Datenschutz in der EU: Finnland prescht vor

Das Gesetz Information Society Code ist zu Jahresbeginn in Kraft getreten. Es behandelt alle Anbieter von Kommunikationsdiensten gleich - von Messaging-Start-up bis zum Netzbetreiber. Anwälte fühlen sich an den derzeit der EU vorliegenden Entwurf erinnert.

In Finnland ist zu Jahresbeginn ein neues Gesetz mit dem englischen Namen Information Society Code in Kraft getreten. Als weit gesteckter gesetzlicher Rahmen ersetzt es alle bisherige nationale Gesetzgebung zur elektronischen Datenübertragung und verfolgt vier Ziele: Vereinfachung, besseren Schutz für Endanwender, Erleichterung einer Datengesellschaft und Schaffung gleichberechtigter Telekommunikationsmärkte.

EU-Flagge (Bild: EU)

Rein rechnerisch wurden zehn bisherige Gesetze durch ein einziges ersetzt. An Stelle ihrer 490 Absätze treten 350 neue. Schon allein dies bezeichnet die Anwaltskanzlei Bird & Bird in einer Einschätzung gegenüber ZDNet.com als „international einmalig“.

Für die Bevölkerung dürfte aber wichtiger sein, dass der Information Society Code der Politik stärkere Regulierungsmöglichkeiten an die Hand gibt und für alle Formen von elektronischer Kommunikation die gleichen Regeln verbindlich macht. An sie müssen sich also Netzbetreiber genauso wie Chatdienste und Social Networks halten. Olli-Pekka Rantala vom Ministerium für Transport und Kommunikation verspricht dadurch Chancengleichheit für Telekommunikationsfirmen alter Prägung und Internet-Start-ups mit Kommunikationsprodukten.

Zudem gelten die Regeln für europäische Firmen genauso wie etwa für amerikanische und chinesische, sofern sie in Finnland aktiv sind. Diese Auslegung entspricht dem Rahmen aktueller EU-Gesetzgebung, geht aber über sie hinaus. Bird & Bird sieht etwa deutliche Parallelen zu dem neuen EU-Datenschutzgesetz, das aktuell als Entwurf diskutiert wird.

Ein altes Konzept auf einen neuen Markt übertragen ist auch das der gemeinsamen Haftung von Netzbetreibern und Dienstleistern. Wenn ein finnischer Kunde einen Dienst bucht und über die Handyrechnung bezahlt, ist der Netzbetreiber ebenso für die Dienstleistung haftbar wie der Anbieter des eigentlichen Diensts. Gibt es Probleme mit dem Kauf, kann sich der Kunde nach Wahl an einen von beiden wenden. Das entspricht den rechtlichen Vorgaben bei Kreditkartenzahungen.

Außerdem müssen den Kunden nach dem Gesetz verstärkt „universelle Service-Produkte“ angeboten werden. Darunter sind Komplettpakete aus Telefonie und mindestens einer Internetverbindung mit wenigstens 1 MBit/s zu verstehen. Die Telekommunikationsanbieter können somit nicht mehr nur immer teure Produkte bewerben. Ihr Vorteil durch das neue Gesetz besteht aber darin, dass die Lizenzvergabe erleichtert wurde – und dass die Marktbedingungen nun für alle gleich sind.

Die Kanzlei Bird & Bird möchte das neue finnische Gesetz noch nicht als Erfolg bewerten. Es müsse sich erst einmal bewähren und könne zudem durch die EU ausgehebelt werden. Dagegen ist Ministeriumssprecher Rantala überzeugt, dass es an den richtigen Punkten ansetzt: „Vertrauen ins Internet wird ein Schlüsselproblem für künftige Entwicklungen. In dieser Hinsicht ist es wichtig, dass neue Kommunikationsformen den gleichen Bedingungen wie die alten unterliegen. Finnland ist mit seiner Ausweitung des Rechts hier Vorreiter.“

[mit Material von Eeva Haaramo, ZDNet.com]

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