Kriminell oder genial: fünf bekannte Hacker im Porträt

„Ich bin zwar seit den 70er Jahren Hacker, aber ich habe immer anderer Leute Computer benutzt“, gesteht Kevin Mitnick. Bis 1992 kam er ohne einen eigenen Computer aus!

Als der vielleicht bekannteste Computerkriminelle überhaupt hat Mitnick sich mit Social Engineering (der Kunst andere Menschen zur Herausgabe von Sicherheitsinformationen zu bewegen) oder anderen einfachen Tricks weltweit illegal Zugriff auf Netzwerke verschafft. Seine Missetaten lieferten die Grundlage für das Buch „Takedown“ sowie den gleichnamigen Film.

Nachdem ihn seine Hackertätigkeit bereits drei Haftstrafen eingebracht hat – die dritte dauerte viereinhalb Jahre – wandelt Mitnick jetzt auf dem Pfad der Tugend. Er schreibt Bücher zu Sicherheitsthemen, hält Vorträge in aller Welt und betreibt Defensive Thinking, das Unternehmen, das er auf seiner unrühmlichen Prominenz aufgebaut hat.

Man neigt dazu, sich ihn als Cyberpunk in Lederkluft oder als narzisstischen, eiskalt kalkulierenden Cyberschurken vorstellen. Da ist es fast schon etwas enttäuschend, tatsächlich mit ihm zu sprechen. Mitnick wird – zumindest am Telefon – nie beleidigend oder aggressiv. Er ist ausnehmend nett und höflich und, wenn man seinen Ruf als Meister der Täuschung bedenkt, scheinbar leicht zu durchschauen.

Kevin Mitnick
Kevin Mitnick als Kind

Seine stets gute Laune ist unerschütterlich, selbst wenn er über die schwierigsten Phasen seines Lebens spricht – etwa darüber, wie er etwa acht Monate in Einzelhaft verbringen musste, weil ein US-Gericht davon überzeugt war, dass er per Telefon einen nuklearen Krieg auslösen könnte.

Wenn man mit Mitnick spricht, gewinnt man den Eindruck, dass sich hinter seiner schüchternen Art kein tückischer Feind der Gesellschaft verbirgt, sondern jemand, der sich zu Unrecht schikaniert sieht. Er wirkt wie jemand, der zur falschen Zeit am falschen Ort war und für seine Fehler einen hohen Preis gezahlt hat.

Seine Karriere begann in den späten 70er Jahren als Witzbold an der Highschool, wo Mitnick zunächst Gefallen am so genannten „Phreaking“ – dem illegalen Manipulieren öffentlicher Telefonsysteme – fand, bevor er Computer zu hacken begann.

„Bevor ich mit Computern anfing, habe ich mich mit Phreaking beschäftigt. Das war bevor AT&T dereguliert wurde. Ich spielte meinen Freunden und meiner Familie Streiche“, berichtete Mitnick kürzlich in einem Interview mit ZDNet. „Dann traf ich diesen anderen Jungen, der von meinen Spielereien wusste und dachte, dass ich mich für Computer interessieren würde, da die Telefongesellschaften von Magnetschaltern auf computergesteuerte Systeme umstellten.“

Noch während er die Highschool besuchte, schrieb Mitnick einen Login-Simulator – seinen ersten Hack. Das Programm zeigte eine gewöhnliche Aufforderung zur Passworteingabe an, fing aber den Benutzernamen und das Passwort ab, bevor der Benutzer mit dem Netzwerk verbunden wurde. Mit dieser Methode fand Mitnick den Benutzernamen und das Passwort seines Lehrers heraus.

Kevin Mitnick
Kevin Mitnick heute

Rückblickend meint Mitnick, dass er stets als jemand beschrieben wurde, der auf schreckliche Weise vom Hacking abhängig wurde, einer alles verzehrenden Leidenschaft, die schließlich sein Leben ruinierte. Das geht seiner Ansicht nach jedoch zu weit. „Ich habe viel Zeit damit zugebracht – es war mein Hobby. Ich würde es nicht mit Heroin vergleichen. Ich habe einfach mehr Zeit am Computer verbracht als der Durchschnittsbürger.“ Für Mitnick war es dieselbe Form von Begeisterung, die ein Kind für eine Xbox oder eine Playstation aufbringt.

