Design statt Umwelt: Hässliche Flecken auf Apples Image als Superkonzern

Kritik von Umweltschützern und Arbeitsrechtlern ist Apple gewohnt. Bisher ging man zumindest ansatzweise darauf ein. Mit dem Rückzug von der Öko-Zertifizierung EPEAT zeigt der Konzern nun aber offen, wie gleichgültig ihm das ist.

Anfang der Woche ist bekannt geworden, dass Apple aus dem Öko-Zertifizierungsprogramm EPEAT aussteigt. Bisher hatte der Hersteller intensiv mit seiner Beteiligung an dem Programm geworben. Bemerkenswert ist, dass der Konzern es nicht nur ablehnt, neue Geräte zu registrieren, sondern sogar seine bisher zertifizierten 39 Notebooks, Monitore und Desktoprechner aus der Liste grüner Produkte herausnimmt.

EPEAT wurde mit Mitteln der US-Umweltbehörde EPA geschaffen. An der Definition der Kriterien waren neben Behörden auch Umweltaktivisten und Hersteller beteiligt – darunter auch Apple. Der Schwerpunkt liegt auf den Möglichkeiten, die in Verkehr gebrachten Produkte wiederzuverwerten und der Energieeffizienz. Das system beruht auf einer Selbstauskunft der beteiligten Hersteller. Damit wollte man den schnellen Produktzyklen in der IT gerecht werden, und lange Prüfprozeduren vermeiden. Letzteres ist zum Beispiel eine Kritik am deutschen Blauen Engel: In vielen Bereichen verzichten die Hersteller da auf eine Zertifizierung, weil die erst erteilt werden würde, wenn das Produkt schon wieder kurz davor steht, vom Markt genommen zu werden.

Der Organisation teilte Apple nur mit, dass die Design-Ausrichtung sich nicht mehr in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Öko-Zertifizierungsprogramms befinde. Inzwischen hat der Konzern gegenüber The Loop erklärt, dass man einen „umfassenden Ansatz“ habe, die Auswirkungen des Geschäfts auf die Umwelt zu dokumentieren, alle Produkte die strengsten Energieeffizienzstandards erfüllten (Energy Star 5.2) und man eine führende Rolle einnehme, indem man die Treibhausgasemmissionen auf der Website veröffentliche.

Außerdem seien Apple-Produkte hinsichtlich anderer Umweltaspekte, die von den EPEAT-Anforderungen nicht erfasst würden – etwa der Vermeidung giftiger Stoffe, anderen im Markt voraus. Dass ist alles schön und gut, erklärt aber nicht, warum Apple seine Produkte aus der Liste herausgenommen hat: Wenn die Anforderunegn angeblich weit übererfüllt werden, warum verzichtet man dann auf die Registrierung?

„Apple setzt auf Design statt Umwelt“

Dass Apples Vorstellungen wie seine Produkte auszusehen haben, nicht mehr mit den Anforderungen der EPEAT-Zertifizierung zu vereinbaren sind, wurde bereits im Juni bei der Vorstelllung des aktuellen MacBook Pro deutlich. Als die Reparaturspezialisten von iFixit es zerlegten, fiel ihnen nicht nur das fehlende Umweltlabel auf. Sie machten zudem erhebliche zusätzliche Hürden aus, die es erschweren, das Gerät zu öffnen und seine Komponenten zu trennen: Den Akku hat Apple verklebt und nicht mehr wie zuvor verschraubt, so dass er sich nicht unbeschädigt lösen lässt. Darüber hinaus ist das Display mit dem Glas verschmolzen und das RAM mit dem Logic Board verschweißt. Letzteres ist auch beim MacBook Air der Fall.

"Wir beobachten den Trend zu verkapselten, nicht wechselbaren Akkus mit großer Sorge", sagt Siddharth Prakash, Senior Researcher Sustainable Products and Material Flows beim Öko-Institut e.V (Bild: Öko-Institut).
„Wir beobachten den Trend zu verkapselten, nicht wechselbaren Akkus mit großer Sorge“, sagt Siddharth Prakash, Senior Researcher Sustainable Products and Material Flows beim Öko-Institut e.V (Bild: Öko-Institut).

