IBM drängt Sun zur Freigabe von Java

Bob Sutor, Direktor für E-Business Standards Strategy bei IBM, ist einer der wenigen Menschen bei Big Blue, die Einfluss auf die Unternehmenspolitik haben. Eine Technologie, die er gerne als Open Source sehen würde, ist Java von Sun.

Java kann für unterschiedliche Menschen viele verschiedene Dinge bedeuten. Kurz gesagt, ist Java eine Reihe aus mehr als 190 Spezifikationen, die Java Specification Requests (JSRs) genannt werden. Diese decken die Implementierung von Java in allen Bereichen ab, von auf Virtual Machines basierten Anwendungsservern für Unternehmen (J2EE), über die Desktop Virtual Machine (J2SE), bis hin zu den häufig eingesetzten CGI-ähnlichen Routinen (Servlets), die verwendet werden, um diese virtuellen Maschinen mit externen Anwendungen, wie z.B. einem Webserver, zu verbinden. Das Schicksal dieser JSRs liegt in den Händen der Arbeitsgruppen, die den Java Community Process (JCP) bilden, eine aus Hunderten von Herstellern bestehende Organisation. Obwohl er von Sun angeführt wird, folgt der JCP größtenteils einem demokratischen Prozess, und die an den jeweiligen JSRs beteiligten Hersteller (die Liste der Hersteller variiert je nach JSR) verfügen über viel Freiheit, diese JSRs in eine ihnen geeignet erscheinende Richtung zu bringen. So überlässt Sun beispielsweise die meisten Entwicklungsentscheidungen für die zahlreichen Mobile Java-Spezifikationen Firmen wie Nokia, Ericsson und Motorola, die am besten beurteilen können, wie Java in einem Mobiltelefon aussehen sollte.

Aber trotz des demokratischen Anscheins des JCP behält sich Sun, das die Patente an Java besitzt, noch immer ein Vetorecht vor. Suns Anteil am intellektuellen Eigentum der Technologie ermöglicht es dem Unternehmen außerdem, an Java und an diejenigen, die Java nutzen wollen, weitere Anforderungen zu stellen. Dies sind vor allem die Lizenzgebühren, die Sun von Herstellern erhält, die ihre Produkte mit der Marke Java ausstatten (z.B.: WebSphere von IBM oder WebLogic von BEA). Die tatsächliche Höhe der Gebühren, die Sun diesen Herstellern berechnet, gehört zu den am besten gehüteten Geheimnissen der Branche. Sun will nicht offen legen, was es von seinen Lizenznehmern verlangt, und die Lizenznehmer selbst reden niemals über dieses Thema.

Es ist allerdings zu vermuten, dass sie nicht alle den gleichen Preis zahlen. Mit dem Lizenzierungsplan vertraute Quellen behaupten, dass Firmen, die an den mobilen JSRs beteiligt sind, mehr zahlen als die Hersteller der anderen JSRs, was vielleicht auf die weite Verbreitung von Geräten wie Mobiltelefonen zurückzuführen ist. Es gibt Gerüchte, denen zufolge Oracle Sonderkonditionen erhalten haben soll, weil das Unternehmen aus einer von IBM geführte Organisation (openserver.org) ausgestiegen war, die Sun als Bedrohung für die Marke Java angesehen hatte. (Oracles Rückzug aus diesem Geschäft beschleunigte den Zusammenbruch dieser Gruppe.)

Kompatibilitätsanforderungen
Eine weitere Anforderung, die Sun mit Java verknüpft hat, ist die Kompatibilität. Um von den Vorteilen der Marke Java profitieren zu können – einer Marke, deren Portabilität auf der Prämisse „einmal geschrieben, auf jedem System auszuführen“ basiert – beinhalten die JSRs Kompatibilitätstests, welche die vielfältigen Implementierungen (z.B. WebSphere von IBM) der Hersteller bestehen müssen, bevor sie sich als nachweislich Java-kompatibel bezeichnen dürfen. Zusätzlich zu den von den Lizenznehmern zu zahlenden Gebühren verdient Sun auch mit den Kompatibilitätstests Geld. In meinem Interview mit Suns Chief Engineer Rob Gingell scherzte Gingell darüber, dass man schon einen Spitzenwissenschaftler benötige, um diese Tests durchzuführen. Momentan arbeiten die meisten dieser Spitzenwissenschaftler für Sun. Es ist klar, warum.

Als Sutor mir also zu Beginn dieses Jahres erzählte, dass IBM es gerne sehen würde, wenn Java Allgemeingut würde, schienen die Gründe dafür auf der Hand zu liegen. Jeder bestehende, zukünftige oder eventuelle Lizenznehmer von Java würde Java gern als Allgemeingut sehen, schon allein um Suns Lizenz- und Testgebühren zu umgehen. Doch was auch immer IBM für diese Gebühren bezahlt, für den Technologie-Riesen dürfte diese Ausgabe ziemlich unerheblich sein. Ein anderer Grund könnte Suns Vetorecht sein. Möglicherweise ist IBM einmal an dem so genannten demokratischen Prozess von JCP gescheitert. Vielleicht verlangte Big Blue spezifische Veränderungen an bestimmten Java-Spezifikationen (wie J2EE) und musste erleben, dass diese von Suns Veto zunichte gemacht wurden. Oder vielleicht ist es die Aussicht auf ein zukünftiges Veto, die IBM Sorgen macht. Da Suns Zukunft zum großen Teil von Java abhängt, könnte das Unternehmen von seinem Vetorecht Gebrauch machen, nur um IBM eins auszuwischen.

Falls jedoch einer dieser absolut verständlichen Gründe, weshalb IBM Java als Allgemeingut sehen will, tatsächlich zutreffen sollte, so wollte Sutor dies nicht zugeben. Sutor sagte: „IBM steht ohne Einschränkungen zu Java. Wir glauben, dass wir mehr als jeder andere auf diesem Planeten getan haben, um Javas Zuverlässigkeit und Performance zu verbessern und um es für den Einsatz in Unternehmen fit zu machen. Auf dem Weg in die Zukunft wollen wir konstruktiv vorgehen. Wir wollen keinen Streit [mit Sun] über dieses Thema. Wir sind einfach nur der Meinung, dass die Vorgehensweise der Standardisierung von Java verbessert werden kann. Deshalb werden wir uns hierbei an die Vorgaben von Sun halten.“

Themenseiten: IT-Business, Strategien

Fanden Sie diesen Artikel nützlich?
Content Loading ...
Whitepaper

Artikel empfehlen:

Neueste Kommentare 

Noch keine Kommentare zu IBM drängt Sun zur Freigabe von Java

Kommentar hinzufügen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *