Twitter sperrt zwei regierungskritische Konten in der Türkei

@Haramzadeler333 und @Başçalan haben hunderttausende Follower. Sie veröffentlichten angebliche Gesprächsmitschnitte, um Korruptionsvorwürfe gegen die türkische Regierung zu untermauern. Der Mikrobloggingdienst äußert sich unklar zu den Sperren. "Twitter spurt jetzt", begrüßt der Vize-Regierungschef die Maßnahme.

Seit Sonntag zeigt Twitter in der Türkei die Nachrichten von zwei Regierungskritikern nicht mehr an, die dort über hunderttausende Follower verfügen. Der Mikrobloggingdienst bestreitet jedoch, auf Wunsch der türkischen Regierung tätig geworden zu sein: „Wir halten Inhalte nicht auf das alleinige Verlangen eines Regierungsvertreters zurück und werden unter Umständen einen Gerichtsentscheid anfechten, wenn er die Meinungsfreiheit bedroht.“ Außerdem habe Twitter den türkischen Behörden keine Nutzerinformationen übermittelt und werde das ohne einwandfreies rechtliches Verfahren auch nicht tun.

Die Sperre betrifft die Konten @Haramzadeler333 und @Başçalan. Sie bedeuten in Türkisch „Sohn von Dieben“ sowie „Erster Dieb“, wobei letzteres eine Anspielung auf die türkische Bezeichnung für Premierminister darstellt. Von diesen beiden Twitterkonten aus waren Links zu angeblichen Gesprächsmitschnitten von Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan, Familienmitgliedern und anderen Regierungsvertretern veröffentlicht worden, um Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung zu untermauern. Diese lieferten auch den Anlass für eine vollständige Twitter-Sperre in der Türkei vor den anstehenden Lokalwahlen, bei denen Erdoğan bestätigt wurde.

Gesperrtes Twitterkonto aus Sicht türkischer Nutzer (Screenshot: @haciyev)Gesperrtes Twitterkonto aus Sicht türkischer Nutzer (Screenshot: @Haciyev)

Aufgrund eines Gerichtsbeschlusses wurde die Sperre zwar inzwischen wieder beendet, aber die Regierung Erdoğan setzte ihre Kampagne gegen den Mikrobloggingdienst fort. Der Ministerpräsident kündigte an, er wolle Twitter nun wegen Steuerhinterziehung belangen. „Twitter, Youtube und Facebook sind internationale profitorientierte Unternehmen“, argumentierte Erdoğan. „Twitter ist zugleich ein Steuersünder. Wir werden dem nachgehen. Diese Firmen werden sich wie jedes andere internationale Unternehmen an die Verfassung, die Gesetze und die Steuerregeln meines Landes halten.“

Twitter entsandte daraufhin eine Delegation in die Türkei und fand laut Reuters einen Kompromiss mit der Regierung. Demnach wurde vereinbart, einige der beanstandeten Konten zu schließen. Twitter weigere sich aber vorerst, wie gewünscht eine Niederlassung in der Türkei zu eröffnen.

„Twitter spurt jetzt“, begrüßte Vize-Premierminister Beşir Atalay die Sperre der beiden regierungskritischen Konten, wie Hürriyet Daily News berichtet. „Sie wissen, dass die Telekommunikationsbehörde (TİB) die Entscheidung getroffen hat, Twitter zu sperren“, sagte er demnach in einer Rede. „Wir sagten dann, Twitter soll in die Türkei kommen, mit uns sprechen und unsere Gerichtsurteile ernst nehmen. Twitter spurt jetzt.“ Tatsächlich praktiziere Twitter das schon so in anderen Ländern – und die Türkei werde künftig keinerlei Probleme mit Social Media haben.

