Bewährungsstrafe für Tauss wegen Besitz von Kinderpornografie


Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss wurde wegen des Besitzes von Kinderpornografie zu 15 Monaten auf Bewährung verurteilt (Foto: tauss.de).

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss (Piratenpartei) ist heute vom Karlsruher Landgericht wegen des Besitzes von Kinderpornografie zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Damit folgte das Gericht dem gestrigen Antrag der Staatsanwaltschaft. Sein Verteidiger Jan Mönikes hatte in seinem Plädoyer einen Freispruch gefordert.

Bei Tauss war im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung im März 2009 kinderpornografisches Material gefunden worden. Er hatte den Besitz nicht bestritten, sondern erklärt, er habe als Abgeordneter in der Szene recherchiert und sei einem Kinderpornoring auf der Spur gewesen. Dazu habe er auch Material zum Tausch anbieten müssen.

Insgesamt wurden etwa 300 Dateien gefunden, was allerdings als szeneuntypisch wenig gilt. Auf dem Material waren vor allem männliche Zwangsdarsteller zu sehen. Tauss‘ ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter Johannes Kohlbeck sagte im Prozess aus, bei Tauss keine homophilen Neigungen bemerkt zu haben.

Kohlbeck und Tauss teilten sich über mehrere Jahre eine Wohnung in Berlin. Nach dem Auszug Kohlbecks im Jahr 2006 entfernte Tauss Kohlbecks Namensschild nicht. Er ließ sich später unter dem Namen W. Kohlbeck einige DVDs mit kinderpornografischem Material an die Berliner Postadresse schicken.

Für das Gericht war allerdings entscheidend, dass §184b StGB den Besitz von Kinderpornografie unabhängig von der Motivation verbietet. Das Vorliegen der Voraussetzungen von Absatz 5, der Straffreiheit vorsieht, wenn der Besitz ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dient, war nach Auffassung des Gerichts nicht gegeben, weil ein Bundestagsabgeordneter nicht zu dem durch die Vorschrift privilegierten Personenkreis zu zählen sei und es ihm schon gar nicht obliege, einen Kinderpornoring zu sprengen.

Tauss saß 17 Jahre für die SPD im deutschen Bundestag – zuletzt als medienpolitischer Sprecher. Nachdem die SPD im Juni 2009 dem Internetzensurgesetz zugestimmt hat, wechselte Tauss von der SPD zur Piratenpartei. Seine Aufnahme war wegen der Vorwürfe nicht unumstritten. Allerdings gelangte die Piratenpartei auf diese Weise an einen Bundestagssitz bis zur Neuwahl am 27. September. Tauss bewarb sich in der Piratenpartei um kein Amt oder Mandat.

Bereits kurz nach der Urteilsverkündigung forderte der am 16. Mai frisch gewählte Beisitzer im Bundesvorstand Wolfgang Dudda in einer Pressemitteilung indirekt Tauss‘ Austritt aus der Piratenpartei. Man habe allen Grund, darauf vertrauen zu können, dass Jörg Tauss nun auch die richtige Entscheidung für sich und die Piratenpartei treffe, soweit es um seine weitere politische Zukunft gehe. Ähnlich äußerte sich der stellvertretende bayerische Landesvorsitzende Roland „Validom“ Jungnickel. Man sei nicht im Kindergarten, sondern im politischen Ringen. Wenn Tauss die Piraten wichtig seien, werde er seine Schlüsse ziehen.

Zahlreiche Piraten zeigten sich von der schnellen Reaktion überrascht, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Tauss hat die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. Die Satzung der Partei sieht die Beendigung der Mitgliedschaft vor, wenn ein Mitglied das aktive oder passive Wahlrecht (Wählbarkeit) verliert.

Gemäß § 45 Absatz 1 StGB verliert jemand die Wählbarkeit, wenn er wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird. Da der Besitz von Kinderpornografie jedoch mit einer Mindeststrafe von nur drei Monaten bedroht ist, handelt es sich gemäß § 12 Absatz 2 StGB um ein Vergehen und nicht um ein Verbrechen.

Tauss selbst bedankte sich bei allen Piraten, die sich wegen ihm „bis hin zur Kinderfickerpartei“ angreifen lassen mussten und dies aus rechtsstaatlichen Erwägungen ausgehalten haben. Für sie freue es ihn besonders, dass das Gericht ihm zwar ein privates, aber kein sexuelles Interesse bescheinigte. Seine Verteidigung prüfe derzeit Rechtsmittel gegen das Urteil.

Tauss lässt ferner alle Rechte aus seiner Parteimitgliedschaft ruhen. Ob er die Partei zu ihrem Schutz verlassen wird, will er nach der schriftlichen Urteilsbegründung von den Revisionschancen abhängig machen.

ZDNet.de Redaktion

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