In einem Beitrag für Wired nannte iFixit-Chef Kyle Wiens das MacBook Pro Retina das am wenigsten reparaturfreundliche aller von ihm bislang zerlegten Notebooks. Von der Recyclingbranche habe er erfahren, dass sich Aluminium nicht mehr wiederverwerten lässt, wenn es wie bei diesem Gerät und dem aktuellen iPad mit Glas verklebt ist. Für Wiens ist deshalb klar: „Mit seiner Entscheidung, sich trotz der Kosten vom grundlegendsten aller Öko-Standards zu verabschieden, setzt Apple auf Design statt Umwelt.“

Aber nicht nur bei Leuten, die durch die neue Produktarchitektur von Apple möglicherweise ihr Geschäft bedroht sehen, ist der Unmut groß. Auch Siddharth Prakash, Senior Researcher Sustainable Products and Material Flows beim Freiburger Öko-Institut e.V. sieht den Schritt kritisch: „Es ist sehr bedauerlich, dass sich das Unternehmen Apple, das mit seinen Produkten weltweit den Lebensstil vieler Menschen prägt und Trends setzt, gegen unabhängige Umweltzeichen-Zertifizierungen entschieden hat“, sagt Prakash auf Anfrage von ZDNet.

Die Umweltzeichen-Systeme, wie EPEAT und Blauer Engel, seien für Verbraucher ein wichtiger Anhaltspunkt bei ihren Kaufentscheidungen. „Mit Blick auf die großen Herausforderungen wäre es wünschenswert, dass Apple nicht nur bei Design und Lifestyle, sondern auch bei der ökologischen Produktgestaltung eine Vorbildfunktion übernimmt“, so der Experte weiter.

Für Niclas Rydell, Director Product Development and Certification, bei TCO Development, ist Apples Schritt zwar ebenfalls bedauerlich, aber wenigstens ehrlich: „Es ist ein gutes Zeichen, dass Apple so ehrlich ist, und seine Produkte bei EPEAT zurückzieht, wenn sie die Anforderungen nicht mehr erfüllen“, so Rydell gegenüber ZDNet.

Niclas Rydell von TCO Development (Bild: TCO Development).
„Damit Apple seine Produkte ohne TCO Certified oder EPEAT verkaufen kann, muss das Unternehmen andere Qualitäten bieten, um den Verlust an Sicherheit für die Käufer zu kompensieren“, sagt Niclas Rydell von TCO Development (Bild: TCO Development).

Rydell weiter: „Nachhaltigkeitsaspekte werden immer wichtiger und Firmen erarbeiten entsprechende Strategien für ihren Betrieb und ihre Produkte. Die IT-Branche steht vor vielen großen Aufgaben, sei es in Bezug auf nachhaltige Entwicklung, Produktdesign, die Produktion selbst oder dem was nach dem Nutzungszyklus ihrer Produkte mit ihnen geschieht. Dass Apple EPEAT aufgibt, weil seine Produkte nicht in einer aus Umweltgesichtspunkten akzeptablen Art und Weise wiederverwertet werden können, ist nur ein Beispiel.“

Für den Experten des Ablegers der schwedischen Arbeitnehmerorganisation, die für ihr Monitor-Prüfsiegel TCO bekannt wurde und sich inzwischen neben Aspekten der Ergonomie auch den Umwelteinflüssen und sozialen Auswirkungen durch die Produktion widmet, ist es unvermeidlich, dass die Branche Gegenmaßnahmen ergreift: Um einen Computer herzustellen, würden zum Beispiel rund 1500 Kilogramm Wasser verbraucht und Menschenrechte verletzt. Auch die Menge und die Behandlung von Elektroschrott sei nicht zu vernachlässigen.

