Urteil: Microsoft muss in Europa gespeicherte Daten an US-Behörden übergeben

Eine US-Bundesrichterin weist erneut die Einwände des Softwarekonzerns zurück. Sie setzt den Durchsuchungsbefehl allerdings vorübergehend aus. Microsoft will nun ein Berufungsgericht anrufen. Hintergrund sind Ermittlungen gegen einen Nutzer, dessen E-Mails Microsoft in Irland gespeichert hat.

Die US-Bundesrichterin Loretta Preska hat Microsoft angewiesen, den im Dezember erlassenen Durchsuchungsbefehl umzusetzen, der dem US-Justizministerium Zugriff auf in einem irischen Rechenzentrum gespeicherte E-Mails eines Kunden gewährt. Hintergrund ist ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Drogenvergehen gegen den Inhaber eines Microsoft-Kontos.

Microsoft

Allerdings setzte Preska ihre Entscheidung vorübergehend aus. Das soll Microsoft die Möglichkeit geben, ihr Urteil anzufechten und ein Berufungsgericht anzurufen.

In einer ersten Stellungnahme kündigte Microsofts Chefjurist Brad Smith diesen Schritt bereits an: „Das Einzige, was heute Morgen gewiss war, ist, dass die Entscheidung des Bezirksgerichts nicht der letzte Schritt in diesem Verfahren ist“, sagte Smith. „Wir werden sofort in Berufung gehen und uns weiter dafür einsetzen, dass die E-Mails von Nutzern einem starken Datenschutz in den USA und weltweit unterliegen.“

Zuvor hatte sich Microsoft mit dem Argument gegen den Durchsuchungsbeschluss gewehrt, die US-Regierung habe kein Recht, ohne Wissen oder Zustimmung eines Nutzers oder der Regierung des Landes, in dem die Daten gespeichert sind, private E-Mails zu erhalten. Die Vorgaben des Electronic Communications Privacy Act, der die Grundlage für die Anordnung ist, seien außerhalb der Vereinigten Staaten nicht anwendbar.

Im Dezember hatte ein Richter im US-Bundesstaat New York einen Durchsuchungsbeschluss für ein Microsoft-Konto ausgestellt. Nachdem der Softwarekonzern festgestellt hatte, dass die von den Ermittlern gesuchten E-Mails auf einem Server in der irischen Hauptstadt Dublin abgelegt waren, weigerte er sich, die Daten herauszugeben. Ein US-Richter habe nicht die Befugnis, Durchsuchungen im Ausland anzuordnen. Diesen Einwand wies der Richter im April jedoch zurück, da die Durchsuchung an sich nicht in den USA stattfinde und US-Strafverfolger Microsofts Niederlassung im Ausland nicht betreten müssten.

Ende Juni warf Viviane Reding, Vizepräsidentin der EU-Kommission, den USA vor, mit dem Durchsuchungsbefehl „vorhandene formale Prozeduren, die zwischen der EU und den USA vereinbart wurden“, zu umgehen. Als Beispiel nannte sie das gegenseitige Rechtshilfeabkommen.

„Die Kommission befürchtet, dass die extraterritoriale Anwendung ausländischer Gesetze (und darauf basierende gerichtliche Anweisungen gegen Unternehmen) gegen internationales Recht verstoßen und den Schutz des Einzelnen verhindern, der in der Union garantiert ist“, sagte Reding. Für betroffene Firmen mit einer Niederlassung in der EU ergebe sich zudem ein rechtlicher Konflikt, da sie nicht nur an US-Recht, sondern auch an europäisches Recht gebunden seien.

Ähnlich hatten sich zuletzt auch Apple, Cisco, AT&T und Verizon geäußert. Sie schlugen sich im Juni auf die Seite von Microsoft und reichten einen sogenannten Amicus-Curiae-Brief beim zuständigen Bezirksgericht des südlichen Distrikts von New York ein. Ein US-Durchsuchungsbefehl für im Ausland gespeicherte Daten führe möglicherweise zu einem Verlust des Vertrauens von Kunden in US-Cloudanbieter.

