Als Tim Cook am Dienstag „One more thing“ ankündigte, wusste jeder, was jetzt kommen würde: eine Smartwatch von Apple. Anders als sein Vorgänger nutzte er die Phrase also nicht, um etwas Außergewöhnliches oder Überraschendes anzukündigen. Die Apple Watch hatte schließlich jeder erwartet.

Auch in anderer Hinsicht wandelt Cook auf den Pfaden des genialen Apple-Mitbegründers Steve Jobs. Er wählte für die Präsentation der neuen iPhone-6-Modelle und der Apple Watch das Flint Center in Cupertino, da wo 1984 Steve Jobs den Macintosh und später den iMac gezeigt hat. Die wenig subtile Botschaft hieß: Seht her, was wir heute zu zeigen haben, wird bedeutend für die Zukunft sein. Ein eigenständiger Führungsstil sieht anders aus.

„Dies ist das nächste Kapitel in der Geschichte Apples“, sagte Cook zur Ankündigung der Apple Watch, gefolgt von einem Werbefilm. Anschließend reckte er die Hände in die Höhe und das Auditorium bedachte ihn mit stehenden Ovationen. Doch aller Symbolik und einiger Claqueure zum Trotz zeigten sich viele Beobachter von der Präsentation der Apple Watch unbeeindruckt. Außerhalb des Flint Centers an der New Yorker Börse purzelte der Kurs der Apple-Aktie, je länger die Apple Watch gezeigt wurde. Die Financial Post konstatiert „Cook konnte Investoren nicht überzeugen„.

Dabei sah es zunächst nicht schlecht aus. Die Präsentation der neuen iPhone-6-Modelle und vor allem die Ankündigung von Apple Pay hatte den Kurs zunächst noch in die Höhe getrieben. Doch die gute Vorlage, konnte Cook nicht verwandeln. Das hat seine Gründe.

Wer sich noch an die Smartphones der Vor-iPhone-Zeit erinnert, weiß, dass das Apple-Telefon mit seiner Touchbedienung einen Meilenstein in der Smartphone-Geschichte darstellt. Es war prägend für die nachfolgenden Generationen. Der Apple Watch wird Gleiches kaum gelingen. Das liegt vor allem an der notwendigen Koppelung zwischen iPhone und Watch ohne die die Apple-Uhr nicht funktioniert. Kann sie überhaupt die Zeit ohne iPhone anzeigen? Außerdem gibt Apple selbst zu, dass die Batterielaufzeit derzeit noch unbefriedigend sei. Die Firma geht davon aus, dass Kunden die Uhr jede Nacht aufladen werden müssen.

Die gezeigten Funktionen der Apple-Uhr können die Nachteile kaum wettmachen. Während der Präsentation der Apple Watch durch Vize-Präsident Kevin Lynch wurde es im Auditorium verdächtig still. Und das, obwohl dort Leute gerne für Dinge applaudieren, die sie ärmer und Apple reicher machen. Nur einmal kam so etwas wie Euphorie auf. Als Lynch mitteilte, dass man die Türen einer bestimmten Hotelkette mit der Apple Watch öffnen könne.

Ansonsten waren die Demos eher skurril. Lynch zeigte als erstes die Auswahl von Zifferblätter und fand offenbar die Variante Astronomy sehr interessant. Hierfür nahm er sich eine Minute Zeit. Astronomy zeigt den aktuellen Standort des Nutzers auf der Erdkugel und ermöglicht eine virtuelle Reise zum Mond. Stellt man die Zeit vor oder zurück, wird die entsprechende Mondphase angezeigt. Eine Übersicht des Sonnensystems mit allen Nachbarplaneten der Erde ist ein weiteres Features von Astronomy. Toll.

Apple Watch ermöglicht außerdem das Abspielen von Musik, interaktive Benachrichtigungen mit animierten Emot-Icons, die Integration von Siri, Maps mit akustischen Signalen für Richtungsänderungen, das Teilen des eigenen Herzschlags mit anderen sowie eine App zum Malen, die als Digital Touch Communication bezeichnet wird. Die Möglichkeit zur Anzeige von Fotos auf dem kleinen Display hat Lynch ebenfalls präsentiert. In Verbindung mit dem iPhone unterstützt die Uhr auch Apple Pay. Damit Dritthersteller ihre Apps für Apple Watch anpassen können, steht mit Watch Kit eine entsprechende API zur Verfügung.

Ein weiterer Schwerpunkt der Präsentation betraf den Einsatz der Apple Watch als Fitness-Tracker. Hierfür stellt Apple zwei Apps zur Verfügung: Fitness und Workout. Fitness zeichnet Herzschlag, zurückgelegte Schritte und in Verbindung mit dem iPhone auch Wegstrecke und Höhenmeter auf. Mit Workout kann man sich für bestimmte Übungen Ziele definieren und anschließend analysieren. Generell muss die Uhr immer mit dem iPhone verbunden sein. Dieser Umstand ruft Kritik hervor. Viele Sportbegeisterte hätten sich eine Uhr gewünscht, die autark vom iPhone funktioniert. Außerdem ließ Apple unerwähnt, ob die Apple Watch wasserdicht ist. Das dürfte insbesondere Schwimmer interessieren.

Fazit

Mit der Watch hat Apple die Gerätekategorie Smartwatches nicht neu erfunden. Vielmehr bieten die zur IFA auf Basis von Android Wear vorgestellten Varianten deutlich mehr Funktionen. Die Android-Modelle verfügen ausnahmslos über eine GPS-Einheit und können damit Wegstrecken auch unhabhängig von einen Telefon aufzeichnen. Die Gear S kann aufgrund des integrierten Mobilfunkmoduls eine direkte Verbindung zum Mobilfunknetz aufbauen. Sie muss nicht mit einem Galaxy-Smartphone gekoppelt werden, um Anrufe entgegenzunehmen oder zu tätigen sowie Benachrichtigungen von Sozialen Netzwerken wie Facebook oder Apps wie dem Kalender zu empfangen.

Cook sagte am Ende der Präsentation: „Wir glauben die Leute werden die Apple Watch gerne nutzen und auch gerne tragen. Sie ist funktionell und sieht schön aus“. Man darf gespannt sein, ob er mit dieser Einschätzung recht behält.

– Video: Apple-Keynote September 2014

Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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