„Linux läuft auf mehr Desktops als Mac OS“

Der neue Suse-Chef Richard Seibt im ZDNet-Interview zu den Chancen von Linux sowie seines Unternehmens und des United Linux-Verbundes

Offiziell wurde der Stab am 20. Januar übergeben: Der 50-jährige Richard Seibt beerbte den gerade Mal ein Jahr lang amtierenden Gerhard Burtscher als Geschäftsführer des Nürnberger Linux-Distributors Suse. Seibt ist seit 24 Jahren in der IT-Industrie tätig und war bisher als Vorstand oder Aufsichtsrat für mehrere Tochtergesellschaften von United Internet tätig. Davor stand er mehr als 20 Jahre bei IBM in Lohn und Brot.

ZDNet befragte ihn zu seinen Plänen für das Unternehmen und der künftigen Positionierung gegen potentielle Konkurrenten, den Chancen von Linux generell sowie der Situation im United-Linux-Verbund.

Herr Seibt, was gedenken Sie anders zu machen als Ihr Vorgänger Gerhard Burtscher?

Burtscher hat eine bestimmte Aufgabe erfüllen müssen: Sein Job war es, das Wachstum voranzubringen. Unbescheidenerweise habe ich eine große Erfahrung im Bereich von Sales und Marketing und diese wird mit helfen, das Unternehmen noch erfolgreicher zu machen. Ich plane verstärkt auf unsere Vertriebspartner zu setzen und das Channel Partner-Programm – Namen wie IBM, EDS oder HP sind hier zu nennen – auszubauen. Auch die Großkunden wollen wir nun direkter ansprechen.

Die Meta Group legte Ende Januar eine viel beachtete Studie vor. Darin heißt es, das Hauptargument der Anwender für Linux sei der Preis. Ob diese Rechnung aufgeht, ist für die Meta-Analysten allerdings alles andere als ausgemacht. Schon der Kauf einer professionell einsetzbaren Linux-Version, so ihre aktuelle Einschätzung, kann so viel kosten wie Windows 2000 oder Unix. Preisvorteile ergäben sich vor allem gegenüber Unix-Systemen, die nicht auf Intel-PCs sondern auf Risc-Systemen wie Sparc (Sun) oder Power-PC (IBM) laufen.

Ich mache einen klaren Preisvorteil im Hardware-Bereich aus, der Vorteil von Linux gegenüber proprietären Systemen erscheint mir absolut offensichtlich zu sein. Faktoren wie Skalierbarkeit oder Interoperabilität haben einen großen Einfluss auf die TCO – und da ist Linux einfach überlegen. Ich mache den Kostenvorteil im Hardware-Bereich zwischen 30 und 50 Prozent fest.

Welches Feld ist für Suse entscheidender: Desktop oder Server?

Ich sag mal: Server. Allerdings ist der Bereich der Clients nicht unwichtig, nur die Nachfrage ist derzeit vorrangig für den Bereich des Servers auszumachen.

Wieso dann der Suse Linux Office Desktop?

Auch dafür ist eine Nachfrage da, darum sagte ich ja, dass der Client keinesfalls zu vernachlässigen ist. Die Anwender äußern uns gegenüber immer wieder das Verlangen, ihre Windows-Applikationen auch unter Linux aufrufen zu können. Man könnte sagen: Der Server treibt den Client. Früher, im Windows-Zeitalter, war es noch genau anders herum: Da hat der Client den Server getrieben. Letztlich ist aber immer das Preis-Leistungs-Verhältnis entscheidend.

Welchen Marktchancen rechnen Sie sich generell in den kommenden fünf Jahren für Linux auf dem Desktop aus?

Klar ist, dass keiner von uns voraussagen kann, wie sich die Zukunft ausformen wird. Wie Sie bestimmt wissen, hat sich Linux aktuell einen Marktanteil von etwa sechs bis sieben Prozent auf dem Desktop erobert. Das ist besser als Apple zu seinen besten Zeiten. Sie sehen also, auf welch große Akzeptanz Linux stößt. Und wie gesagt, unsere Server haben den Unternehmen Lust auf Linux auch auf dem Client gemacht. Davon werden es immer mehr! In fünf Jahren – vermute ich – wird der Desktop-Anteil von Linux bei dem des Server-Bereiches heute liegen, also bei rund 26 Prozent.

