KI im Projektmanagement

Informationen aus dem Lastenheft mittels Künstlicher Intelligenz (KI) extrahieren hilft dabei, Wissen schneller zu bündeln und passgenaue Projektteams zusammenzustellen, erklärt Michael Mohr, Data Scientist Advanced Development bei der EDAG Group, in einem Gastbeitrag.

Das Lastenheft ist oft der Ausgangspunkt für das Projektmanagement. Neben den benötigten Anforderungen enthält es auch die Aufgabenstellung und die Zielsetzung. Auf Basis dieser Informationen lassen sich zielgenaue Projektteams zusammenstellen. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich diese Informationen automatisch aus dem Lastenheft extrahieren und  Anfragen schneller bearbeiten.

Passgenau ineinandergreifende Produktionsprozesse ermöglichen einen schnelleren Abschluss – und sind damit das Ziel bei der Projektoptimierung. Laufzeiten und Time-to-Market sind in der Industrie relevante Größen: Je länger ein Projekt läuft, umso höher der Personalaufwand und die Kosten.

Doch ein Projekt startet nicht erst mit Entwicklungs- und Fertigungsprozessen, sondern schon mit der Projektanfrage. Sobald das Lastenheft eingereicht wird, geht es darum, ein Projektteam zu etablieren, das für die geforderten Aufgaben optimal geeignet ist. Und genau an dieser Stelle gibt es viel bisher nicht genutztes Optimierungspotenzial.

Für den erfolgreichen Projektabschluss gilt es im Vorfeld Antworten auf die folgenden Fragen zu finden: Welche Abteilung und welcher Standort leiten das Projekt? Welche Mitglieder sind im Projektteam wichtig? Wer hat spezifisches Wissen im Unternehmen, das für dieses Projekt relevant ist und genutzt werden kann? Wie können Stolpersteine vermieden werden? Und kann auf bereits erfolgreich eingesetzte Entwicklungen zurückgegriffen werden? Diese Informationen sind aber nicht immer so schnell zu finden. Im Rahmen einer Forschungsarbeit wurde dieses Problem näher untersucht.

Mit NLP die relevanten Anforderungen extrahieren

Das Lastenheft ist der Startpunkt einer Projektanfrage oder eines Projektauftrags und oft auch Teil des Vertrags zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Dieses enthält in der Regel die folgenden Informationen:

  1. was gemacht werden soll;
  2. wie es gemacht werden soll;
  3. die rechtlichen Grundlagen;
  4. und die zeitlichen Meilensteine

sowie diverse andere Angaben.

Da das Lastenheft eine gewisse Struktur aus Text, Abschnitten und Unterabschnitten aufweist, kann es von einer KI mittels NLP-Verfahren (Natural Language Processing) ausgewertet werden. Das Ziel ist es dabei, die Abschnitte mit der Beschreibung der benötigten Skills zu finden und die darin enthaltenen Informationen zu extrahieren.

KI-Analyse von Stellenausschreibungen als Vorbild

Bei der Analyse der benötigten Skills aus dem Lastenhaft können die bisherigen Erfahrungen aus einem anderen Bereich genutzt werden: die Beschreibung der benötigten Skills zur Umsetzung eines Projektes ist nämlich vergleichbar mit den Formulierungen in einer Stellenausschreibung.  Und das ist ein Gebiet, das KI-Forscher schon länger bearbeiten. Der Unterschied ist jedoch, dass bei gewöhnlichen Stellenausschreibungen, die Anforderungen oft relativ knapp beschrieben sind. Bei den  Anforderungen an IT- oder ingenieursbezogene Fähigkeiten in Lastenheften geschieht das detaillierter. Im ersten Schritt musste deshalb ein Verfahren zur Klassifikation relevanter Bezeichnungen erstellt werden. Die auftretenden Anforderungen an Kompetenzen wurden dabei in drei Kategorien eingeteilt:

  1. Ein Zertifikat oder Abschluss, z. B. Diplom-Ingenieur im Maschinenbau
  2. Kenntnisse in einem Arbeitsbereich, z. B. Erfahrung im Finanzmanagement und in der Budgetierung
  3. Ein Tool oder eine API, z. B. Softwareprogramme, wie Adobe Photoshop oder Programmiersprachen wie C#

Diese Kategorien vermitteln ein besseres Verständnis der erforderlichen Kompetenzen für eine KI. Das Skill-Level lässt sich zudem noch spezifizieren, beispielsweise „Starke Kenntnisse und Erfahrungen in Corel Draw“.

Durch eine Analyse auf Satzebene kamen Transformatormodelle mit einem Aufmerksamkeitsmechanismus zum Einsatz. Diese wurden mit Masked Language-Modeling (MLM) und Next Sentence Prediction (NSP) vortrainiert. Auf diese Weise war es möglich, Satzstrukturen zu nutzen und die erforderlichen Skillziele zu identifizieren.

Auf Basis der zuvor angesprochenen Forschungsarbeit ist es gelungen, eine neuartige Extraktionspipeline in Bezug auf Skill-Anforderungen zu entwickeln. Mit dieser Pipeline ist es möglich, benutzerspezifische Qualifikationsanforderungen aus Stellenausschreibungen oder Anforderungsdokumenten, wie z.B. Lastenheften, in englischer oder deutscher Sprache zu extrahieren. Als zusätzlicher Datensatz wurde eine Sammlung englischer Stellenausschreibungen von der armenischen CareerCenter Seite, genannt Armenian Job Postings, hinzugezogen. Ein Test auf diesen Datensatz zeigte, dass das Verfahren auch mit anderen Skill-Sets und damit auch in anderen Domänen als IT bzw. Engineering funktioniert.

Entscheidend ist dabei, dass sich die eingeführte Definition der Klassenlabel von bestehenden Arbeiten unterscheidet. Mithilfe dieser Definition können die relevanten Skills so eingegrenzt werden, dass sie für die nachfolgenden Prozessen wie Management und Planung genutzt werden können. Gerade in der Informatik und den Ingenieurwissenschaften treten entsprechende Anforderungen an die Benutzerkompetenz häufiger auf.

Vom „Skill-Fingerprint“ bis zum Projektvergleich

In großen Unternehmen gibt es die unterschiedlichsten Kompetenzen und Erfahrungen verteilt auf verschiedene Mitarbeiter an diversen Standorten. Mithilfe Künstlicher Intelligenz kann zukünftig automatisiert ausgewertet werden, welche Skills in einem Lastenheft gefordert werden. Auf dieser Basis lassen sich deutlich schneller die passenden Projektteams zusammenstellen.

Zusätzlich lassen sich für die jeweiligen Abteilungen oder bereits vorhandene Projektteams auch sogenannte „Skill-Fingerprints“ erstellen. Diese können dann mit dem Anforderungsprofil eines neuen Projekts verglichen werden und so eine schnellere Zuteilung ermöglichen. Auf diese Weise können Anfragen schneller den passenden Ansprechpartnern zugeteilt werden und die Kunden profitieren von einer zeitnahen Rückmeldung.

Umso öfter der Prozess angewendet wird umso mehr Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich daraus: So können etwa Projektmanager die Fähigkeiten-Anforderungen aus Lastenheften von noch anstehenden Projekten mit denen von bereits abgeschlossenen Projekten vergleichen. Bei einer hohen Übereinstimmung des Skill-Profils ist auch eine Ähnlichkeit der gestellten Aufgabe wahrscheinlich. So lässt sich leicht ermitteln, wer bereits über entsprechende Erfahrung für das neue Projekt verfügt.

Themenseiten: Deag, Geschäftsprozess

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