[mit Material von Charles Cooper, News.com]

Themenseiten: Datenschutz, Gerichtsurteil, Microsoft, Politik, Privacy

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12 Kommentare zu Urteil: Microsoft muss in Europa gespeicherte Daten an US-Behörden übergeben

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  • Am 1. August 2014 um 10:19 von Martin Müller

    Der Punkt, an man sagt „langsam reicht es“ ist schon lange passiert. Die USA glauben wohl sie können sich alles erlauben. Warum „verteilt“ Europa Microsoft nicht genau anders herum. Eine Herausgabe ohne Zustimmung eines europäischen Gerichts wird mit 1 Mrd. USD je Datensatz bestraft. Zahlbar durch die amerikanische Regierung oder – hilfsweise – durch Microsoft.
    Egal wo wir hinsehen dieses Verhalten ist nicht tragbar. Und Frau Merkel rennt immer brav hinterher und „bestraft“ Putin (allein die Vorstellung … am deutschen Wesen soll die Welt…???).
    Mir als neutralem Opfer der beidseitigne Propaganda-Maschinerie kommt es so vor, dass der Westen viel mehr Kriegstreiberei veranstaltet hat als Russland. Aber slebt hier regen wir uns über ein „Fuck the EU“ kaum auf und sehen nicht einmal das Offensichtliche…

    • Am 1. August 2014 um 11:09 von Frank Furter

      … und wenn wir erst TTIP, TISA etc. haben, gehört sowieso alles den US-amerikanischen Konzernen. Alles andere wäre ja ein einklagbares „Handelshemmnis“.
      Brave New World!
      (sarkasmus = off)

  • Am 1. August 2014 um 11:14 von C

    Mrs. Preska macht m.E.n. mehrere Rechtsfehler:

    1. US-Recht gilt nur für US-Territorium
    Man kann nicht nationales US-Recht auf andere Staaten anwenden. Das sollte die Dame eigentlich wissen.

    2. US-Recht gilt nur für US-Entitären/US-Bürger
    Hier wird ein Durchsuchungs-/Herausgabe-Befehl gegen die Microsoft Inc. genehmigt. Nur, diese hat juristisch nichts mit Microsoft Ireland zu tun. Das sind unterschiedliche Entitäten, die unterschiedlichen Rechtsräumen folgen. Sollte Fr. Richterin wissen.

    3. Daten-Kontrolle bzw. Daten-Besitz soll entscheidend sein
    Fr. Richterin meint, über Nr. 1 & Nr. 2 sich hinwegsetzen zu dürfen, weil aus den USA heraus die Daten, die in Irland gespeichert sind, zugegriffen werden kann.
    FALSCH!
    MS Inc. ist zwar Mutter-Konzern von MS Ireland und kann zwar eine Anweisung an MS Ireland geben, aber MS Ireland ist an Irische/EU-Gesetze gebunden. Heißt: US-Manager geben Irischen-Manager den Auftrag, Irisches/EU-Recht vorsätzlich zu brechen.
    Rein von der Rechts-Konstruktion SCHWACHSINN, denn die Irischen Manager sind in Irland/EU dafür haftbar, wenn sie lokales Recht brechen.
    Außerdem vergisst die Dame, dass es zwar technisch einen Zugriff gibt aus den USA, dass dieser jedoch juristisch nicht möglich ist, da anderweitig US-Recht auf die ganze Welt ausgeweitet werden würde. Was ist mit Rechtshoheiten, internationalen Abkommen & Verträgen, die die USA ebenso unterschrieben haben?

    Es wäre für alle Parteien sinnvoll, den Weg hier abzukürzen und gleich die Sache dem SUPREME COURT vorzutragen. Falls der sich der aktuellen Rechtsprechung anschließen sollte: dann der UNO/WTO.
    Bei etwaiger Bestätigung der Rechts-Auffassung der Richterin stelle Ich dann Straf-Antrag hier in der BRD gegen Sie, da ja ein Auslieferungs-Abkommen zwischen USA & BRD besteht. Die Dame macht sich im hiesigen Rechtsraum strafbar, und zwar ganz gewaltig!

    Der normale Weg wäre gewesen:
    die US-Justiz stellt einen Rechts-Hilfe Antrag an die Iren, die prüfen und genehmigen – und Irische Polizei besorgt bei MS Ireland die benötigten Daten und händigt diese den USA aus.
    Ist wohl der Dame zu umständlich…
    Es sollte mal ein US-Bürger auch versuchen, in der BRD mit nicht genehmigter Handfeuer-Waffe in der Öffentlichkeit herum zu rennen. Nur weil er das in den USA darf, heißt das nicht, dass er das hier darf.

    • Am 1. August 2014 um 12:51 von Nun

      Ein US Gericht hat ja auch den Hedge Funds „Recht“ gegeben, so dass sie Argentinien in den Ruin getrieben haben. Wenn das das ‚Pilot‘ Beispiel für TTIP sein soll, würde ich den Entwurf ohne zu zögern zerreissen – schei..t auf die Transatlantische Zusammenarbeit, wenn daraus eine einseitige politische Knebelei erwachsen soll. Ao etwas braucht Europa nicht.

