Vorwand Kinderpornografie: EU-weites Zensurgesetz droht

Dass Malmström eine Richtlinie entwirft, die die europaweite Errichtung einer Zensurinfrastruktur vorschreibt, muss eigentlich verwundern, denn sie gehört einer liberalen Partei an, die wie die deutsche FDP auf europäischer Ebene in der EDLR organisiert ist. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sei die Kommissarin bisher als Gegnerin von Internetzensur bekannt gewesen. Das sagte Joe McNamee von der europäischen Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRI). Die EDRI besteht aus 27 Mitgliedsvereinigungen in Europa, darunter dem Chaos Computer Club (CCC) und dem Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBud).

Nach der Auffassung der Süddeutschen Zeitung sei Malmström durch die spanische Ratspräsidentschaft zu der verpflichtenden Zensur gedrängt worden. In Spanien erteilen nämlich die Gerichte der Regierung bei ihren Bemühungen im Kampf gegen illegales Filesharing regelmäßig Dämpfer. So urteilte erst vor einer Woche ein Zivilgericht in Barcelona, dass das Setzen von Links auf Inhalte in P2P-Netzwerken nicht illegal sei.

Die spanische Regierung versuche daher auf EU-Ebene strenge gesetzliche Regelungen durchzusetzen und schere „dabei augenscheinlich Filesharing und Kinderpornographie über einen Kamm“. Malmström wolle mit den Netzsperren gegen Kinderpornografie weitergehende Regelungen verhindern. Die spanische EU-Ratspräsidentschaft hat bereits einen Fragebogen (PDF) verschickt, in dem die Mitgliedsländer auch dazu Stellung nehmen sollen, wie sie gegen Urheberrechtsverletzungen, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus vorgehen wollen.

Auch wenn Fremdenfeindlichkeit und Rassismus genau wie Kinderpornografie keine tolerierbaren Delikte darstellen, darf man dagegen nicht mit Internetsperren vorgehen. Von dort aus ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Sperre von unliebsamen Inhalten. Praktiziert wird dies beispielsweise in Italien. Dort sind bereits Glückspielseiten auf der Sperrliste, weil sie den staatlichen Lotterien Einnahmeverluste bescheren. Dieselbe Forderung wurde auch von der hessischen Landesregierung gestellt.

Sollte „Censilia“ wirklich die Absicht haben, schlimmere Zensurmaßnahmen zu verhindern und mit der Sperre von kinderpornografischen Inhalten weiteren Forderungen Einhalt zu gebieten, dann ist sie schlecht beraten. Ist die Zensurinfrastruktur einmal aufgebaut, kommen die Begehrlichkeiten nach weitergehender Zensur ganz von selbst.

Nach der Ankündigung des deutschen Internetzensurgesetzes meldeten sich zahlreiche Politiker zu Wort, die zusätzliche Sperren forderten. In Dänemark klagt derzeit die Privatwirtschaft, um weitere Websites auf die Sperrlisten zu setzen.

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Neueste Kommentare 

8 Kommentare zu Vorwand Kinderpornografie: EU-weites Zensurgesetz droht

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  • Am 1. April 2010 um 1:45 von teek

    Unionsparteien
    Da sieht man es wieder Unionsparteien sind der Kirche gar nicht so unähnlich. Beider sind dafür, das Kindesmissbrauch hinter verschlossenen Türen statt finden soll. Nicht in der Öffentlichkeit.

  • Am 1. April 2010 um 11:52 von DROSD

    Zensurgesetz zur Internetpornografie
    Bei diesem Gesetz sollte man nicht von Drohung sondern von einer Pflicht sprechen.

    • Am 1. April 2010 um 12:06 von Matthias

      AW: Zensurgesetz zur Internetpornografie
      Drohung – ganz klar.

      Man brauchte nur einen Aufhänger, irgendwas, was der technisch imkompetente Mensch schluckt, wobei das Volk aufschreit „Ja, macht das“, damit man „andere Pläne“ durchsetzen kann.

      Dass Sperren oder ähnliche Dinge für die wahren Kriminellen (z.B. Pornoring) total unwirksam sind, wurde inzwischen nachgewiesen.

