Ransom Love: „Ich bin kein Parasit, ich bin ein Linux-Geek“

Der Caldera-Chef über Bill Gates, Richard Stallman, Red Hat, Parasiten und Symbionten / Erwiderung auf die Vorwürfe der Open Source-Gemeinde

„Ich bin kein gieriger Kapitalist. Ich bin nur ein Geschäftsmann. Ich tue einfach meinen Job. Ich weiß nicht, ob man das parasitär nennen kann. Ich bin kein Parasit“, erklärte der Caldera-Chef Ransom Love in München. Der Boss der Linux-E-Business-Firma verteidigte sich gegen Vorwürfe von Richard Stallman. Der Vorsitzende der Free Software Foundation hatte in den vergangenen Tagen nicht nur Microsoft (Börse Frankfurt: MSF), sondern auch Love und seine Firma heftig attackiert: „Caldera ist kein Unternehmen im Sinne der Open Source-Bewegung. Sie sind nur Parasiten. Wer in aller Welt ist Ransom Love, dass er glaubt verstehen zu können, was gut für unsere Gemeinschaft ist?“

Love erwiderte dazu bei einer Konferenz im Münchner Seehaus: „Die Sichtweise von Richard Stallman ist sehr… eng. Ich zitiere mal Linus (Torvalds /d. Red.) aus seinem neuen Buch: ‚Richard hat die GNU-Lizenz entwickelt, nachdem er aus seiner alten Firma geworfen wurde. Er hat das getan, damit seine Arbeit weiter von ihm genutzt werden konnte.‘ Das muss man sich bei Betrachtung der GNU (Gnus not Unix) General Public Licence (GPL) immer vor Augen halten.“

Erneut verteidigte sich Love: „Man kann unser Geschäftsmodell nicht als parasitär bezeichnen. Schließlich fügen wir Linux etwas hinzu, so dass es erst erfolgreich werden kann. Wir integrieren Linux in das Back Office. Und wir machen das ganze Marketing außen rum. Hat Richard Stallman jemals 70 Millionen Dollar in Linux investiert? Wir schon. Ich bin seit meiner Zeit bei Novell 1994 in die Linux-Bewegung involviert. Mit ‚Lizard‘ haben wir einen ersten Installationsservice für Linux entwickelt.“ LUI (Lizard Unattanded Install) oder auch einfach „Lizard“, kurz für „Linux Wizard“, ist ein automatischer Installationsservice und kann direkt von Windows aus eingerichtet werden. Caldera führte das Tool 1999 ein (ZDNet berichtete).

„Ich kenne diese Burschen also gut. Ich weiß, dass die Open Source-Bewegung das Marketing unterschätzt. Sie sagen ‚hier, kannst du umsonst haben‘ und verstehen nicht, dass man ein Produkt anpreisen muss. Aber wir stehen seit Anfang an an vorderster Front und arbeiten ständig für den Erfolg dieser Bewegung. Am Anfang haben wir das noch gemeinsam mit Red Hat (Börse Frankfurt: RHI) getan, ich erinnere mich noch gut an die enge Zusammenarbeit mit Bob Young (Red Hat-Chef / d. Red.). Wir haben RPM entwickelt, sie haben die Lorbeeren dafür geerntet und gelten heute als Leuchtfeuer des reinen Linux-tums. Was ich damit sagen will: Wenn wir Parasiten sind, dann sind wir symbiotische Parasiten. Eigentlich würde ich uns aber überhaupt nicht als Parasiten bezeichnen. Ich würde uns vielmehr ‚außerordentlich symbiotisch‘ nennen.“

Überhaupt Red Hat, der ehemalige Verbündete und heutige Wettbewerber, scheint Love schwer zu beschäftigen. „Die Leute ziehen gerne Red Hat als Paradebeispiel einer erfolgreichen Open Source-Firma heran.“ Red Hat hat tags zuvor erstmals schwarze Zahlen ausgewiesen. Der Reingewinn des Linux-Distributors für das erste Quartal betrug nach eigenen Angaben 600.000 Dollar. Der Umsatz wurde mit 25,6 Million Dollar ausgewiesen. „Aber bevor sie so erfolgreich wurden, haben sie proprietäre Software entwickelt. Proprietäre! Damals waren sie der Ansicht, Open Source-Software sei nicht gut genug“, berichtete Love.