      • Am 1. August 2014 um 23:46 von C

        @Namenlosen

        Der Fall Argentinien liegt rechtlich anders:
        Argentinien hat Staats-Anleihen nach US-Recht (SEC) an einem US-Finanzplatz ausgegeben. Damit sind automatisch US-Recht, US-Gerichte & die SEC zuständig. Das wurde gemacht, weil der US-Finanzplatz die größte Möglichkeit zur Platzierung bot. Man ist ja damals auch die Anleihen losgeworden. Dumm nur, dass man diese dann hinterher nicht bedienen konnte… und notleidend wurde.
        Wer sich freiwillig unter US-Jurisdiktion begibt, darf sich hinterher nicht darüber wundern.

        Der Fall hier liegt anders. Hier wird versucht, US-Recht über die US-Grenzen hinaus einzusetzen, was rechtlich nicht möglich ist.
        Die US-Richterin versucht sich mit Spitzfindigkeiten hier herauszureden, was aber nicht funktionieren wird.

        Zurück zur IT:
        Die Konsequenz ist – unabhängig von Rechtsfragen – KEINE US-Produkte mehr zu verwenden bzw. einzusetzen. Mit oder ohne bewusste NSA-Backdoor…

    • Am 3. August 2014 um 14:28 von C

      NACHTRAG:

      Es gibt einen weiteren, rechtlichen Grund, warum die Frau Richtering NICHT auf die Daten so einfach zugreifen kann:
      SAFE HARBOUR Abkommen zwischen USA & EU.

      Darin garantieren US-Firmen eine Daten-Behandlung wie in der EU, auch wenn die Daten physisch in den USA gelagert/verfügbar werden.
      Heißt: die FTC (als Rechts-Vertreter der EU-Bürger) muss sich hier einschalten, weil EU-Bürger nicht direkt in den USA klagen dürfen.

      Außerdem dürfte das DoJ gar nicht solche Anträge stellen, den damit würde das DoJ ja internationale Abkommen selbst brechen.
      Ich bin schon auf das Appeal-Court Urteil bzw. den Supreme Court gespannt.

      Was hier abgeht, ist reiner Juristen-Unsinn. Dem Vor-Richter war es zu aufwendig das Rechts-Hilfe-Ersuchen-Verfahren zu beschreiten. Hier wird also Recht nach Bequemlichkeit gesprochen, nicht nach Gesetz & Verträgen. Soweit sind wir schon. Sollte die bisherige Recht-Sprechung nicht bestehen bleiben, müsste man beide Richter des Amtes entheben: wegen erwiesener UNFÄHIGKEIT.

  • Am 1. August 2014 um 12:50 von crimson1968

    Ich finde, wenn die USA ihr Recht international anwenden wollen, dann müssen sie dies auch vollständig tun:
    Wer nach nationalem US-Recht im internationalem Gebiet Forderungen stellt, muss auch außerhalb des eigenen Territoriums US Recht anwenden, was dann zufolge hätte, dass Guantanamo geschlossen wird und die NSA/CIA/etc. alle Bürger (egal in welchem Land) nach US-Recht behandeln muss (oder zumindest vor US-Gerichten für solche Gesetzesverstöße auch durch Ausländer belangbar ist). Es gäbe demzufolge keine Geheimgefängnisse, „illegale Überwachung“ und andere Rechtsbrüche mehr.

    Ich denke, da es sich im aktuellen Fall ja um Verbrechensbekämpfung und die Herstellung des Rechts geht, würden Viele davon profitieren, wenn man diese Öffnung konsequent und bilateral vollzieht.

    • Am 1. August 2014 um 15:35 von Cool ...

      … wenn ich bei einem US-Konzern angestellt bin, darf ich dann auch in NY Arbeitslosengeld beantragen? Per Definition und Rechtsverständnis bin ich doch dann den USA unterstellt? ;-)

  • Am 1. August 2014 um 13:27 von Marc Chagall

    Aus diesem Grund anlässlich solcher Arroganz, kann ich die Amerikaner nicht mehr leiden. Cäsarenwahn und Gier, mehr ist das nicht mehr. Moral fehl am Platz.

  • Am 1. August 2014 um 14:59 von Christian Feist

    Ganz klare Sache. Wer einem US Unternehmen wichtige Daten vertraut hat schon verloren. Nie wieder einem US Unternehmen vertrauen ist die Antwort!

  • Am 1. August 2014 um 15:02 von Gldmann

    Aufwiedersehen Windows, Aufiedersehen Microsoft.Nie wieder Microsoft, El lebe LINUX!!!!!

  • Am 1. August 2014 um 15:02 von Pronto

    …dann soll Microsoft die Daten halt ohne richterlichen Beschluss herausgeben, haben sie in der Vergangenheit doch massenhaft getan. Das ganze ist doch bloß ein PR Schachzug mit dem Microsoft hofft einen Funken Restvertrauen zu bewahren…

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