Aktuell sind die Betriebsressourcen noch in der Hauptsache durch den Server gebunden. Es wird aber die Zeit kommen, in der die Großkunden in Bezug auf den Client ähnlich engagiert sein werden. Lassen Sie mich als eines der ersten Beispiele Schwäbisch Hall nennen. (Schwäbisch Hall ist die bundesweit erste bekannt gewordene Kommune, die in ihrer Informationstechnik komplett auf Linux und Open Source Software setzt, Anm. der Red.)

Wenn Sie also den Unix-Markt aufrollen wollen, brauchen sie einen starken Partner: IBM. Big Blue steht mittlerweile ja fast synonym für Linux-Engagement. Wie wollen Sie sich gegen Red Hat behaupten, das mit IBM denselben Deal hat wie mit Suse, wie uns Joerg Ludwig, Direktor Linux Marketing & Sales bei IBM, kürzlich verriet?

Das sehe ich gelassen. Bei den Großrechnern haben wir unzweideutig die Nase vorn: Im Bereich der z-Series verfügen wir über einen Betriebssystem-Anteil von 80 Prozent, im Bereich der p-Series hat Red Hat überhaupt kein Angebot vorzuweisen. Wir sehen unsere Position dahingehend gefestigt. Außerdem verlangen die Kunden nach einer konsistenten Lösung, und wir vertreten in dieser Beziehung eine ganz andere Philosophie als Red Hat: wir entwickeln aus einer Code-Base heraus all unsere verschiedenen Angebote, Red Hat baut meines Wissens auf wenigstens acht verschiedene Bases auf.

Zweitens können wir ein starkes Commitment der Open Source-Gemeinde gegenüber vorweisen: Wir verwenden – anders als Red Hat – nur APIs, die bereits abgesegnet sind. Deren Kunden werden unweigerlich Probleme bekommen.

Hans Bayer, Managing Director Central Europe ihres United Linux-Partners SCO hat im Interview mit uns angedeutet, dass sich sein Unternehmen künftig gerne als Vertriebskanal für Suse positionieren würde. Was sind Ihre Pläne diesbezüglich?

Stimmt, SCO und wir sind Partner in UL-Verbund und sprechen daher über dasselbe Produkt. SCO – also Caldera – ist traditionell eher auf den Mittelstand hin ausgerichtet, dort lässt sich der Suse Linux Enterprise Server ganz hervorragend absetzen. Andererseits ist SCO, anders als wir, bei „Großen“ wie beispielsweise der Deutschen Bank weniger vertreten. Wir ergänzen uns da ganz ausgezeichnet, eine Vertriebspartnerschaft ist also durchaus auch in unserem Sinne.

Es gab also schon konkrete Verhandlungen?

Ja, ich habe diesbezüglich Gespräche mit Darl McBride (President und CEO von SCO; Anm. d. Red.) geführt.

Hätten Sie in Bezug auf United Linux gerne Red Hat mit im Boot gehabt?

Jeder, sich mit Linux beschäftigt und dessen Herz an dieser Sache hängt, kann sich nur wünschen, dass es eine allgemeingültige Version gibt. Wir sind ja im Mai vergangenen Jahres angetreten, um den Kardinalfehler der Unix-Welt zu vermeiden: die Fragmentierung der verschiedenen Betriebssystem-Versionen. Wenn Red Hat ebenfalls daran Interesse hat, brauchen sie nur anzurufen. Wir sind dran.

Wie sehen Sie sich in Deutschland generell gegen Red Hat aufgestellt? Das amerikanische Unternehmen geht den hiesigen Markt ja gerade erst an.

Meine Erfahrung ist, dass sich die deutschen und generell die europäischen Kunden ein bestimmtes Produkt erst eingehend ansehen. Dann erst entscheiden sie sich für oder gegen den Einsatz. Ich bin daher der Überzeugung, dass sich unser Angebot mittel- und langfristig durchsetzen wird, weil es das bessere Produkt ist. Zudem kommt der Support hier aus Deutschland, und wer hat den Kundendienst nicht gerne aus seiner näheren Umgebung kommend? In der EU haben wir eindeutig die besseren Karten. Außerdem: Erfolg muss sich rechnen. Auch Red Hat kann keine Marketingmittel in den Kampf werfen, die sich nicht auszahlen. Ich sehe die Konkurrenzsituation daher gelassen.

Kontakt: Suse, Tel.: 0911/7405331

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