Laut Rydell müssten Einkäufer oder Verbraucher bei der Anschaffung eines Produkts dessen unterschiedliche Qualitäten gegen den Preis abwägen. „Eine Nachhaltigkeitszertifizierung wie TCO Certified und die EPEAT-Registrierung kann als eine dieser Qualitäten angesehen werden, andere sind etwa das Aussehen, die Akkulaufzeit oder die Helligkeit und der Kontrast des Displays. Sie erhöht den Wert des Produkts indem sie dem Käufer eine gewisse Sicherheit gibt und die die Marke anderweitig – etwa mit auf ihrer Website veröffentlichten Testberichten – nicht schaffen kann.“

Große Käufer brauchen Sicherheit

Derzeit nutzten 59 Marken das Siegel TCO Certified für ihre Produkte – Apple befindet sich nicht darunter. „Damit Apple seine Produkte künftig ohne TCO Certified oder EPEAT verkaufen kann, muss das Unternehmen andere Qualitäten bieten, um den Verlust an Sicherheit für die Käufer zu kompensieren“, meint der Schwede.

Allerdings sieht er gerade in größeren Organisationen Schwierigkeiten: Der Grund, warum Vorgaben und Zertifikate für Nachhaltigkeit überhaupt existierten sei schließlich, dass man Firmen nicht unbedingt trauen könne: Wie sich gezeigt habe, neigten sie bei Interessenskonflikten dazu, die Standards herabzusetzen sofern sie hoffen können, dass es nicht auffällt.

„Wer den technischen Angaben und den überwiegend positiven Besprechungen in den Medien und veröffentlichten Testberichten glaubt, kann versucht sein, auch ein Produkt ohne Zertifizierung zu kaufen. Tut man das jedoch nicht, oder ist für Umwelteinflüsse, die soziale Verantwortung oder die Einhaltung von Qualitätsvorgaben zuständig wird es nicht ausreichen zu seinem Chef und den 10.000 Nutzern, für die man eingekauft hat zu sagen, ‚Ich dachte die sind schon okay.‘ Dann braucht man Dokumente, auf die man sich verlassen kann, oder – sogar noch besser – einen Dritten, der die Nachhaltigkeit bescheinigt hat und auf an den man bei Fragen dann verweisen kann.“ Das Rydell Recht hat, zeigt sich schon: Die Stadt San Francisco hat schon erklärt, man können keine Apple-Produkte mehr kaufen, weil das Unternehmen EPEAT den Rücken gekehrt hat

Verkapselte Akkus als Umweltproblem

Rydell und seine ganze Organisation hoffen, dass „Apple seine einzigartigen Innovationsfähigkeiten nutzt und Wege findet, ein Produkt zu entwerfen, dass hohen Ansprüchen an dessen Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus hinweg gerecht wird“ und bieten sich dafür als Dialogpartner an. Mit anderen Herstellern liefen bereits Gespräche über das Recycling von IT-Produkten und inwieweit Recycling erleichtert werden kann, ohne Qualität, Designprozess und Produktion zu beeinträchtigen.

„Wir beobachten den Trend zu verkapselten, nicht wechselbaren Akkus mit großer Sorge“, sagt Siddharth Prakash vom Öko-Institut. „Solche Konstruktionen haben vielfältige negative Auswirkungen auf das Recycling: nicht nur aus Sicherheitsgründen – Risiko von Kurzschlüssen und Bränden in den Recyclingbetrieben -, sondern auch aus Ressourcengesichtspunkten. Lithium-Ionen Akkus enthalten wichtige Rohstoffe, wie zum Beispiel Kobalt. Diese gehen bei einer nicht gesonderten Behandlung eines Akkus verloren und müssen teilweise unter extrem schlechten ökologischen und sozialen Bedingungen wieder primär gewonnen werden.“ Seiner Ansicht nach mag es auch gute Gründe für fest verbaute Akkus geben, die Hersteller seien dann allerdings in der Pflicht, diese transparent nachzuweisen.

Apple zu Unrecht im Kreuzfeuer?

Apple ist – als besonders exponierter Hersteller – schon seit einiger Zeit in der Kritik von Umweltschützern, Menschenrechtlern und Arbeitsschutzorganisationen. Ein Teil der Vorwürfe zielt sicher darauf ab, sich durch sie in den Vordergrund zu drängen: Kritik an Apple, so hofft mancher, ist immer für eine Schlagzeile gut. Andere Firmen, die unter ähnlichen Umständen produzieren lassen, dieselben Lieferanten haben und vergleichbare Komponenten verbauen, stehen wesentlich weniger im Rampenlicht.

