Oracle verschleudert seine Collaboration Suite

Lizenzgebühren liegen bei 15 Euro im Jahr pro Arbeitsplatz; Deutschland-Chef Schwirz: "Angebot ist ein Quickwin für jeden CIO"

Oracle (Börse Frankfurt: ORC) hat dieser Tage weltweit seine Collaboration Suite (CS) gelauncht. Sie fungiert als Inbox für alle Nachrichtenkanäle im Unternehmen – E-Mail, Voicemail, Faxnachrichten und Kalendereinträge – und ist zudem von überall aus zugänglich: über Outlook, Webbrowser, Telefon und PDA. „Jeder denkbare Kanal in jedem Gerät kann genutzt werden, es gibt keine Einschränkungen“, so der Vorsitzende der Geschäftsführung von Oracle in Deutschland, Rolf Schwirz. Die Konsolidierung erfolgt auf Basis der Oracle 9i-Datenbank.

Schwirz begann und endete die Vorstellung des Produktes mit dem Totschlagargument aller Business-Manager: den Kosten. „Die Collaboration Suite ist ein ‚Quickwin‘ für jeden CIO. Heutzutage muss der Cheftechniker schnelle und eindeutige Vorteile für ein neues Produkt vorweisen können.“ Tatsächlich handelt es sich bei Gebühren pro Anwender von 15 Euro im Jahr beziehungsweise 60 Euro unbegrenzt („perpetual“) um einen Schleuderpreis, wie man ihn sonst nur von aktuellen Angeboten der Autohändler kennt. Fehlt nur noch, dass der Datenbankspezialist ein Jahr Gratisbenzin hinzupackt.

Damit aber nicht genug: „Wir versprechen immense Kosteneinsparungen durch den Einsatz der Collaboration Suite im Unternehmen“, eröffnete Schwirz vor mehreren Hundert potentiellen Firmenkunden in München. Im Interview erklärte er später gegenüber ZDNet, er sehe Einsparungspotentiale von „bis zu 80 Prozent“. Diese Zahl mag hoch gegriffen sein, aber wenn Angaben von diversen Consultern stimmen, wonach pro Jahr und Arbeitsplatz beinahe 800 Dollar alleine für die Bereitstellung von E-Mail am Arbeitsplatz zutreffend sind, und die CS diesen Wert auch nur um wenige Prozent senken würde, wären zumindest die Lizenzgebühren schon wieder amortisiert.

Bitter ist für die bekennenden Microsoft-Hasser von Sun allerdings die Tatsache, dass man Applikationen des Erzfeindes stets mit in die Entwicklung eigener Produkte einbeziehen muss. Auch Schwirzs Mitarbeiter Garving Dupre und Jürgen Wingen mussten während der Präsentation der CS eingestehen, vorzugsweise mit Outlook zu arbeiten. „Wir müssen akzeptieren, dass das Wissen eines Unternehmens zumeist in Form von Powerpoint- oder Excel-Dateien abgelegt ist. Dieses Wissen muss zugänglich gemacht werden, was die Collaboration Suite auch uneingeschränkt tut.“ Im Sommer vergangenen Jahres, als Pläne für die Suite erstmals mitgeteilt wurden, erklärte Oracle-Chef Larry Ellison: „Ich glaube, dass Lotus in den letzten Zügen liegt. Unser Hauptaugenmerk liegt wirklich auf Microsoft.“ Nach damaligen Angaben Ellisons stammen die versprochenen Komponenten der CS aus dem Bestand der damals erfolgten Übernahme von Steltor. Trotz der Konzentration auf den Erzrivalen sei CS natürlich plattformunabhängig, so Schwirz heute in München, und das nicht nur im Software-Bereich. „Ich versichere Ihnen, dass wir jedes neue Gerät binnen vier bis fünf Stunden in die Suite eingebunden haben.“

