Novell: „Der Software-Markt wird in Zukunft komplett Open Source“

ZDNet: Sun führt dagegen seine sehr guten Beziehungen zur Berkley-Universität an. Dort wurde ja Solaris entwickelt. Das sei eine der Community ebenbürtige Kraft.

Seibt: Das glaube ich persönlich nicht, dabei handelt es sich wohl eher um eine Überschätzung von wenigen Wissenschaftlern. Vergleichen Sie die Universität Berkley mit den unzähligen Entwicklern weltweit – da sind Universitäten in China genauso angeschlossen wie Universitäten in Südafrika, in Brasilien, in Indien, in Mecklenburg und und und.

ZDNet: Sun führt weiter an, dass Solaris nicht zuletzt wegen Trusted Solaris die sicherere Plattform sei. Man habe viele Jahre mehr Erfahrung darin, Gefahren abzuwehren und Risiken zu minimieren als die Open Source-Community.

Seibt: Ich denke, die Tatsache, dass Suse Linux Enterprise Server 9 das Controlled Access Protection Profile gemäß den Common Criteria der Information Security Evaluation erhalten hat, besser bekannt als CAPP/EAL4+, hat die Sicherheit dieses Betriebssystem anschaulich bewiesen. Der Enterprise Server 9 hat als einziges Betriebssystem im Open Source-Umfeld diese Zertifizierung erhalten. Zudem gibt es jede Menge Tools und Projekte, Linux noch sicherer zu machen. Wir stehen Solaris in dieser Hinsicht in nichts nach.

ZDNet: Ich muss Sie mit meiner Standardfrage belästigen: Was tun, wenn alle Unix-Systeme durch Linux ersetzt wurden? Analysten von Gartner sagen uns, dass wenn sich Linux nicht bald auf dem Desktop durchsetzt – durchaus auch auf dem Consumer-Desktop – läuft es in dieselbe Falle wie Unix. Der Traum von Novell-Chef Jack Messman, Microsoft anzugreifen, bliebe damit unerfüllt.

Seibt: Manchmal sieht man nur die Spitze des Eisbergs. In diesem Fall versteckt sich unter der Spitze des Eisberges eine Strategie, die konträr ist zu der von Microsoft. Microsofts Art zu wachsen wird ja gerne als einziger Maßstab herangezogen, wie man erfolgreich sein kann. Neue Technologien erfordern aber neue Go to Market-Strategien. Sehen Sie: Historisch betrachtet hat IBM auf dem Server angefangen. Der Client war dumm. Erst später sind sie quasi auf den Client herunter gewachsen. Microsoft dagegen hat den umgekehrten Weg gewählt: Zusammen mit Intel hat man den Markt für den Heimanwender kreiert. Die erste Windows-Version hat keinerlei Anforderungen des Enterprise-Marktes genügt. Erst später sind sie auf den Client in Unternehmen und dann auf den Server gewachsen.

Im Falle von Linux hat die Entwicklung auf dem Server begonnen. Nun lassen sich Investitionen in den Client ausmachen. Der Angestellte, der in der Arbeit mit Linux umgeht, will das auch zuhause nutzen können. Daher wird Linux auch den heimischen Rechner erobern.

ZDNet: Wie belegen Sie diese These?

Seibt: Die Voraussetzung ist, dass wir den Client im Enterprise-Bereich gewinnen. Die Entscheidung, die Clients in Unternehmen zu wechseln, fällt auf Basis von Architekturveränderungen. Zunächst wird über die Client/Server-Architektur nachgedacht, dann entscheidet man sich für eine Plattform – Thin Client, Thick Client, Betriebssystem -, dann gibt es ein Proof of Concept, dann erst werden die Applikationen dazu entwickelt oder gekauft. Darauf folgt die Implementierung, danach das Angebot an die Mitarbeiter, das auch zuhause zu verwenden. Wir sprechen hier von Unternehmen mit 250.000 Clients.

Mit dem Novell Linux Desktop arbeiten wir ganz intensiv am Client, aber diese Investitionen sind nicht darauf ausgelegt, schon morgen Zahlen vorweisen zu können. Das dauert, genauso wie Microsoft nicht über Nacht erfolg hatte. OS/2 hat denen zu anfangs sehr zu schaffen gemacht.

Gehen Sie also mal nicht von zwei Jahren aus, bis Linux sich auch auf dem Heimrechner durchsetzt, sondern eher von zehn Jahren. Sehen Sie sich Sun an, sehen Sie sich SAP an, Compaq, Dell, Intel – diese Unternehmen sind in rund 20 Jahren groß geworden, immer bedingt durch große Technologieveränderungen. Bei Open Source und Linux handelt es sich auch um eine solche. Dadurch verändert sich die gesamte Softwareindustrie. Software wird zur Commodity, wodurch in Zukunft nur wenige den Markt abdecken werden. Und das wird mit Open Source-Software passieren.

Weiterer Beleg: Oracle kann in Zukunft nicht mehr von den Lizenzen leben, sie werden auf Maintenance umsteigen müssen. Der Software-Markt wird zu einem Open Source-Markt werden. Und da sind wir perfekt positioniert.

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2 Kommentare zu Novell: „Der Software-Markt wird in Zukunft komplett Open Source“

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  • Am 31. März 2005 um 16:56 von Der Einherijer aus Walhallas Anfurten

    Ich bin Du und Du bist ich, oder wie ?
    Wenn Herr Seibt der Chef von Novell Europe ist, wieso redet er dann davon : (Zitat)"…ich denke, meine Strategie, Suse an Novell zu verkaufen ist klar aufgegangen."
    Wie kann denn der Chef von Novell Europe Suse verkaufen ?
    Er kann es vielleicht kaufen, aber doch nicht verkaufen, oder ?
    Vielleicht bin ich ja auch doof, aber ich denke doch, daß hier was nicht stimmt.
    Drehen denn jetzt alle durch, oder handelt es sich bloß um ein Mißverständnis ?

    • Am 1. April 2005 um 13:09 von ichweisswas

      AW: Ich bin Du und Du bist ich, oder wie ?
      Seibt war der Geschäftsführer von Suse, als es an Novell verkauft wurde. Daraufhin wurde er Europachef von Novell.

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