Das Internet: Wertvernichter statt Wirtschaftsmotor?

Im Silicon Valley werden jedes Jahr zig Milliarden Dollar dafür ausgegeben um sogenannte „Internet-based disruptive Business Technologies“ (IBDTs) zu entwickeln – also Technologien oder Nutzungsszenarien, die einen echten Durchbruch bedeuten. Natürlich wird nicht jede Entwicklung zum Erfolg, aber viele schaffen es. Software as a service (SaaS) ist ein gutes Beispiel für eine IBDT. Wichtigstes Kriterium einer revolutionären Technologie ist, dass sie mindestens zehnmal so effizient ist und dabei nur ein Zehntel dessen kostet, was für ihre Vorgänger verlangt wurde.

Vor allem der Kostenaspekt macht eine neue Technologie zu einer IBDT: Sie ist so viel besser und so viel billiger, dass ältere Produktionsweisen – selbst wenn sie angepasst und optimiert werden – keine Chance haben, im Wettbewerb zu bestehen. Was bedeutet aber die zunehmende Ausbreitung von IBDTs, ihre vergleichsweise niedrigen Entwicklungskosten und die Möglichkeit, sie nahezu zum Nulltarif überall bereitstellen zu können für die Gesamtwirtschaft? Ganz einfach: Sobald sie einigermaßen verbreitet sind, fallen die Betriebskosten für Unternehmen erheblich. Wann es so weit ist, zeigt sich daran, dass eine starke Deflation einsetzt – wenn also Produkte und Dienstleistungen rasch und nachhaltig an Wert verlieren.

In einfachen Worten gesagt, entwertet das Internet alles, was mit ihm in Berührung kommt. Und das ist eigentlich alles, was sich digitalisieren last. Wobei der Begriff „entwerten“ ausschließlich in seiner materiellen Bedeutung und nicht so zu verstehen ist, dass kulturelle Werte zerstört werden. Und als „Internet“ wird dabei ein Wust von verteilt arbeitenden Technologien und Anwendungen verstanden.

Wann ist es so weit? Ich denke, es hat schon angefangen. Der deflationäre Effekt des Internets macht sich bereits in vielen Wirtschaftsbereichen bemerkbar – er wird sich aber noch ausbreiten, und er wird sich vor allem noch beschleunigen. Ein paar Beispiele sollen das belegen.

Das Internet erlaubt es, auch sogenannte „Knowledge Worker“, also qualifiziertes Personal, auszulagern. Hochbezahlte Angestellte in vielen Berufen verlieren ihre Stelle, weil Menschen in anderen Ländern, wo die Kosten viel niedriger sind, ihre Aufgabe übernehmen können. Vivek Ranadive, CEO von Tibco Software, formulierte das einmal so: „Indien ist die Killer-Applikation für Breitband.“

Das Zitat zeigt anschaulich, wie das Internet den Export von Arbeitsplätzen ermöglicht. Call-Center-Arbeitsplätze aber auch IT-Arbeitsplätze kosten woanders einfach weniger. Das Internet hat es damit möglich gemacht, die Löhne von Call-Center-Mitarbeitern und IT-Angestellten in zahlreichen Sparten zu drücken. Natürlich gibt es immer noch hochbezahlte Jobs in der IT. Aber alles was sich auslagern lässt, wird über kurz oder lang an Orte ausgelagert werden, wo es weniger kostet. Ganz egal, wo das sein wird.

Dass die Auswirkungen in Deutschland bisher weniger zu spüren sind als in den USA, liegt nur daran, dass unsere Sprache weniger verbreitet ist. Die Situation könnte sich aber mit der weiteren Ausbreitung von Englisch im Wirtschaftsleben schnell ändern.

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ZDNet.de Redaktion

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