Das Internet: Wertvernichter statt Wirtschaftsmotor?

Zweites Beispiel: Der Wert von Musik ist erheblich gesunken. Für eine aktuelle CD eine halbwegs bekannten Künstlers mit ungefähr zehn Liedern bezahlte man mindestens 15 Euro – also 1,50 Euro pro Lied. Bei Lala.com erhalten Nutzer für 10 US-Cent pro Lied das Recht, diesen Song lebenslang zu streamen. Ganz legal übrigens. Und bei Last.fm gibt es – ebenfalls ganz legal – eine ganze Reihe von Songs kostenlos zum Download. Die Reihe allein der legalen Angebote ließe sich noch lange fortsetzen.

Drittes Beispiel: Filme und Fernsehsendungen kosten viel weniger. Deutschland nimmt durch die starke Position des frei empfangbaren Privatfernsehens eine Sonderstellung ein. Aber beispielsweise in den USA bezahlten Nutzer dem Kabelfernsehanbieter Comcast bis vor kurzem rund 60 Dollar pro Monat, um wenigstens die grundlegendsten Fernsehangebote nutzen zu können. Kein Wunder, dass viele inzwischen ihre Abonnements kündigen, bekommen sie doch auf Hulu.com eine umfangreiche Auswahl beliebter Sendungen – von Casting-Shows über Serien bis zu Nachrichten. Und anstatt in die lokale Videothek zu gehen und für vier Dollar einen Film zu leihen, lassen sie sich DVDs über Netflix kommen. Oder sie nutzen für 8,99 Dollar pro Monat eine Flatrate und schauen sich so viele Filme an, wie sie wollen. Ergebnis: Die Kosten pro Film sind deutlich gesunken.


„Es gibt kein Wirtschaftsmodell für die Gratis-Wirtschaft“, sagt auch Bestseller-Autor Chris Anderson, dessen neues Buch „Free“ im Juli erscheint, Interview mit ZDNet.

Viertes Beispiel: Zeitungen und Zeitschriften sind Online kostenlos erhältlich. Die Verlage spüren das an der Zahl der Abonnenten ihrer Printausgabe. Warum sollten sie für etwas extra bezahlen, was sie sozusagen als Gratiszugabe zum Internetzugang bekommen? Dem Verlagswesen gehen dadurch pro Leser mehrere hundert Euro im Jahr durch die Lappen. Und was sich bei Zeitungen schon durchgesetzt hat, fängt bei Büchern mit den E-Book-Readern gerade an.

Fünftes Beispiel: Grafik und Design. Es gibt inzwischen zahlreiche Sites, auf denen Auftraggeber Projekte veröffentlichen, um die sich dann Designer und Künstler bewerben. Ein Beispiel dafür ist Designenlassen.de. Nicht nur der Wettbewerb an sich, sondern wieder die Tatsache, dass im Prinzip Einreichungen aus jedem Winkel der Welt – mit ganz unterschiedlichen Lebenshaltungskosten – kommen können, lässt die Honorare fallen. Auch die Arbeit von Grafikern und Designern wird so entwertet. Bei Fotografen ist es ähnlich: Zahlreiche Sites bieten – zumindest für den gängigen Gebrauch unter Nennung der Quelle – eine reiche Auswahl legal nutzbarer, hochwertiger Bilder zu ganz verschiedenen Themen kostenlos oder aus Sicht von Profifotografen zu Spottpreisen an.

Sechstes Beispiel: In vielen Branchen sind die Kosten für die Verteilung von Waren durch die effizientere Verwaltung von Lagerbeständen und Verbesserungen in der Beschaffungskette deutlich gesunken. Auch daran haben Internet-basierende Anwendungen einen großen Anteil. Folge sind auch hier wieder niedrigere Preise für eine Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen.

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ZDNet.de Redaktion

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