Intels Überraschungscoup: Funktioniert „McAfee Inside“?

Für 7,7 Milliarden Dollar will Intel McAfee übernehmen. Ziel ist es, Sicherheitsfunktionen näher an die Hardware zu rücken und im Markt für mobile Geräte aufzuholen. Experten sind jedoch skeptisch, ob das gelingen kann.

„In der Vergangenheit haben Energieffizienz und Konnektivität die Anforderungen an Computer bestimmt. Sicherheit wird für die Zukunft die dritte Säule sein, die Nutzer erwarten“, begründet Intel-Präsident und -CEO Paul Otellini die geplante Übernahme des Security-Spezialisten McAfee für rund 7,7 Milliarden Dollar. McAfee soll als Tochterfirma weitergeführt werden.

Die Aufsichtsräte beider Unternehmen haben die Übernahme bereits genehmigt, lediglich die Zustimmung der Aktionäre steht noch aus. Aber die ist wahrscheinlich, liegt das Angeot doch 60 Prozent über dem letzten Schlusskurs der McAfee-Aktie. Die meisten der bisherigen Konkurrenten von McAfee sehen den Schritt als Bestätigung der eigenen Bedeutung – schließlich sind fast 8 Milliarden Dollar für einen Anbieter unter vielen in einem stark segmentierten Marktumfeld eine ganz schöne Stange Geld.

„Intels Entscheidung, eine Sicherheitsfirma zu kaufen, ist eine klare Botschaft an die Branche und Investoren, dass Sicherheit absolut grundlegende Bedeutung für künftige Technologieservices und Produkte hat“, sagt etwa Eva Chen, CEO von Trend Micro. Kaspersky nennt den Kauf einen „strategischen Schritt vorwärts“ für beide Firmen. Er untermauere die Bedeutung des Marktes für IT-Security sowohl im B2B- als auch im B2C-Sektor.

Das Verständnis von IT-Sicherheit wandelt sich

Für Symantec ist die Ankündigung ein Beleg dafür, dass sich die Bedeutung von „IT-Sicherheit“ inzwischen weit über den PC hinaus erstreckt. Eine Tatsache, die man bei Symantec übrigens schon längst erkannt hat, beeilt sich das Unternehmen hinzuzufügen. Allerdings gelte es sich in Zukunft bei Sicherheitskonzepten auf die Menschen und ihre Zugriffsrechte zu konzentrieren – unabhängig davon, welches Gerät diese nutzen. Dazu müssen Sicherheitsfunktionen nahtlos über mehrere Plattformen zusammenarbeiten, so Symantec. Übersetzt heißt das wohl: Der jetzt von Intel verfolgte, gerätebasierende Ansatz ist bereits heute überholt.

Das sieht Sophos ähnlich: Angriffe kämen heute vor allem aus dem Web und nutzten Social-Engineering-Techniken, um Zugriff auf Daten von gewissem Wert zu erlangen.“Chip-basierende Sicherheit hilft da nicht weiter“, so Markus Bernhammer, Deutschland-Geschäftsführer bei Sophos.

Intels Emedded-Ansatz mit McAfee

Bernhammer rechnet damit, dass sich der McAfee-Bereich nach der Übernahme auf Embedded Security in Hardware mit Verbraucher-Ausrichtung konzentrieren wird – also Telefone, Geldautomaten, Geräte der Unterhaltunsgelektronik mit Web-Zugang und so weiter. Dadurch würde sich der Fokus aber von den bisher in erster Linie durch McAfee angesprochenen Unternehmenskunden, -produkten und -vertriebswegen wegverlagern. Klar, dass sich auch Sophos als eindeutig auf diesen Markt ausgerichteter Anbieter gute Chancen ausrechnet, sein Geschäft auf Kosten des Übernommenen auszubauen.

Die anderen Wettbewerber sehen aber natürlich auch die Chance, in der Übergangszeit McAfee einige Kunden abzujagen. „Für bestehende und zukünftige Kunden versetzen die Intel-Ressourcen McAfee unter Umständen in die Lage, verschiedene Geräte und Endpunkte abzusichern. Damit würde nachgeholt, was Anbieter wie Trend Micro durch das Smart Protection Network bereits erreicht haben. Allerdings unterscheidet sich das Embedded-Softwaremodel von dem Betriebsmodell von Sicherheitssoftware. Das ist somit eine gute Gelegenheit für Kunden, ihre Beziehung zu ihrem Sicherheitspartner zu überprüfen und zu evaluieren, ob sie die Services und Expertise erhalten werden, die sie benötigen“, rückt Trend-Micro-Chefin Chen die Vorzüge der eigenen Firma etwa umständlich ins rechte Licht.

Bei Kaspersky erwartet man durch die Kombination aus einem der wichtigsten Hardwareanbieter und einem der wichtigsten Anbieter aus dem Security-Bereich mehr Wettbewerb und eine schnellere Weiterentwicklung der Branche. Das sei für alle anderen eine gute Sache. Zwischen den Zeilen heißt das: Eine beschleunigte Innovation kann dem Markt nur gut tun, da dadurch erwartungsgemäß ein paar schwächere Teilnehmer auf der Strecke bleiben – zu denen man sich selbst natürlich nicht zählt.

Was wird aus McAfees Appliances?

Für Bob Walder, Analyst bei Gartner, ist es wenig überraschend, dass McAfee übernommen wird. Aber dass Intel der Käufer ist, sei doch erstaunlich. Walder habe Hewlett-Packard als potenziellen Käufer gesehen – schließlich seien auch nach der Übernahme von 3Com im Netzwerkportfolio des Konzerns immer noch einige weiße Flecken. Die hätte McAfee laut Walder mit seinen Appliances ideal ausgefüllt.

Genau um diese Produktlinien sorgt sich Walder jetzt, denn zu deren Zukunftsaussichten sei bisher nichts gesagt worden. „Entweder sie werden gleich eingestellt oder die Entwicklung dafür wird zurückgefahren, so dass sie bald nicht mehr wettbewerbsfähig sind und allmählich auslaufen“, so Walder. Die dritte Möglichkeit: Der Bereich wird nach der Übernahme wieder ausgegliedert und läuft als eigenes Unternehmen weiter. „In dem Fall verstehe ich aber die Investition von 7,7 Milliarden nicht, denn was Intel dann bekommt, hätten sie auch durch die bestehende technologiepartnerschaft mit McAfee erhalten können.“

Walder rechnet damit, dass durch die Übernahme vor allem Symantec im Bereich Desktop-Sicherheit in Firmen McAfee Umsatz abnehmen kann. Wechelseffekte bei den Appliances seien schwerer zu prognostizieren, denn da gebe es schließlich eine Vielzahl von Herstellern, die in die Bresche springen könnten.

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