Von der Idee bis zur Wiederverwendung ist es nur ein Schritt – zumindest in China. Baidu, im Reich der Mitte unangefochtener Marktführer bei der Websuche, ist Berichten zufolge drauf und dran, diesen Spruch in die Tat umzusetzen und eine eigenes Mobilfunkbetriebssystem zu entwickeln. Angeblich soll es mit „Qiushi“ schon einen Namen haben und auf der aktuellen Version des Android Open Source Project beruhen.
Setzt Baidu diese Pläne um, könnte das für die hochgesteckten Ziele von Apple und Google in China ein empfindlicher Dämpfer werden. Anders als bei dem angeblich vom chinesichen E-Commerce-Portal AliBaba geplanten Smartphone-OS wird es sich bei Qiushi nicht nur um eine Art Fernbedienung für Anwendungen in der Cloud handeln, um so die Kosten für die Hardware der Endgeräte möglichst gering zu halten. Baidu arbeitet an einem richtigen Betriebssystem. Warum?
Füllhorn mobile Werbung
Das Unternehmen finanziert sich wie Google über Werbegelder. Ein zunehmender Teil davon wird jedoch im Mobilsektor ausgegeben. Mobil Werbung auszuliefern ist aber komplizierter, als auf dem Desktop. Baidu hat seit dem Juli vergangenen Jahres neben vielen anderen Ergänzungen auch einen Browser und einen Kartendienst entwickelt und vorgestellt – kompatibel sowohl zu Android als auch Symbian.
Qiushi wird daher mehr als ein Betriebssystem sein. Es wird auch ein Instrument sein, um auf mobile Geräte ausgerichtete Werbung an den Mann zu bringen, so wie es AdMob bei Google oder iAd von Apple sind. Unterm Strich verfolgt Baidu damit dieselbe Strategie, die Google vorgegeben hat – und profitiert von der konzeptzionellen Vorarbeit und der Software des amerikanischen Konkurrenten.
Laut Ren Xyuang, Vizepräsident bei Baidu, will man sich „durch Partnerschaften mit Mobilfunkbetreibern, Inhalteanbeitern, Verkäufern und Softwareentwicklern eine Schlüsselrolle im mobilen Internet einnehmen, um die Entwicklung der Branche voranzutreiben.“
Xiaomi Tech steht ebenfalls in den Startlöchern
Dieses ehrgeizige Projekt könnte sich auf die Erfahrungen von Xiaomi Tech stützen, der Firma hinter dem inoffiziellen Android ROM MIUI. Dieses hat sich unter anderem durch seine Ergonomie und die umgearbeiteten, gut angepassten Applikationen einen Namen gemacht. Xiaomi Tech arbeitet übrigens gerüchteweise auch an einem eigenen Smartphone mit vorinstalliertem MIUI.
Angeblich liegt dem Gerät ein Qualcomm-Dual-Core-Prozessor mit 1,5 GHz und einem Display von Sharp mit einer Auflösung von 854 mal 480 Pixeln zugrunde. Das würde ausreichen, um auch anspruchsvolle Nutzer anzusprechen – obwohl es unwahrscheinlich ist, dass Google dem Gerät seinen Segen erteilt, ganz zu Schweigen von Anwendungen oder dem Zugriff auf den Android Market.
Android steht erst am Anfang
Ob die chinesischen „Erfindungen“ es auch auf den amerikanischen oder europäischen Markt schaffen, und ob sie dort dann nennenswerte Erfolge verbuchen können, steht in den Sternen und darf bezweifelt werden. Das ist letzendlich aber auch zweitrangig. Erstens sind eine Milliarde potenzieller Kunden an sich schon ein nicht zu verachtender Markt. Zweitens zeigen die Gerüchte und Mutmaßungen auf, welches Potenzial in Android steckt.
Was der Cartoonist bei Bonkersworld humorvoll schildert, macht sich langsam in der Realität bemerkbar: Die geschlossenen Systeme von Apple und Microsoft hängen stark von einem Unternehmen ab. Das hat aber sowohl gute und innovative Zeiten, als auch schlechte, in denen es dem Markt hinterherhinkt.
Android – in vielen Teilen sicher noch nicht so, wie man es sich wünscht – ist noch jung und hat viele Pflegeeltern. Dadurch bekommt es eine ganz eigene Dynmaik: Warum sollte morgen nicht Yandex in Russland anfangen, was Baidu heute in China macht? Und wer weiß schon, ob nicht demnächst ähnliche Meldungen aus Indien kommen?
Know-how und Geld ist in all diesen Ländern da, das Segment mobile Internet ein Kuchen, der vielen hungrigen Firmen in aufstrebenden Ländern Appetit macht. Daraus erwächst die wahre Kraft. Zwar entgeht Google so langfristig sicher die eine oder andere Milliarde Umsatz – aber es bleibt im Geschäft. Die etablierten Mitbewerber können sich da nicht so sicher sein.
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