Mitnick zufolge hat seine Familie seine Technologiebegeisterung immer unterstützt. „Sie haben mich ermuntert. Sie wussten nicht, dass ich etwas Verbotenes tat, bis ich Besuch vom FBI bekam“, sagte er. „Ich war in der Highschool, ich glaube, ich war 17. Ich weiß gar nicht mehr, warum der Beamte mich besuchte – er hatte keine Beweise, es war nur Teil einer Ermittlung.“

Anders als viele andere Hacker stammt Mitnick aus dem Arbeitermilieu. Seine Mutter machte als Kellnerin Überstunden, um ihn durchzubringen. Das sind Dinge, die man nicht vergisst. So auch das erste Mal, als er eingesperrt wurde, „mit etwa 17 oder 18. Ich kam zur California Youth Authority“, erzählt er, wobei sein Tonfall sich leicht ändert. „Das war nicht lustig und es war auch nicht wie im Film. Es war einfach wie im Knast.“

Im Jahr 1988 war er erneut hinter Gittern, weil er sich Zugang zu Digital Equipment verschafft hatte – die 1998 von Compaq übernommen wurden -, um Teile des Quellcodes von deren Betriebssystem zu stehlen. Diesmal verbrachte er acht Monate in Einzelhaft – eine Erfahrung, der er bis heute das Scheitern seiner Ehe zuschreibt.

In den frühen 90er Jahren lief es für Mitnick besonders schlecht. Er begab sich auf die Flucht, als er bemerkte, dass die Behörden gegen ihn eine Untersuchung wegen Verletzung der Bewährungsauflagen eingeleitet hatten. Auf der Flucht benutzte er zahlreiche Decknamen wie Eric Weiss – so lautete der wirkliche Name des legendären Magiers und Entfesslungskünstlers Harry Houdini -, um Arbeit zu finden. Er verbrachte eine beachtliche Zeitspanne als Systemadministrator einer Anwaltskanzlei.

Als die Justiz ihn schließlich fasste, wurde er für viereinhalb Jahre ins Gefängnis gesteckt. Nach Angaben der US-Justizbehörde hat Mitnick gestanden, Software von Motorola, Novell, Fujitsu, Sun Microsystems und Nokia gestohlen zu haben. Wahrscheinlich ist dies der Grund dafür, dass er die Internierung der Terrorverdächtigen, die von den amerikanischen Behörden ohne Anklage in Guantanamo Bay auf Kuba gefangengehalten werden, mit derart bitteren Gefühlen sieht.

„Die Vereinigten Staaten sind ein Polizeistaat. Der 11. September war eine schreckliche Tragödie für die Welt – und das Department of Justice hat dieses Ereignis zum Anlass genommen, auf unseren Rechten herumzutrampeln“, sagte er. „Jetzt bestimmt die Regierung darüber, wem bestimmte Rechte zustehen.“

Die Geschichte von der Jagd auf Mitnick und dessen Gefangennahme wurde von Tsutomo Shimomura – einem Sicherheitsberater und Opfer von Mitnick – und dem New York Times-Reporter John Markoff in Buchform dokumentiert.

Mitnick schreibt die strikte Vorgehensweise der US-Behörden ihm gegenüber teilweise der Bekanntheit zu, die ihm Markoff durch die in der New York Times veröffentlichten Artikel über seine Taten und durch das gemeinsam mit Shimomura verfasste Buch Takedown (dt. Titel „Data Zone“) verschaffte. „Sie haben aus mir ‚Osama bin Mitnick‘ gemacht.“

„Ich wurde nicht nur dämonisiert, sondern auch verleumdet“, sagte Mitnick, der offensichtlich noch immer über die Art seiner Darstellung in der Öffentlichkeit verärgert ist. „Der einzige Grund weshalb ich damals keine Klage einreichte, war, dass sich mich in Gewahrsam befand.“