Pech nur für Apple, dass fast alle Vorwürfe zumindest einen wahren Kern haben. Seien es die miserablen Arbeitsbedingungen beim Fertiger Foxconn, der Streit um den Anteil an erneuerbaren Energien in Apples Rechenzentren zwischen dem Konzern und Greenpeace. Auch die Kritik an den fest verbauten Akkus in Apple-Geräten sowie dem damit quasi vorgegebenen, überschaubaren Gesamtlebenszyklus dieser Geräte, hält schon länger an. Immerhin bietet Apple ein Austausch des Akkus für die meisten MacBooks für 129 Euro an. Für das MacBook Pro verlangt der Hersteller allerdings 199 Euro.

Fazit

Apple baut inzwischen keine Computer mehr, Apple stellt Moden unterworfene Konsumgüter her. Der Konzern hat die Prinzipen des Tamagotschis und der Pannini-Sammelbilder vereint und mit seinen Produkten auf die Informationstechnologie übertragen: Sie gehören untrennbar zum Leben ihrer Besitzers, sind unverzichtbar, begehrt und immer wieder neu. Nur tauschen kann man sie schlechter.

Andere Hersteller, sei es nun Dell, Hewlett-Packard, Fujitsu, Lenovo, Samsung oder Sony, haben bei allen Aspekten der Nachhaltigkeit ebenfalls die eine oder andere Leiche im Keller. Aber sie bemühen sich in letzter Zeit immerhin aufrichtig, an der Aufklärung dieser Fälle mitzuwirken. Sich für alle geltenden Regeln zu unterwerfen, gemeinsam definierte Anforderungen zu erfüllen – oder manchmal eben auch nicht – und so vergleichbar zu sein, ist wichtig: Der so stimulierte Wettbewerb bringt die Branche voran – auch wenn es darum geht, die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren.

Apple will sich aber nicht vergleichen – und schon gar nicht vergleichen lassen. Schritte wie der Beitritt zur Fair Labour Association im Januar oder die eigenen Auskünfte zu Zulieferern und den Recyclingangeboten sind dünne Feigenblätter. Und selbst diese zaghaften Aktionen leiden noch unter der nahezu schon an Paranoia grenzenden, allunfassenden Geheimniskrämerei bei Apple. Unterm Strich bemüht man sich nicht einmal ernsthaft, so zu tun als würde man so tun. So viel Hochmut kann sich eines Tages rächen.

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3 Kommentare zu Design statt Umwelt: Hässliche Flecken auf Apples Image als Superkonzern

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  • Am 11. Juli 2012 um 16:43 von nik

    Große Überraschung!
    Große Überraschung: Konzern verdient ein Vermögen und erreicht quasi Monopolstellung und sch… auf alles zur Profitmaximierung. Willkommen in der Realität. Die Apple-Fanboys wird das wohl wenig stören. Die Unwägbarkeiten der Produkte konnten auch bisher gut „wegignoriert“ werden.

    • Am 11. Juli 2012 um 18:37 von MacThunder

      AW: Design statt Umwelt: Hässliche Flecken auf Apples Image als Superkonzerne
      Ja hackt nur weiter auf Apple rum, Sony,Acer, Asus, Dell, HP, Microsoft und alle anderen sind nicht besser nur halt nicht so Medienpräsent. Die produzieren viel auch noch, wie im Artikel erwähnt, mit giftigen Stoffen wie Brom, PVC uns so weiter. Man sollte nicht mit Steinen werfen wenn man selbst im Glashaus sitzt.
      Schön ist es nicht und Apple sollte natürlich eine bessere Lösung finden aber alle anderen auch…

  • Am 12. Juli 2012 um 22:52 von Rene P

    Apple oder nicht Apple
    Also mir ist es eigentlich egal von welchem Hersteller, so ein Gerät bei dem alles verklebt und verlötet ist würde Ich nie kaufen. Habe ein Galaxy S2 mit Akkudeckel und wechselbarem Akku und meine Pc habe Ich selbst zusammengestellt. Da kann Ich wenigstens was tauschen sollte mal etwas kapput gehen!!!!! Einen Laptop habe Ich nicht aber auch da gibt es alternativen. Nur bei den Tablets scheint es ein Problem zu sein aber mit etwas Geschick kann man auch da den Akku selber wechseln.

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