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LiMux: München gibt Open-Source-Projekt auf

Vier Monate nach dem Abschluss des Umzugs von Microsoft in die Stadt München, hat die Vollversammlung des Münchner Stadtrats mehrheitlich beschlossen, die geplante Neustrukturierung der städtischen IT prüfen zu lassen, was letztlich das Aus für das wohl meistbeachtete und meistdiskutierte Linux-Projekt in Deutschland bedeuten dürfte. Zunächst soll zwar nur die IT-Abteilung deutlich verschlankt und mit dahinterstehenden GmbHs ausgegliedert werden, was allerdings auf eine Rumpf-IT-Mannschaft hinausläuft, die eigene Projekte kaum noch betreuen können wird.

Mux, Kolab, ESG, München (Kollage: silicon.de)

Dem gefassten Beschluss zufolge soll die Umstellung auf Windows-Clients und marktübliche Office-Programme geprüft werden. Bei den Office-Programmen, das klang bei einigen Redebeiträgen an, sei Microsoft Office gemeint. Das in der Stadtverwaltung eingesetzte Linux-Projekt LiMux dürfte dann bald Geschichte sein.

Ein verantwortlicher Referent soll künftig den Umbau der städtischen IT leiten. Die bislang in drei Bereiche aufgeteilte IT-Verwaltung soll in GmbHs ausgelagert werden. Stimmt der Stadtrat den Ergebnissen der Prüfung zu – wovon aber nach der derzeitigen Mehrheitslage auszugehen ist – soll der Umbau bis 2020 umgesetzt werden. Damit wäre dann auch das Ende für Linux auf dem Desktop in der Stadtverwaltung München gekommen.

LiMux-Befürworter Thomas Ranft von den Piraten hat den geplanten Umbau heftig kritisiert. Das IT-Referat ist seiner Ansicht nach kein Referat mehr, sondern nach dem Ausstieg aus LiMux ein „Konkursverwalter“, dessen Aufgabe es sein wird, das bestehende System abzuwickeln und ein Neues zu implementieren. Er betonte noch einmal, dass die IT der Stadt München kein Software-Problem, sondern ein Strukturproblem habe. Das käme daher, dass die einzelnen Referate bislang vor sich „hingewurstelt“ hatten. Ranft appellierte in der Sitzung vergebens an seine Amtskollegen, den Antrag abzulehnen, indem er sie an den Umstieg der Stadt Freiburg von offener Software auf Microsoft-Produkte erinnerte. Den bereue man heute in Freiburg aufgrund der dadurch entstandenen Kosten und Probleme „bitter“.

Gegen den Umstieg argumentierte auch Grünen-Stadtrat Florian Roth mit einer Passage aus dem im vergangenen Herbst von der Stadt bei Accenture in Auftrag gegebenen Gutachten. Darin heiße es sinngemäß: Das Betriebssystem ist nicht der entscheidende Punkt. Vielmehr gelte es, die IT insgesamt zu ertüchtigen und zu modernisieren. Diese Modernisierung lediglich am Linux-Client festzumachen, gehe am Ziel vorbei.

Dass die Kosten für den neu zu entwickelnden Client nicht genannt werden dürfen, löste bei Beobachtern Befremden aus. Auch wurde insbesondere der SPD vorgeworfen, den Beschluss in einer Art Nacht- und Nebelaktion herbeigeführt zu haben. Sowohl Stadträte anderer Fraktionen als auch die IT-Mitarbeiter hätten von den Plänen kurzfristig aus der Zeitung erfahren müssen.

Die komplette Diskussion um das Projekt steht auf der entsprechenden Webseite der Stadt Interessierten zum Abruf zur Verfügung.

Die Fraktionen von CSU und SPD hatten letzte Woche über den Verwaltungs- und Personalausschuss einen Antrag (PDF) eingebracht, der neue Leitlinien für die Neuorganisation der kommunalen Informations- und Kommunikationstechnik festlegen soll. Zwischen den Zeilen wurde darin auch der Abschied vom Open-Source-Projekt LiMux angedeutet.

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2003 stellte München als erste deutsche Großstadt von Windows auf Linux um. Damals hatte die Stadt rund 15.000 Computer. Das Projekt mit Linux und Open Source war in der Stadtverwaltung lange und heftig umstritten. Auch Microsoft opponierte intensiv dagegen. Sogar Steve Ballmer reiste damals extra an, um den damaligen Bürgermeister Christian Ude umzustimmen. Als das nicht gelang, opponierte der Konzern teils mit recht durchsichtigen und fadenscheinigen Argumenten. Offenbar fürchtete er, dass das Beispiel Schule machen könnte, was es dann auch teilweise tatsächlich getan hat. Beispiele dafür sind Mannheim, Schwäbisch Hall, Turin, Valencia und Toulouse.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, Microsoft-Chefin Sabine Bendiek und Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner beim offiziellen Gruppenfoto zur Einweihung der neuen Deutschlandzentrale des US-Konzerns in München (Bild: silicon.de)

Die Stadt München prüfte bereits 2014 eine Rückkehr zu Microsoft. Begründet wurde das damit, dass die Nutzer mit der Bedienung unzufrieden seien. Eine Expertengruppe sollte daraufhin den Wechsel zurück zu Windows überprüfen. Allerdings stand der Stadtrat damals noch hinter LiMux und lehnt das ab. Auch der nun ins Visier geratene LiMux-Basis-Client, der im Wesentlichen aus OpenOffice, Thunderbird und Firefox besteht, wurde von der TÜV-IT allerdings schon zuvor einmal als „gebrauchstauglich“ zertifiziert.

Vier Monate nachdem der Umzug von Microsoft aus dem Umland in die Stadt München mit der Einweihung der neu errichteten Deutschlandzentrale abgeschlossen wurde, beschließt der Stadtrat über den Umweg der Neustrukturierung der IT-Abteilung das Aus für das wohl meistbeachteten und meistdiskutierte Linux-Projekt in Deutschland (Bild: Microsoft)

Im selben Jahr ergab eine Anfrage des Stadtrats, dass München allein für Windows-7-fähige Hardware über 3 Millionen Euro ausgeben müsste. Dazu kämen noch Kosten für Lizenzen und Infrastruktur. Auch Oberbürgermeister Reiter führt die Probleme in der IT der Stadt damals nicht auf Linux zurück.

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[Mit Material von Peter Marwan, silicon.de]

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ZDNet.de Redaktion

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