In Deutschland stieß Twitters unklare Haltung zu den Sperrungen auf scharfe Kritik. „Twitter muss jetzt viele Fragen beantworten“, verlangte Linkspartei-Vorsitzender Bernd Riexinger und bezeichnete die Erklärung des Mikrobloggingdienstes als windelweich. „Der Konzern hat sich faktisch dem Druck eines Staates gebeugt“, sagte er gegenüber Handelsblatt Online. „Das war Willkür und Zensur. Ich sehe keine Rechtfertigung für diesen Akt.“

[mit Material von Steven Musil, News.com]

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10 Kommentare zu Twitter sperrt zwei regierungskritische Konten in der Türkei

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  • Am 24. April 2014 um 15:31 von kevin montany

    … seit einigen tagen bekomme ich kaum, schlecht und seit heute überhaupt keinen zugang mehr auf twitter sowie mein twitter – account sowie auch kein zugang von twitter – direkt-links … sind solche türkischen methoden auch in der brd möglich=? … wurde ich für twitter gesperrt =? oder kann mir jemand hinweise geben=? … mfg Kevin Montany

  • Am 23. April 2014 um 16:25 von hugo

    Es geht hier nicht um die Türkei, es geht um Twitter. Diese Internetplattform beugt sich einem Diktat, hauptsache Profit.
    „Die obersten Richter hatten am Tag zuvor die Blockade als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit gewertet.“
    Wenn selbst türkische Gerichte Twitter recht geben und Twitter dennoch vor Erdogan „spurt“, dann sind die Betreiber dieser Plattform feige und werden dem Anspruch einer SocialPlattform in keinster Weise gerecht.

    • Am 23. April 2014 um 23:14 von Judas Ischias

      Aber irgendwas muss doch da passiert sein, so ohne weiteres sperrt Twitter keine Konten?!

  • Am 23. April 2014 um 13:09 von Metin

    Wenn an den beschuldigungen ein funkun wahrheit wäre hätten die ja auch gerichtlich vorgegangen.türkei braucht die eu höchstens als andels partner mehr eu braucht erdogan nicht

    • Am 23. April 2014 um 16:14 von Judas Ischias

      Wenn man gesehen hat, wie Erdogan die Staatsanwaltschaft, Polizei und Richter ausgetauscht und versetzt hat, dann ist bei mir jedenfalls nicht der Eindruck von einem Rechtsstaat entstanden.
      Eher so etwas wie eine verkappte Diktatur.

  • Am 23. April 2014 um 12:52 von Judas Ischias

    Freiheit und Internet funktionieren noch nicht mal in einer Demokratie. Wenn es nach einigen Staatsfürsten in Europa ginge, wäre das Internet schon heftig eingeschränkt. Am schlimmsten scheint mir der Cameron zu sein. Der gehört schon in die Kategorie fanatischer Eiferer.
    Erdogan räumt konsequent seine Kritiker beiseite, irgendwas muss wohl an den Beschuldigungen dran sein, dies könnte man in einem Rechtsstaat sonst auch gerichtlich klären lassen.
    Er soll mal so weitermachen, dann kommt die Türkei noch lange nicht in die EU.

    • Am 23. April 2014 um 17:50 von Castra Bohemia

      Ich wünsche der Türkei noch 1001 Jahre bis zum EU-Beitritt. Dann aber nur mit 100%-Erfüllung der Kriterien und der Ächtung der derzeitigen Diktaturregierung!

  • Am 23. April 2014 um 12:01 von Metin

    Wer staatsgeheimnisse wie julian assange preis gibt wird halt verfolgt, das ist in der türkei mit twitter nutzern die so etwas machen nichts anders.

  • Am 23. April 2014 um 10:42 von Jan

    Was hat dies mit uns zu tun? Sollen wir ähnliches erwarten? Wobei mir noch die Frage einfällt; Internet und Demokratie?

  • Am 22. April 2014 um 17:37 von hugo

    Wenn twitter jetzt nach türkischer Mundart „spurt“, dann ist twitter für demokratische Menschen nicht mehr empfehlenswert.

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