Nach einem Jahr hat Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke viel geschafft: Das Unternehmen ist aus den roten Zahlen, und der Abbau der Milliardenschulden kommt voran. Dennoch bleibt für den 42-Jährigen, der nach dem spektakulären Rausschmiss von Ron Sommer sein Amt am 15. November 2002 antrat, noch viel zu tun. Vor allem der massive Stellenabbau stößt bei den Beschäftigten auf heftigen Widerstand.
„Ricke ist der richtige Mann am richtigen Platz“, urteilt Theo Kitz vom Bankhaus Merck Finck & Co. in München. „Er hat Ruhe in das Unternehmen gebracht.“ Im Managementstil sieht er den deutlichsten Unterschied zum gefallenen Börsenstar Sommer. „Ricke wirkt viel weniger nach außen, sondern konzentriert sich auf das Innere des Konzerns.“ Tatsächlich schlägt sich die Telekom, die am Donnerstag Zahlen für das dritte Quartal vorlegen wird, unter dem neuen Chef nicht schlecht. Nach dem Krisenjahr 2002 mit einem Rekordverlust von 24,6 Milliarden konnte das Unternehmen im ersten Halbjahr 2003 einen Nettogewinn von 1,1 Milliarden Euro ausweisen.
Vor allem der Mobilfunk brummt: Die Konzernsparte T-Mobile konnte ihren Umsatz in den ersten sechs Monaten des Jahres um 19 Prozent erhöhen. Und am Dienstag konnte die Internet-Tochter T-Online erstmals schwarze Zahlen vermelden. Die solide Geschäftsentwicklung kommt dem Schuldenabbau zugute. Das Ziel, die Verbindlichkeit bis zum Jahresende auf 49,5 bis 52,3 Milliarden Euro zu verringern, dürfte Ricke ohne Schwierigkeiten erreichen. Dazu beigetragen hat vor allem auch der Verkauf der verbliebenen Kabelnetze Ende Januar, der 1,75 Milliarden Euro in die Kasse spülte. Gleichzeitig hat Ricke Randbeteiligungen abgestoßen. Im Oktober verkaufte er etwa den Anteil an dem philippinischen Mobilfunkanbieter Globe Telecom. In Asien ist die Deutsche Telekom damit im Mobilfunk nicht mehr präsent.
Aktionärsschützer sind im großen Ganzen zufrieden: Ricke sei „auf dem richtigen Weg“, sagt Lars Labryga von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). Dem Telekom-Chef sei es „Schritt für Schritt“ gelungen, Versprechen einzuhalten. Dabei müssten Anteilseigner auch in Kauf nehmen, dass es auch für dieses Jahr keine Dividende geben könnte. „Aus meiner Sicht ist es besser, wenn man dem Ziel, langfristig den Gewinn zu steigern, den Vorzug gibt“, sagt Labryga. Gescheitert sei Ricke allerdings mit dem Versuch, die Stellung der Telekom im Vorfeld der EU-Erweiterung in Osteuropa zu stärken, sagt Analyst Kitz. Die schon sicher geglaubte Komplettübernahme des größten polnischen Mobilfunkunternehmens PLC platzte im September wegen interner Streitigkeiten. Der Telekom bleibt damit nur ihr Minderheitsanteil von 49 Prozent.
Und die Zerreißprobe um die innere Sanierung des ehemaligen Staatskonzerns steht Ricke erst noch bevor. Er muss einen Stellenabbau vollenden, der zwischen 2001 und Ende 2005 in Deutschland den Wegfall von 40.000 Jobs vorsieht. Rund die Hälfte hat das Unternehmen bisher geschafft. Knapp 10.000 Mitarbeiter sind dabei in der konzerneigenen Personalagentur Vivento gelandet. Sie soll Beschäftigte an eigene oder andere Firmen ausleihen – bislang allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Laut Telekom wurden nur 2000 Beschäftgte dauerhaft vermittelt.
Rickes Personalvorstand Heinz Klinkhammer holte Ende Oktober zum großen Wurf aus. In einem „Beschäftigungpakt“ will er die Arbeitszeit für 100.000 Telekom-Beschäftigte der Festnetzsparte T-Com von 38 auf 34 Wochenstunden bei gleichzeitiger Gehaltskürzung senken. Dies soll 10.000 Arbeitsplätze retten und gleichzeitig jährliche Kosteneinsparungen in dreistelliger Millionenhöhe bringen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht darin den „Gipfel der Zumutung“. Just am Freitag – dem einjährigen Amtsjubiläum Rickes – wird sie entscheiden, wie sie darauf im Detail reagiert.
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