„Das Open-Source-Auto ist kein Gag“

ZDNet: Können Sie das erläutern?

Merz: Ich bediene mich einer Analogie aus der IT-Industrie. Der Ausgangspunkt: Ich habe ein Problem und benötige eine Lösung. Wohin wende ich mich? Ich gehe zu dem Anbieter, von dem ich glaube, dass er den Ansprüchen am ehesten gerecht wird. Bin ich anspruchsvoll, suche ich mir etwa IBM Global Services als OEM-Partner aus. Das Beratungshaus erstellt dann für mich eine Lösung aus Komponenten von Microsoft, Oracle, SAP und anderen Herstellern. Diese entsprächen den so genannten „1st-tier-Lieferanten“ der Automobilindustrie wie Siemens oder Magna Steyr. Eine solche Lösung gilt zum einen als sicher, weil die Dienstleistung mit Hilfe von Gewährleistungsvereinbarungen geregelt wird. Sie kommt aber auch recht teuer, weil sich IBM Global Services sowohl das Design einer Komplettlösung als auch das Consulting gut bezahlen lässt. Zudem sind unter Umständen Lizenzgebühren für die Komponenten zu addieren.

Selbstverständlich kann der Generalunternehmer auch eine Lösung aus Open-Source-Komponenten anbieten. Er wird es auch sicher gerne machen, wenn ich das möchte. In der Regel steigt dann der Aufwand für das Design während der Anteil an Lizenzkosten sinkt. Allerdings bekomme ich bei dieser Alternative eine Lösung, die offen und wartbar ist. Sollten mir die Betreiberkosten langfristig zu hoch erscheinen, wechsele ich den Wartungsbetrieb oder generell den Anbieter. Im Fall Oscar könnte ich dann ohne weiteres zur Werkstatt um die Ecke gehen oder eine Kette wählen wie Autoteile Unger (ATU).

ZDNet: Unter Umständen stellt somit ein Open-Source-Auto gar nicht den Geschäftszweck der Automobilkonzerne in Frage, sondern kommt den Interessen der Branche sogar entgegen?

Merz: Initiativen wie Oscar kommen der Industrie tatsächlich bezüglich einer Standardisierung entgegen, speziell den OEMs. Aus einigen Gesprächen weiß ich, dass die Big Boys der Branche nicht die Fehler wiederholen wollen, wie sie die Hardwarehersteller im Computerbereich gemacht haben. Explizit heißt das: Das Verhältnis von Hardware und Software sollte sich nicht Richtung Software-Anteil ausweiten.

Außerdem gibt es Bereiche der Grundlagenforschung, die selbst für große Anbieter unrentabel sind. Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp hat beispielsweise auf der Ausstellung Expo 2000 laut über eine „Open-Source-Initiative der Autohersteller zur Serienentwicklung von Brennstoffzellen“ nachgedacht.

ZDNet: Wie sähe denn ein Oscar-Geschäftsmodell aus?

Merz: Es würden sich sicher Ansätze finden lassen, wenn wir darüber nachdächten. So könnte man dieselben Strukturen wie bei der Open-Source-Software nutzen, also Produktion, Distribution, Service beziehungsweise Betrieb. Einen anderen Ansatz, der allerdings von der Industrie nicht so gerne gesehen wird, bietet die so genannte „virtuelle Marke“: Große Systemlieferanten vernetzen sich und machen das, was sie jetzt auch schon machen – komplette Module fertigen und dazu: ganze Autos bauen.

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