Der deutsche Geschäftsführer zitiert sogar den Lieblingsfeind Bill Gates, als es darum geht, die Funktionsweise der CS zu erläutern. Gates habe sich erst kürzlich gewünscht, dass seine Files nicht auf verschiedenen Systemen abgespeichert würden – E-Mails hier, Voicemails dort, und Kalendereinträge wieder ganz woanders. „Früher hatten wir für verschiedene Applikationen verschiedene Systeme am Start“, kommentierte Schwirz. „Mit der Collaboration Suite haben wir ein einziges System für verschiedene Applikationen vorliegen.“ An jedem der verschiedenen Systeme seien früher einige Hundert Nutzer angebunden gewesen, im Falle der CS habe man es mit „einigen 10.000 Anwendern“ zu tun. Diese Argumentationskette ist natürlich alles andere als neu – die Kollegen von Sun (Börse Frankfurt: SSY) etwa sind mit Sun One zu genau den selben Ufern aufgebrochen. Allerdings ist die vehemente Betonung des Kostenvorteils eine neue Trumpfkarte, und Oracle spielt sie gnadenlos aus.

Natürlich zeigten sich auch Schatten: Bei der Präsentation eines in die CS integrierten Voice-Portals zeigte sich dessen Komplexität, um nicht zu sagen Kompliziertheit: Anwender ohne Zugriff auf ihren Mail-Account können sich nach Eingabe diverser Telefonnummern, Passwörtern, PINs und TANs die neusten Mails am Telefon vorlesen lassen. „Das geht auch im Auto per Stimmeingabe. Ich nutze das jeden Tag und versichere Ihnen, das ist eine großartige Sache“, beteuerte Schwirz. Aus Usability-Sicht bleibt das Voice-Portal jedoch eine Spielerei für technophobe Zeitgenossen, die zudem mehrere Minuten alleine für die Kontaktaufnahme aufwenden müssen.

Davon unbeirrt pries Schwirz jedoch die übrigen und für Unternehmenssoftware eigentlich selbstverständlichen Vorzüge. Dazu zähle etwa die Ausfallsicherheit oder der Viren- und Hackerschutz, der natürlich „unbreakable“ sei. CS reagiere zudem unvergleichlich schnell, da „nur mehr eine Datenbank durchsucht“ werden müsse.

Die CS könnte für Oracle zum doppelten Erfolg werden: Einerseits dürften sich für das Tiefpreisangebot tatsächlich eine ganze Reihe von CIOs erwärmen, die spätestens dann mit der Oracle-Datenbanksoftware „angefixt“ wurden. Denn prinzipiell könnten über CS noch weit größere Datenbank-Abfragen laufen, als der in den Vordergrund gerückte Konsolidierungs-Service. Dann würden allerdings deutlich höhere Lizenzgebühren fällig. Schwirz betonte, man werde den Kunden beim Einsatz der CS nicht auf die Finger gucken: „Wir haben Vertrauen zu unseren Kunden, und wenn einer mehr macht, als ihm vertraglich zusteht, wird er uns das früher oder später mitteilen.“ Irgendwann braucht offenbar jeder Datenbank-Anwender den Support.

Auf der anderen Seite scheint Larry Ellison seine Vision vom Netzcomputer doch noch durchsetzen zu können: Die Ende der 90er populäre Strategie, Arbeitsplätze in Unternehmen ganz ohne Festplatte, also mit einem „Thin Client“ auszustatten, wird von der CS wieder aufgegriffen. Alle von der CS aufgerufenen Nachrichtenkanäle lagern auf einem Server, in einer Datenbank. Ein Speichermedium auf dem Anwenderrechner – und damit Freiheit und Privatsphäre für den Nutzer – sind dafür nicht mehr nötig. Dabei passt ins Bild, dass sich Thin Clients laut Analysteneinschätzung tatsächlich stark vermehren: Einer IDC-Studie vom Januar zufolge wurde im Jahr 2001 mit 1,09 Millionen verkauften Geräten erstmals die Millionenmarke überschritten. Im vergangenen Jahr sollen laut den Analysten 1,4 Millionen dieser Geräte abgesetzt worden sein. IDC rechne mit einer jährlichen Wachstumsrate von 30 Prozent Pro Jahr bis 2006.

Kontakt: Oracle, Tel.: 0180/2672253 (günstigsten Tarif anzeigen)

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