Angela Merkel (CDU) ist nicht nur die erste Frau an der Spitze der Bundesregierung, sondern auch die erste Amtsinhaberin, die einen nicht unerheblichen Teil ihrer Kommunikation per SMS erledigt. Über ihr Nokia 6210 Navigator erfuhr sie nicht nur vom Rücktritt Karl-Theodor zu Guttenbergs, sondern wies beispielsweise den Vorschlag von Sigmar Gabriel (SPD) zurück, Joachim Gauck als gemeinsamen, überparteilichen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten aufzustellen.

Natürlich handelt es sich nicht um ein normales Nokia-Handy, sondern um eine Version, deren Hard- und Software von der Firma Secusmart angepasst wurde. Sämtliche Daten sind auf einer SD-Karte mit Hardwareverschlüsselungsmodul gespeichert. Die Software-Module SecuVOICE und SecuSMS verhindern, dass die Kommunikation mit einfachen Mitteln abgehört werden kann.

Die von Secusmart umgerüsteten Telefone sind vom BSI für die niedrigste Geheimhaltungsstufe "Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch" (VS-NfD) zertifiziert. In der NATO dürfen sie für die Sicherheitsstufe "NATO restricted" eingesetzt werden.

Umgangssprachlich werden solche Handys "Merkel-Phone" genannt. Sie richten sich aber mitnichten nur an Regierungen und Behörden, sondern auch an Firmen, die auf abhörsichere Mobiltelefonate angewiesen sind.

Nicht alle SMS der Kanzlerin sind bisher geheim geblieben: Zuweilen findet sie der interessierte Leser im Spiegel und in der Bild-Zeitung. Als Sigmar Gabriel Joachim Gauck als möglichen Bundespräsidenten ins Spiel brachte, antwortete Merkel mit „Danke fuer die info und herzliche grüße am“. In der Bundestagsdiplomatie heißt das etwa so viel wie "Das interessiert mich nicht".

Wie der Spiegel an die beiden SMS gekommen ist, weiß man bis heute nicht. Obwohl Gabriel bestreitet, sie weitergegeben zu haben, ging Merkel von einer Indiskretion aus und redete drei Monate lang nicht mehr mit Gabriel. An eine erfolgreiche Abhöraktion glaubt aber niemand. Bisher ist kein Fall bekannt, dass ein Telefonat oder eine SMS mit einem sogenannten Merkel-Phone abgehört wurde. Die Lösungen von Secusmart halten offensichtlich, was sie versprechen.

Den Markt für Handys und Smartphones, die für Geheimhaltungsstufe VS-NfD zugelassen sind, teilt sich Secusmart mit dem Anbieter Certgate. Gemeinsam mit dem Partner T-Systems entwickelt und vertreibt das Unternehmen die Lösung SIMKo 2. Beide Produkte beherrschen Sprachverbindungen und SMS nach dem von BSI entwickelten SNS-Standard. Das stellt sicher, dass die Lösungen Certgate und Secusmart untereinander kompatibel sind.


Getarnte Dienststellen des BND: Gleich nebenan befinden sich der Deutsche Wetterdienst und das Goethe-Institut (Bild: Bubblegum2009).

SIMKo 2 kann aber noch mehr: Die auf Windows Mobile basierende Lösung kann eine VPN-Verbindung in den Informationsverbund Berlin-Bonn (IVBB) aufbauen. Dieses Netz kann als ein ressortübergreifendes Intranet von Ministerien und anderen Verfassungsorganen, etwa Bundestag, Bundesrat, Bundeskanzleramt und Bundesrechnungshof, angesehen werden. Der Name ist eher historisch zu sehen.

Der IVBB ist seit 1999 in Betrieb und wird seit Ende 2003 um den Informationsverbund der Bundesverwaltung (IVBV) ergänzt. Das Projekt "Netze des Bundes" (NdB) soll beide Infrastrukturen in einem gemeinsamen Nachfolger zusammenfassen.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der IVBV im Auftrag des BMI vom Deutschen Wetterdienst (DWD) betrieben wird. Das mag ungewöhnlich klingen, aber man vermutet, dass der DWD weitaus mehr als nur Luftdruck und Temperatur beobachtet und weiterleitet. Mit dem Betrieb von sicheren Netzen ist er daher sicherlich vertraut.

So hat der DWD beispielsweise eine Niederlassung in München in der Helene-Weber-Allee 21. Im selben Gebäudekomplex findet man auch zahlreiche sogenannte "getarnte Dienststellen" des Bundesnachrichtendienstes (BND), siehe Bild.

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ZDNet.de Redaktion

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