      Darum geht es den Initiatoren aber überhaupt nicht!

      Hier geht es darum, wie man eine Zensur und Kontrolle wie in China auch im europäischen Raum mit den vielzähligen Freiheitsrechten und Gesetzen einführen und halten kann.

      Diese neuen Mechamismen der Zensur und Überwachung kann und wird missbraucht werden!

      Man möchte die Leute bei ihrer „Angst“ packen, um Ziele durchsetzten, wo der gesunde Menschenverstand des Volkes sonst blockieren würde.
      Dabei ist es egal, ob es die Angst ist, dass das eigene Kind missbraucht werden könnte oder ob es die Angst vor Terrorismus ist.

      So wird ja auch die Brauchbarkeit von Köperscannern (Nacktscannern) an Flughäfen stark in Zweifel gestellt.
      Dort geht es auch eher um das Gefühl der Sicherheit.
      Eigentlich eine gefährliche Sache, sich sicherer zu fühlen, ohne sicherer zu sein…

  • Am 1. April 2010 um 18:06 von Johannes Döh

    Des Schwachsinns fette Beute
    Das gleichnamige Weblog stellt die Diskussion der deutschen Internetzensurdebatte quasi lückenlos dar. Die Befürworter von Sperrinfrastrukturen für das Internet sind entweder totalitäre Regime, Lobbygruppen oder christ- „demokratische“ Politiker. Voller Polemik und nicht zu schade, das Wahlvolk zu belügen und zu betrügen, um ihren Einfluss durchzusetzen und die Macht nachhaltig binden zu können, argumentieren sie wissentlich am Kernthema vorbei. Wie brutal und menschenverachtend ist dieses Vorgehen, misshandelte Kinder als Vorwand zu benutzen, um eigene, völlig andere Interessen durchzusetzen? Wäre das Wahlvolk weniger desinformiert, dürften die Parteien, die sich in der Namensgebung um eine „christliche“ Vokabel bemüht haben, niemals mehr den Weg in ein Parlament finden.

  • Am 2. April 2010 um 21:04 von Nick Sinn

    wie zu Zeiten der Alkoholprohibition
    Das gleiche unsinnige wäre den Alkohol (Wein, Bier etc) wegen Alcopops und Komasaufen bei Jugentlichen abzuschaffen.
    Alkoholprohibition aus Großväterzeiten in USA läßt grüßen.

    Viel Spaß weiterhin mit diesen

  • Am 7. April 2010 um 11:31 von Tyler Durden

    Was offline verboten sei, müsse auch online untersagt werden.
    Was Bosbach sagt darf doch wohl nicht wahr sein. Was Offline verboten ist, ist schon immer auch Online verboten. Das ist mal wieder klassische Polemik.

    Nur weil etwas Offline verboten ist, kommt es aber doch dennoch vor. Dagegen geht dann die Strafverfolgung vor.

    Genau dieses Vorgehen, wird doch auch Online gefordert: Löschen nach Bekanntwerden und nicht sperren.

    Das BKA läuft ja auch nicht durch die Gegend und stülpt einem Autodieb einen Vorhang über!

    Wie ich diese Polemik in der deutschen Politik verabscheue! Die ständigen Versuche der Konservativen, dem Bürger glaubend zu machen, das Internet sei in seiner jetzigen Form rechtsfrei. Das ist dermaßen erlogen, dass man eigentlich Konsequenzen fordern müsste.

  • Am 5. März 2011 um 15:20 von Jann

    Trauerspiel.
    Wenn man ein ungeliebtes Gesetzt auf nationaler ebene nicht durchgedrückt bekommt reicht man es hoch auf EU ebene.

    Die sollten erstmal vorlegen was sie alles gegen die Ursachen von Kindermissbrauch getan haben.

  • Am 9. Juni 2011 um 8:41 von Anonymer

    Ganz toll…
    Erst sind es die Kinderpornos, dann die Raubkopierer, dann Seiten „kritischer“ politischer Aktivisten, dann die Meinungsfreiheit… Und wir lassen es uns gefallen.

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