Wie das W3C das Web der Zukunft mitgestalten will

ZDNet: Ist das W3C zu schwerfällig?

Jaffe: Es ist sehr leicht, sich etwas vorzunehmen. Man muss einfach den Entschluss dazu fassen. Ganz egal, wie viele Parteien daran beteiligt sind – man erreicht mehr, wenn man sich Ziele gesteckt hat. Wir, die Führungsmannschaft des W3C, die aus 10 bis 15 Menschen besteht, darunter Tim Berners-Lee, kamen im Herbst vergangenen Jahres zusammen und fragten uns: Was müssen wir im kommenden Jahr tun, um voranzukommen. Was dabei herauskam, haben wir dann aufgeschrieben.

Wahrscheinlich werden wir nicht alles erreichen. Einige Ziele werden sich auch ändern. Aber wir haben eine wohlüberlegte, strategische Planung für das W3C als Organisation und für das Web als unerlässliche Infrastruktur ausgearbeitet. Man muss so einen strategischen einfach Plan haben, damit es vorangeht.

ZDNet: Ist es aber durch die größere Zahl der beteiligten Firmen nicht schwieriger, Ergebnisse zu erzielen?

Jaffe: Ich würde die Frage anders formulieren: Ist es heute schwerer strategisch zu planen als im vergangenen Jahr oder vor fünf Jahren? So wie ich das sehe gab es vor fünf Jahren keine strategische Planung. Wir als W3C müssen eher festlegen, was zu tun ist, als uns ans technischen Einzelheiten die Zähne auszubeißen.

ZDNet: Wie sieht das Verhältnis zwischen nativen und Web Apps in den kommenden fünf Jahren aus?

Jaffe: Native Apps hat es schon immer gegeben und das Web ist nun auch schon 20 Jahre da. Das Web hat sich als Weg etabliert, über den sich alles vernetzt. Es ist die Grundlage für Kommunikation, Konnektivität, Handel, Informationsverbreitung und Unterhaltung. Gerade mit Informationsverbreitung und Handel ist das Web inzwischen untrennbar verbunden. Und seine Rolle für die Unterhaltung wird erheblich zunehmen.

ZDNet: Wird es in Anbetracht all dessen künftig noch wichtige native Apps geben?

Jaffe: Auf jeden Fall. Denn ich sehe das nicht als Gegensatz. Meiner Ansicht nach muss man nur das richtige Gleichgewicht finden.

ZDNet: Unter den Entwicklern gibt es aber schon Konkurrenz. Es ist schließlich kein Nullsummenspiel: Firmen haben endliche Ressourcen und dadurch müssen sich manchmal für das eine oder das andere entscheiden.

Jaffe: Die Web-Plattform zieht Entwickler in bisher nie dagewesener Weise an. Auch das Interesse an HTML5 sprengt jeden Rahmen. Und auch wenn man über die wichtigen mobile Plattformen spricht, dann ist die Begeisterung daran oft darauf zurückzuführen, dass sie auf HTML5 basieren. Das kann Ihnen jeder Anbieter bestätigen. Natürlich machen wir die Web-Plattform stabiler. Diesbezüglich ist das W3C ein echter Vorreiter.

Manchmal wird angenommen, dass ständige Innovation mit sich bringt, dass man das Testen und die Interoperabilitätsprüfungen vergisst. Aber die Branche hat deutlich gefordert, dass wir eine Momentaufnahme machen, ausreichend Testszenarien entwickeln und sicherstellen, das alles funktioniert. Nach HTML5 wird es 5.1, 5.2 und irgendwann 6.0 geben. Es muss einfach eine stabile Plattform sein. Es kann nicht so laufen, dass man jeden Morgen aufsteht und ein hübsches bisschen Code schreibt nur weil einem das gerade so eingefallen ist.

ZDNet: Was können Sie besser als native Apps?

Jaffe: Mit Web Apps versuchen wir nicht mit einem anderen Weltbild zu konkurrieren. Man muss probieren, wo was bessser passt. Mit Web Applications verbessern Firmen Software mit Hardwareunterstützung. Sie profitieren dabei von den Fortschritten bei der Hardwareentwicklung. Möchte man etwas in Silikon gießen, um optimale Leistung zu erreichen, lohnt sich dder Aufwand nicht, wenn es ständig Änderungen gibt. Man braucht dafür Spezifikationen. In der Software-Welt hat man sich an kontinuierliche Updates gewöhnt, mittels deren man Verbesserungen umsetzt. Für diese Anbieter ist das auch eine vernünftige Vorgehensweise. Macht man aber einen Chip, einfach um einen Chip zu haben, dann braucht man stabile Spezifikationen.

ZDNet: Wie wird das Verhältnis zwischen WHATWG und dem W3C in der Zukunft ausssehen?

Jaffe: Schaut man sich an, warum die WHATWG überhaupt gegründet wurde, stellt man fest, dass es Aspekte gab, die von der Arbeit beim W3C nicht abgedeckt wurden. Um die hat sich die WHATWG dann gekümmert. Ich plane künftig diese Aspekte innerhalb des W3C zu behandeln. Und hoffentlich sprechen wir damit möglichst viele an, die mitwirken wollen. Das beste Beispiel dafür, wie das künftig geregelt werden kann, ist das Konzept der Community Groups. Wir haben festgestellt, dass es schwierig ist, im Rahmen des W3C etwas Neues anzufangen: Die Hürden sind zu hoch.

Mit den Community Groups haben wir das Problem gelöst. Jeder kann eine Community Group ins Leben rufen. Die Technologie muss noch nicht ausgereift sein, Leute können für ihre Idee Unterstützer sammeln und einfach mal loslegen. Dafür gibt es Möglichkeiten, die W3-Mitglieder zu informieren. Wenn das Thema dann soweit ist, dass es in eine reguläre Working Group eingebracht und die Standardisierung auf den Weg gebracht werden kann, lässt sich das viel reibungsloser erledigen. Ich denke, das macht uns so offener, wie wir auch offener werden wollen.

ZDNet: Gibt es bereits solche Community Groups?

Jaffe: Noch laufen keine. Vor einigen Jahren haben wir mit den sogenannten Incubator Groups etwas ähnliches angefangen. Davon gibt es inzwischen einige. Wir denken aber, dass es zwar ein guter erster aber eben nicht ausreichend großer Schritt war. Das lag vor allem daran, dass sie eher von der Mitgliedschaft im W3C als von der Community abhängig waren.

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