Das Thema lässt Love nicht ruhen, die Kränkung durch die Aussagen von Stallman scheint tief zu sitzen: „Wir haben der Linux-Bewegung mehr gegeben als Stallman mit seinen Bibliotheken“, setzte er nach. „Unsere Arbeit hilft der Bewegung mehr als ein paar Zeilen Code.“ Schließlich erklärte er: „Ich bin ein Linux-Geek“.

„Was regen sich die Leute eigentlich so auf? Weil sie alles umsonst wollen. Die Wahrheit ist aber: Nichts ist umsonst. Jemand muss dafür bezahlen. Die Portierung. Der Service. Die kleinen Veränderungen am Code… das alles kostet Geld. Um es auf den Punkt zu bringen: Der einzige Weg, um Linux zu vermarkten, ist Geld dafür zu verlangen. Das ist sozusagen die andere Seite der Business-Medaille. Also können Sie davon ausgehen, dass künftig alle Linux-Anwendungen mit einem Preisschild versehen sein werden. Das ist der Job der Marketing-Abteilung der Bewegung. Wir können nicht anders, wir müssen Geld dafür verlangen. Aber immer noch deutlich weniger als für vergleichbare Windows NT-Produkte. Denn eins ist klar: Wir konkurrieren in erster Linie gegen Microsoft.“

Apropos Microsoft: In einem Exklusiv-Interview hatte der Technikchef Bill Gates diese Woche erklärt, GPL verhindere die Weiterentwicklung von Softwareprojekten. Mit GPL wäre weder TCP/IP, noch E-Mail oder Browser möglich gewesen. Schließlich sprach der Microsoft-Mastermind von einem „Pacman-artigen Charakter der GPL-Lizenz“. Dazu erklärte der Caldera-Chef: „GPL ist eine großartige Sache, aber auch Bill Gates hat recht, wenn er von einem Pacman-Effekt spricht.“ Der Microsoft-Gründer hatte gesagt: „Free Software hat seine ganz eigene Geschichte, die oftmals in universitäre Gefilde zurückführt. Im Prinzip sind es also Steuergelder, die diese Arbeit finanzieren. Und darauf setzen dann kommerzielle Projekte auf. TCP/IP etwa kommt aus dem universitären Umfeld. Heutzutage stammt 90 Prozent aller Software von kommerziellen Entwicklern. Diese produzierenden Firmen zahlen Steuern und offerieren Arbeitsplätze. Der Staat kann daher wieder Geld in die Entwicklung stecken, gerade in Universitäten.“

Love versucht es offenbar beiden Seiten Recht zu machen und sieht sich selbst dabei in einer unglücklichen Position: „Es ist uns ernst damit, Linux als Business-Plattform zu verkaufen. Aus technischer Sicht ist das eine echte Herausforderung. Ich habe großen Respekt vor all den Linux-Firmen und ihrer Arbeit. Das sind auch keine Parasiten. Die stecken Millionen in die Entwicklung, genau wie wir. Unser Job ist zu weiten Teilen der des Marketings. Und Sie wissen, die Marketing-Leute sind immer die Bösen. Wir bekommen nie Anerkennung für unsere Arbeit. Würden wir das nicht tun, könnte keine der Linux-Firmen am Markt überleben. Wir bezahlen 650 Leute dafür, dass sie an Linux arbeiten, so wie Suse seine 600 oder Red Hat seine 600 Mitarbeiter entlöhnt. Das würde ich einen großen Beitrag zur Open Source-Bewegung nennen.“ Zudem: „Wenn Sie GNU brauchen, laden Sie sich’s einfach runter. Benötigen Sie aber zertifizierte Software, müssen Sie dafür zahlen. Wir nehmen niemandem etwas weg, wir nutzen aber allen.“

„Das tolle an Linux ist ja sein Kernel. Ein Kernel treibt eine ganze Branche an. Microsoft hat dagegen…lassen Sie mich überlegen…drei, vier? Ein Kernel macht uns die Sache einfach und lässt Raum für weitere Entwicklungen. Wie Linus sagte: Hört auf, an den Kernel zu denken, die Applikationen sind jetzt das wichtigste.“ Aber noch etwas scheint Love wichtig zu sein: „Viele vermissen ja den Pinguin. Keine Angst, auch bei uns finden Sie ihn noch auf den Seiten. Ich glaube, zeitweise hat sich der Pinguin besser verkauft als das Betriebssystem.“

ZDNet hat einen Linux-Channel für Profis und Neueinsteiger eröffnet. Darin versammelt sind alle aktuellen Tests, News und ausführliche Artikel rund um die Open-Source-Bewegung.

Kontakt:
Caldera, Tel.: 09131/7192300 (günstigsten Tarif anzeigen)

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