Siegel hilft bei der nachhaltigen Beschaffung von IT

Das TCO-Siegel ist nach wie vor in erster Linie als Ergonomiezertifikat für Monitore bekannt. Es bescheinigt aber längst auch die umweltfreundliche Produktion. Und jetzt steht es auch für sozial verträgliche Produktion. Das findet insbesondere bei der öffentlichen Hand Anklang.

In den vergangenen Jahren ist die Situation der Arbeiter in den Fabriken, die die in Europa und den USA konsumierten IT-Produkte herstellen, zunehmend in den Blick der Öffentlichkeit geraten. Insbesondere die Verhältnisse beim Apple-Lieferanten Foxconn sorgten immer wieder für Schlagzeilen. Obwohl das Unterenehmen auch für andere Anbieter fertigt, stand seine Beziehung zu Apple im Vordergrund: Schließlich ist in dem Fall die Diskrepanz zwischen dem hochwertigen Produkt den Arbeitsbedingungen besonders groß.

Apple versäumte es nicht, seine Kundschaft mit Selbstverpflichtungen, Zeichen des guten Willens und Corporate-Social-Responsability-Berichten zu beruhigen. Andere Hersteller, etwa Dell und Hewlett-Packard, legten ähnliche Berichte vor. Das ist ein Fortschritt – Einkäufern und Verantwortlichen in Unternehmen und bei der öffentlichen Hand hilft es wenig. Wenn sie mit ihrer Einkaufspolitik nicht nur auf Ergnonomie, sondern auch Umweltaspekte – sowohl bei der Nutzung als auch der Produktion – und gleichzeitig noch soziale Aspekte bei den Fertigern achten wollen oder sollen, sind sie schlichtweg überfordert.

Das TCO-Siegel (Bild: TCO Development).

Zwar gibt es für alle Bereiche einige Zertifiakte und Prüfsiegel, aber sie unter einen Hut zu bringen, ist nahezu unmöglich. Dazu kommt, dass das ergonomischste Gerät nicht unbedingt das am umweltfreundlichsten hergestellte sein muss – und das umweltfreundlichte ist noch lange nicht automatisch auch das aus sozialen Gesichtspunkten verträglichste. Seit einiger Zeit bemüht sich TCO Development deshalb darum, neben Ergonomie und Umweltaspekten auch die Arbeitsbedingungen bei der Produktion zu zertifizieren und alle drei Aspekte sinnvoll gegeneinander abzuwägen.

Die bisher hauptsächlich für ihr Monitor-Prüfsiegel bekannte Abteilung des Dachverbandes der schwedischen Angestelltengewerkschaften kann jetzt im neuen Tätigkeitsfeld erste Erfolge vorweisen: Die ersten IT-Produkte die den aktuellen Gütekriterien der Nachhaltigkeitszertifizierung TCO Certified entsprechen, stehen zur Verfügung. Im Gegensatz zu vielen anderen Siegeln fließen bei TCO Certified nicht nur Umweltaspekte ein, sondern es wird auch unter die Lupe genommen, inwieweit der Hersteller seine soziale und wirtschaftliche Verantwortung – die sogennante Corporate Social Responsibility (CSR) – Ernst nimmt. Dazu werden auch die Bedingungen in den Produktionseinrichtungen für IT-Produkte beurteilt.

Welche Anforderungen TCO dabei stellt, wurde im März dieses Jahres bekannt gegeben. Seitdem haben eine Reihe von IT-Herstellern daran gearbeitet, diese Anforderungen zu erfüllen und sich zertifizieren zu lassen. Für die Auszeichnung verlangt TCO Development von den Herstellern neben der Erfüllung sämtlicher Anforderungen im Hinblick auf Umweltverträglichkeit, Ergonomie und Energie auch den Nachweis, dass die Produktion zu den Kernstandards für sozial verantwortliche Arbeitsbedingungen der International Labor Organization (ILO) konform ist. Nachweisen müssen das die Hersteller durch von unabhängigen Prüfstellen durchgeführte Sozial-Audits sowie durch die Teilnahme an Programmen wie EICC oder SA8000.

Druck auf die Hersteller nimmt zu

Niclas Rydell von TCO Development (Bild: TCO Development).
Niclas Rydell von TCO Development (Bild: TCO Development).

Nun sind die ersten Produkte mit dem aktuellsten TCO Certified Siegel verfügbar – All-in-One-PCs von Lenovo. Genauer gesagt handelt es sich um die Modelle ThinkCentre M92z und M72z mit Displays von 20 und 23 Zoll. Die komplette und jeweils aktuellste Liste kann unter http://www.tcodevelopment.com eingesehen werden. Neben All-in-One-PCs wird das Siegel auch für Notebooks, Desktop-Computer, Tablet-PCs, Beamer, Headsets und natürlich Monitore vergeben.

Niclas Rydell von TCO Development sieht insgesamt einen großen Bedarf an Produkten, die nicht nur aus Umwelt- sondern auch aus sozialen Aspekten heraus nachhaltig gefertigt werden. Zwar sei das Interesse bei Einkäufer von Unternehmen noch mäßig, gerade die öffentliche Hand lege aber bereits großen Wert darauf, bei ethisch möglicht einwandfrei produzierenden Firmen zu kaufen.

Als Einrichtungen, die mit ihren lieferanten „aktiv das Gespräch über Nachhaltigkeit suchen“ nennt er in Deutschland beispielsweise den Freistaat Bayern mit rund 100.000 IT-Anwendern, das Bundesland Rheinland-Pfalz mit 30.000 IT-Usern, die Universität Regensburg, das Landratsamt des Kreises Esslingen, den Landkreis Osnabrück sowie den Deutschen Wetterdienst.

Aber auch die Bundesagentur für Arbeit, mit 180.000 Anwendern, sowie in Österreich die Stadt Wien mit 30.000 PC-Arbeitsplätzen gehörten dazu. Außerdem hätten erste Gespräch zwischen TCO und dem Bundesbeschaffung in Österreich, dem deutschen Beschaffungsamt, der Bundeswehr und sogar mit BMW stattgefunden.

Damit wird die Zertifizierung auch für die Hersteller erstrebenswert: Denn nehmen die oben genannten und andere Organsiationen die Zertifizierung – oder zumindest die dadurch bestätigten Anforderungen – in ihre Ausschreibungen auf, dürfte es schwer werden, ohne sie an diesen großen Abnehmer noch etwas zu verkaufen. Und diese Geschäfte werden sich nur wenig entgehen lassen wollen.

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