Google sieht „alarmierendes“ Niveau staatlicher Zensur

Im zweiten Halbjahr 2011 hat Google zahlreiche Aufforderungen von Regierungsbehörden und Gerichten erhalten, Inhalte seiner Dienste zu löschen. Sie betrafen rund 12.000 einzelne Einträge wie Suchergebnisse, Blogbeiträge oder YouTube-Videos, wie aus dem jüngsten Transparenzbericht hervorgeht. Während Google annähernd in Echtzeit über Traffic-Blockaden oder urheberrechtlich begründete Löschanträge von Medienfirmen berichtet, aktualisiert es die Berichte über staatliche Forderungen nur alle sechs Monate, da sie manuell bearbeitet werden müssen.

Mit insgesamt über 6000 beantragten Löschungen sind die USA am häufigsten vertreten. An zweiter Stelle aber folgt bereits Deutschland mit mehr als 1700 beantragten Löschungen. Diese hohe Zahl erklärt sich insbesondere aus übermittelten URL-Listen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM), wie Google erklärt. Beantragt wurde auch die Löschung von YouTube-Videos, die gegen das deutsche Jugendschutzgesetz verstoßen sollen – sie können daher teilweise in Deutschland nicht mehr betrachtet werden. Weiterhin führte ein Gerichtsurteil zur Entfernung von 898 Suchergebnissen. Sie verwiesen laut Google auf Foren und Blogs mit Aussagen über eine Regierungsbehörde und einen ihrer Mitarbeiter, die das Gericht für nicht glaubhaft hielt.

Bei Personenanfragen zwischen Juli und Dezember 2011 führen die USA mit 12.243 angefragten Benutzerkonten, gefolgt von Indien mit 3427, Brasilien mit 2222 und Deutschland mit 2027. Diesen Forderungen nach Nutzerdaten kam der Suchriese nach genauerer Prüfung in unterschiedlichem Maße nach, in den USA etwa zu 93 Prozent und in Brasilien zu 90 Prozent, in Deutschland aber nur zu 45 Prozent.

Als besonders beunruhigend sieht Google die anhaltende Tendenz zu politischer Zensur. Die Hoffnung, es handle sich dabei um eine vorübergehende Abweichung, habe sich nicht erfüllt, schreibt Google-Mitarbeiterin Dorothy Chou in einem Blogeintrag. „Es ist nicht nur deshalb alarmierend, weil die freie Meinungsäußerung in Gefahr ist, sondern weil einige dieser Forderungen aus Ländern kommen, die man nicht vermuten würde – westlichen Demokratien, die üblicherweise nicht mit Zensur in Zusammenhang gebracht werden.“

Google veröffentlicht seinen Transparenzbericht seit 2010 und versieht ihn mit Anmerkungen zu den einzelnen Ländern. Im aktuellen Zeitraum fiel beispielsweise die spanische Datenschutzbehörde auf. Sie wollte 270 Suchergebnisse gelöscht haben, die auf Blogs und Zeitungsartikel über Personen des öffentlichen Lebens verwiesen, darunter Bürgermeister und Staatsanwälte. Aus Polen kam das Verlangen einer staatlichen Institution, Links zu einer Site zu entfernen, von der sie kritisiert wurde. „Wir kamen keiner dieser Anfragen nach“, betont Chou.

Andererseits erfüllte Google teilweise die Forderung des thailändischen Informationsministeriums, das 149 YouTube-Videos wegen Majestätsbeleidigung gesperrt haben wollte. Diese gilt in Thailand als ein Delikt, das mit Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren geahndet werden kann. „In Übereinstimmung mit örtlichen Gesetzen“ sorgte Google dafür, dass 70 Prozent dieser Videos in Thailand nicht mehr zu sehen sind.


Aus Deutschland erhielt Google im zweiten Halbjahr 2011 die zweitmeisten Löschanträge nach den USA (Screenshot: ZDNet.de).

[mit Material von Steven Musil, News.com]

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ZDNet.de Redaktion

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