Steve Jobs: „Der Tod ist wahrscheinlich die beste Erfindung des Lebens“

Anlässlich seines Todes veröffentlicht ZDNet.de die Übersetzung einer Rede, die Jobs 2005 an der Uni Stanford hielt. Darin gewährte der Apple-Chef einen tiefen Einblick in sein Seelenleben. Es ist ein Appell, sich treu zu bleiben und das zu tun, was man liebt.

Wie kein anderer hat Steve Jobs das digitale Leben der letzten Jahre geprägt. Sein Tod erschüttert viele Menschen auf der ganzen Welt. Langjährige Weggefährten wie auch Mitbewerber zollen dem verstorbenen Apple-Chef Respekt. Netscape-Erfinder Marc Andreessen sieht Jobs sogar als „den Besten der Besten“. An dieser Stelle soll einmal nicht von den Produkten die Rede sein, die unter seiner Ära entstanden sind, sondern von dem Menschen dahinter.

In einer Rede die Jobs 2005 an der Universität Stanford hielt, gewährte der Apple-Chef einen tiefen Einblick in sein Seelenleben. Sie verrät viel über den Menschen Jobs. Es ist ein Appell, sich treu zu bleiben und das zu tun, was man liebt.

Übersetzung des englischen Originals:


Ich fühle mich geehrt, heute bei Ihnen zu sein, bei Ihrer Abschlussfeier an einer der feinsten Universitäten, die es auf der Welt gibt. Ich habe nie eine Hochschule abgeschlossen. Um die Wahrheit zu sagen, gerade jetzt bin ich einem Hochschulabschluss am allernächsten.

Ich will Ihnen heute drei Geschichten aus meinem Leben erzählen. Das ist alles. Keine große Sache. Nur drei Geschichten.

Die erste Geschichte handelt vom Verbinden von Punkten.

Ich besuchte das Reed College, stieg aber bereits nach sechs Monaten wieder aus, hing dann noch weitere 18 Monate auf dem Campus herum, bevor ich das College endgültig verließ. Was waren die Gründe?

Es begann, bevor ich geboren wurde. Meine biologische Mutter war eine junge, unverheiratete College-Absolventin, und sie beschloss, mich zur Adoption freizugeben. Sie wollte unbedingt, dass ich von Leuten adoptiert werde, die auch einen College-Abschluss besitzen. Alles war vorbereitet, damit ich nach meiner Geburt von einem Rechtsanwalt und seiner Frau adoptiert werde. Aber als ich auf die Welt war, beschloss dieses Paar, dass es doch lieber ein Mädchen wollte. So kam es, dass meine Eltern, die auf einer Warteliste standen, mitten in der Nacht einen Anruf erhielten: „Wir haben einen neugeborenen Jungen, wollen Sie ihn?“ Die Antwort war: „Natürlich.“ Meine biologische Mutter fand später heraus, dass meine Adoptiv-Mutter nie ein College absolviert und mein Vater nicht einmal einen Highschool-Abschluss hatte. Sie weigerte sich, die Adoptionspapiere zu unterzeichnen. Erst Monate später, als meine Eltern versprachen, dass ich später ein College besuchen würde, gab sie nach.

Und 17 Jahre später besuchte ich ein College. Aber ich habe naiverweise eine College gewählt, das fast so teuer wie Stanford war und die Ersparnisse meiner der Arbeiterklasse zugehörigen Eltern verschlang. Nach sechs Monaten sah ich keinen Sinn mehr darin. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit meinem Leben machen wollte, und sah nicht, wie mir das College helfen sollte. Dort gab ich das ganze Geld meiner Eltern aus, das sie ihr Leben lang gespart hatten. Also beschloss ich, abzubrechen und darauf zu vertrauen, dass ich meinen Weg finden würde. Für mich war dies ein Furcht erregender Schritt, aber im Rückblick eine meiner besten Entscheidungen. Ab der Sekunde, als ich abbrach, konnte ich aufhören, die Kurse zu besuchen, die mich nicht interessierten – und mit denen beginnen, die für mich interessant waren.

Das war nicht romantisch. Ich hatte kein Zimmer im Studentenwohnheim und schlief daher bei Freunden auf dem Fußboden, sammelte leere Cola-Flaschen wegen der 5 Cent Pfand, um Nahrung zu kaufen, und jeden Sonntagabend lief ich sieben Meilen zu Fuß quer durch die Stadt, um im Hare-Krishna-Tempel eine gute Mahlzeit zu bekommen. Ich war begeistert. Und vieles von dem, in das ich damals aus Neugier und Intuition hineinstolperte, erwies sich später als unbezahlbar. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben.

Am Reed College wurde damals die landesweit wahrscheinlich beste Einführung in die Kunst der Kalligrafie angeboten. Auf dem gesamten Campus war jedes Plakat, jedes Etikett auf jeder Schublade wunderschön von Hand kalligrafiert. Da ich die normalen Lehrgänge wegen meines Studienabbruchs nicht mehr besuchen musste, beschloss ich, diese Kunst zu lernen. Ich habe viel gelernt über Schrifttypen mit und ohne Serifen, über die Variation des Abstands zwischen unterschiedlichen Buchstabenkombinationen, über das, was großartige Typografie großartig macht. Es war eine Beschäftigung mit schönen, künstlerischen, subtilen Dingen, die Wissenschaft nicht erfassen kann – und ich war fasziniert.

Nichts davon versprach irgendeinen praktischen Nutzen für mein späteres Leben. Aber zehn Jahre später, als wir am ersten Macintosh-Computer arbeiteten, erinnerte ich mich an alles. Und wir bauten es in den Mac ein. Er war der erste Computer mit schönen Schrifttypen. Wäre ich nicht zufällig auf diesen Kurs gestoßen, hätte der Mac nie mehrere Schrifttypen und auch nicht verschiedene Proportional-Fonts bekommen. Und da Windows nur den Mac kopiert hat, ist es wahrscheinlich, dass gar kein Computer sie gehabt hätte. Wenn ich nicht mein Studium abgebrochen hätte, wäre ich niemals in diesen Kalligrafiekurs gegangen, und wahrscheinlich hätten Computer nicht die wunderschönen Schriftarten gehabt, die sie jetzt haben. Natürlich war es mir unmöglich, diese Punkte miteinander zu verbinden, während ich noch auf der Universität war und in die Zukunft blickte. Aber die Verbindung war sehr sehr klar, als ich zehn Jahre später zurückblickte.

Also kann man Punkte nicht miteinander verbinden, wenn man in die Zukunft blickt. Das geht nur im Rückblick. Sie müssen auf irgendetwas vertrauen – auf Ihren Bauch, Ihr Schicksal, das Leben, Karma – oder was auch immer. Dieser Ansatz hat mich nie enttäuscht, und er war der bestimmende Faktor in meinem Leben.

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1 Kommentar zu Steve Jobs: „Der Tod ist wahrscheinlich die beste Erfindung des Lebens“

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  • Am 8. Juli 2013 um 21:58 von Dischmann,Rosita

    danke!es ist,wie es ist.

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