Die EU-Kommission wird das umstrittene Anti-Piraterieabkommen ACTA dem Europäischem Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung vorlegen. Dieser soll entscheiden, ob es in irgendeiner Form gegen die grundlegenden Rechte und Freiheiten der EU verstößt, etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung und Information oder das Recht auf Eigentum, speziell auf geistiges Eigentum. Das teilte EU-Handelskommissar Karel De Gucht in Brüssel mit. EU-Vizepräsidentin Viviane Reding kündigte die Überprüfung zudem per Twitter an.

ACTA ermöglicht eine internationale Verfolgung von Urheberrechtsverstößen. Es wird als Handelsabkommen eingestuft, weshalb die 2007 aufgenommenen Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. Die EU ist seit 2008 beteiligt.

Während einige Teile des Abkommens, etwa zur Bekämpfung von Produktfälschungen physischer Güter, unstreitig sind, gibt es vor allem Proteste gegen die Durchführungsbestimmungen bei der Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen. Demnach sollen Internet-Provider für Urheberrechtsfälschungen ihrer Kunden verantwortlich gemacht und als Störer in Haftung genommen werden. Um dies verhindern zu können, sollen die nationalen Regierungen die ISPs mit umfangreichen Befugnissen ausstatten. Dazu gehören die Überwachung des gesamten Internetverkehrs und die technische Verhinderung von Verschlüsselungs- und Anonymisierungstechniken wie TOR.

Deutschland hatte die Unterzeichnung des internationalen Anti-Counterfeiting Trade Agreement vor knapp zwei Wochen ausgesetzt. Auch Lettland, Polen, Tschechien und die Slowakei stoppten die Ratifizierung, obwohl einige von ihnen bereits ihre Unterschrift unter das Abkommen gesetzt hatten. Europaweit waren ACTA-Kritiker zu Tausenden auf die Straßen gegangen, um gegen das Abkommen zu demonstrieren.

„Ich teile die Sorge der Leute um die grundlegenden Freiheitsrechte. Ich begrüße, dass die Menschen ihre Bedenken so aktiv geäußert haben – vor allem hinsichtlich der Freiheit des Internets“, sagte De Gucht. Er verstehe auch, dass es eine Unsicherheit in der Frage gebe, was ACTA letztendlich für Folgen habe. Die Anrufung des EuGH sehe er daher als nötigen Schritt an. „Diese Debatte muss auf Fakten basieren und nicht auf Fehlinformationen oder Gerüchten, die in den vergangenen Wochen Social-Media-Sites und Blogs dominierten.“

Zugleich stellte De Gucht klar: „ACTA wird nichts daran ändern, wie wir das Internet oder Soziale Netze nutzen – weil es keinerlei neue Regeln einführt.“ ACTA helfe nur dabei, bestehendes Recht durchzusetzen.

Der EU-Handelskommissar erwartet, dass sich die Ratifizierung von ACTA im Europaparlament durch die juristische Prüfung verzögern wird: „Ich gehe davon aus, dass der Ratifizierungsprozess so lange ausgesetzt wird, bis das Urteil des Europäischen Gerichtshof vorliegt.“ Für den 25. Februar sind erneut europaweit Demonstrationen gegen ACTA geplant.


Über Twitter kündigte EU-Vizepräsidentin Viviane Reding die Überprüfung des umstrittenen Anti-Piraterieabkommens ACTA durch den Europäischen Gerichtshof an.

ZDNet.de Redaktion

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