Aber Mitnicks Geduld zahlte sich aus. „Schließlich kam 1998 der Film heraus und ich konnte mir einen Anwalt nehmen. Ich habe einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen und eine hohe Abfindungssumme erhalten. Markoff und Shimomura haben Glück, dass es eine Jahresfrist für Verleumdungsklagen gibt“, erklärte er. „Sie haben mit meiner Geschichte Millionen verdient.“

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis begann Mitnick mit der Arbeit an einem Buch mit dem Titel „Die Kunst der Täuschung“, in dem es um „Social Engineering“ geht – der von ihm eingesetzten Methode, um Systemadministratoren und andere dazu zu bringen, Informationen preiszugeben, die er nicht hätte erhalten dürfen. Dazu gehörten Benutzernamen und Passwörter, Einwahlnummern und vieles, vieles mehr.

Er schrieb auch über seine Erfahrungen mit Markoff und Shimomura, allerdings weigerte sich sein Herausgeber, dieses Material zu drucken. Es hat inzwischen als „Forbidden Chapter“ (Verbotenes Kapitel) seinen Weg ins Internet gefunden.

Für Mitnick hat sich seit seinem Gefängnisaufenthalt vieles verändert. Zurzeit arbeitet er an seinem nächsten Buch, das den Arbeitstitel „The Art of Intrusion“ (Die Kunst des Eindringens) trägt. Mitnick ist ein gefragter Vortragsredner und betreibt Defensive Thinking, ein Beratungsunternehmen, das darauf spezialisiert ist, die Gefährdungen durch Social Engineering zu minimieren. Er gibt offen zu, dass die Bekanntheit seiner Missetaten viel zu seinem derzeitigen Erfolg beigetragen hat, berichtet aber auch, nie so stolz auf etwas gewesen zu sein, wie auf sein derzeitiges Glück.

Mitnick lebt heute in Las Vegas und freut sich über die einfachen Dinge im Leben. „Ich reise gern, gehe gern ins Kino und zu Veranstaltungen – am Samstag gehe ich ins Metallica-Konzert. Woz kommt vorbei, wir gehen zusammen hin“, sagte er. Er hat schon interessante Freunde. „Woz“ ist Steve Wozniak, der Mitbegründer von Apple.

Am liebsten aber verbringt er seine Zeit mit seiner Freundin und ihrer Tochter. „Meine größte Leistung liegt darin, mit all dem Negativen aufgeräumt und mein Leben komplett geändert zu haben“, meint Mitnick.

Kevin Mitnick
Pseudonym Condor, nach dem Film „Die drei Tage des Kondor“
Alter 40
Geburtsort Kalifornien, USA
Familienstand geschieden. Lebt jetzt mit seiner Freundin und deren acht Jahre alter Tochter zusammen.
Aktueller Wohnort Las Vegas, USA
Beruf Chief Executive von Defensive Thinking
Erster Computer Toshiba 4400 SX Laptop
Bekannt durch „seine Missetaten“
Spezialgebiet Social Engineering

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1 Kommentar zu Kriminell oder genial: fünf bekannte Hacker im Porträt

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  • Am 4. August 2006 um 15:35 von Mike Jeziorski

    Kevin Mitnick
    Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich möchte Ihnen mitteilen, dass Kevin Mitnick aktuell ein White Paper in Zusammenarbeit mit AppSense entwickelt hat, in dem es um aktuelle Themen bzgl IT-Sicherheit geht.

    Interessenten finden das White Paper zum kostenlosen Download unter:
    http://www.mitnick.de

    Mit freundlichen Grüßen

    Mike Jeziorski
    Marketing Manager DACH

    AppSense®
    Am Söldnermoos 17
    85399 Hallbergmoos
    Germany

    E-Mail: mike.jeziorski@appsense.com
    Web: http://www.appsense.com
    Tel: +49 (0) 89 607 68533
    Mobil: +49 (0)176 11446604
    Fax: +49 (0) 89 607 68540

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