch: Nach dem derzeitigen deutschen Recht ist den ISPs die Einsichtnahme in die Kommunikation ihrer Kunden verboten. Eine Ausnahme besteht nur zum Schutz der technischen Systeme (§ 88 Absatz 3 TKG). Ein Schutz der technischen Systeme kann beispielsweise die Abwehr von DDoS-Attacken sein.

Allerdings kann das Fernmeldegeheimnis durch gesetzliche Vorschriften aufgehoben werden. Eine solche Vorschrift stellt § 101 UrhG dar. Absatz 9 verpflichtet ISPs zur Auskunft über den Anschlussinhaber anhand der IP-Adresse, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt.

Auf diese Weise kommen P2P-Abmahnfirmen derzeit an die Adresse von Filesharern, die in "gewerblichem Ausmaß" urheberrechtsgeschützte Werke tauschen. Die meisten Gerichte sehen ein gewerbliches Ausmaß bereits, wenn ein komplettes Album zum Download angeboten wird.

Allerdings können die Abmahnfirmen Filesharer nicht systematisch überwachen. Sie sind darauf angewiesen, mittels P2P-Schnüffelsoftware zumindest Teile eines Liedes selbst herunterzuladen. Obwohl es neue Ansätze zur Überwachung durch die Schnüffelfirmen gibt, ist die Überwachung bei weitem nicht so effektiv wie bei einer Überwachung durch die Provider mittels DPI. Theoretisch lässt sich nicht einmal mehr eine einzige Datei übertragen, ohne erwischt zu werden.

Eine solche Überwachung lässt das deutsche Recht derzeit nicht zu. Als sicher dürfte jedoch gelten, dass die Musiklobbyisten schon bald ein neues Gesetz fordern, das "Konformität" mit dem heute verabschiedeten Gallo-Report beinhaltet. Das ist allerdings verfassungsrechtlich äußerst bedenklich: Eine generelle Überwachung des Datenverkehrs aller Internetnutzer um illegale Filesharer zu ermitteln, ist nicht zu rechtfertigen. Genau diese Forderung erhebt jedoch der nunmehr offiziell beschlossene Gallo-Report.

Ebenso kritisch sind die Auswirkungen zu sehen, wenn ein Nutzer beim Filesharing ertappt wurde. Der Gallo-Report spricht von "nicht legislativen Maßnahmen". ISP sollen dabei ohne gesetzliche Grundlage freiwillig handeln. Das muss nicht immer das Deaktivieren des Internetanschlusses bedeuten, wie es in Frankreich per Gesetz praktiziert wird. Es kann auch um das Blockieren bestimmter Dienste und Sites gehen. Ebenso denkbar sind Bandbreitenbeschränkungen.

Diese Maßnahmen sind direkt gegen die Netzneutralität gerichtet und erkennen das Recht auf einen Internetzugang für jeden Bürger nicht an. Im Zweifel kommt ein Ausschluss vom Internet oder von bestimmten Diensten einem Berufsverbot gleich, etwa für Mitarbeiter mit Home-Office. "Nicht legislative Maßnahmen" nach Gutdünken von Rechteinhabern und Providern sind mit Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar. Generell gilt es zu verhindern, dass Provider überhaupt Überwachungs- und Sperrinfrastrukturen aufbauen dürfen.

Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Provider durchaus ein Eigeninteresse daran haben, User mit hohem Datenaufkommen zu bestrafen. Wer sich etwa viele YouTube-Videos ansieht, erzeugt viel Traffic. Das könnte dazu führen, dass Provider gezielt versuchen werden, solchen Nutzern Urheberrechtsverletzungen nachzuweisen und sie mit Sanktionen zu belegen.

Da der Gallo-Report keine bindende Wirkung für die Mitgliedsländer hat, bleibt zu hoffen, dass seine Verabschiedung in den meisten EU-Staaten zunächst ohne Folgen bleibt. In Deutschland bedarf es auf jeden Fall einer Gesetzesänderung, um Rechteinhaber und ISPs zu einer privaten Urheberrechtspolizei zu machen. Allerdings wird die EU-Kommission aufgefordert, bis Ende 2010 eine Gesetzgebungsstrategie vorzulegen, die alle Gesichtspunkte des Urheberrechts berücksichtigt, um ihre Durchsetzung zu verbessern. Sollte also der Gallo-Report in Form einer Richtlinie beschlossen werden, müsste sie Deutschland in nationales Recht umsetzen.

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2 Kommentare zu EU billigt private P2P-Polizei: Hadopi auch in Deutschland?

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  • Am 24. September 2010 um 8:42 von Hotte

    Tauschbörsenpolizei
    Ja Ja das Übliche Web Side Betreiber von Kinderpornoseiten Läst man Laufen.
    Da wo man genügend Geld Abzocken kann wird sogar eine eigene Polizei erlaubt.
    Das Internet ist zu einer Spionage Werbe und Abzockplattform für Geldgeile Taugenixe verkommen und da haben die EU 2 Wahl Poliker sie Nase vorn.

  • Am 28. September 2010 um 16:32 von SunnyS

    Ich habe eine Wurm Idee …
    Wie wärs wenn man einen Wurm entwickelt der sich leicht und schnell weit verbreiten kann und die Musik- und Filmarchive eines jeden als P2P Filesharing anbietet. Vor allem sollte dieser Wurm bei allen EU-Parlamentariern verbreitet werden, sodass einfach alles und jeder, alles und jedes was Musik und Film angeht shared und entsprechend runterlädt.

    Falls sowas in Zukunft auftaucht, wäre ich echt erfreut über meine Idee, muss aber gleich hier dazu schreiben, ich wars nicht, dafür bin ich zu blöd.

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