Quick-Freeze-Verfahren für Daten genügt der EU nicht

Die EU-Kommission hat einen Vorschlag des Bundesjustizministeriums abgelehnt, wie sich der Streit um die Vorratsdatenspeicherung beilegen ließe. Michele Cercone, Sprecher von EU-Innenpolitik-Kommissarin Cecilia Malmström, erklärte, das von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorgeschlagene Quick-Freeze-Verfahren genüge den Anforderungen des EU-Rechts nicht. Das schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

„Damit das ganz klar ist: Dieses System kann nicht als Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung angesehen werden“, sagte Cercone. Es gehe nicht weit genug und sei nicht so effektiv, wie es die Vorgaben der Richtlinie verlangten. Leutheusser-Schnarrenberger hatte nach Informationen der FAZ geplant, einen auf dem Quick-Freeze-Verfahren basierenden Gesetzentwurf ins Bundeskabinett einzubringen, um eine Klage der EU-Kommission abzuwenden. Dabei werden Daten erst bei Verdacht einer Straftat „eingefroren“.

Wie vorab bekannt geworden war, hat die EU der Bundesregierung am gestrigen Donnerstag eine letzte Frist von vier Wochen gesetzt, „um einen vertragsgemäßen Zustand“ herzustellen. Das jahrelange Mauern Deutschlands sei „ein Bruch der EU-Gesetze und erschwert die Verbrechensbekämpfung“, zitiert die Morgenpost Kommissionssprecher Cercone.

Versäumt es die Regierung, der Aufforderung nachzukommen, droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Im ungünstigsten Fall bekommt Deutschland dann ein Zwangsgeld aufgebrummt. Schweden war vor zwei Jahren verurteilt worden (Az. C-185/09), kam aber zunächst vergleichsweise glimpflich davon: Es musste lediglich die Gerichtskosten tragen. Die dortige Regierung weigert sich ebenfalls, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in nationales Recht umzusetzen.

Ende Mai 2011 brachte die EU-Kommission Schweden erneut vor Gericht (Az. C-270/11). Sie fordert 9597 Euro pro Tag zwischen dem ersten und zweiten EuGH-Urteil und 40.947,20 Euro für jeden Tag der Nichtumsetzung nach dem zweiten Urteil. Das Verfahren ist noch anhängig.

Eine Studie des Bundesjustizministeriums kam indes zum Ergebnis, dass die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland nicht zu höheren Aufklärungsquoten bei Ermittlungen geführt habe. Die Autoren werteten neben eigenen Quellen eine umfangreiche Datensammlung aus – etwa die Aufklärungsquoten von 1987 bis 2010 sowie Informationen aus Ländern, in denen eine Zeit lang Daten auf Vorrat gespeichert wurden.

„Die Studie zeigt, dass die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung nicht empirisch belegt, sondern nur ein Gefühl der Praktiker ist“, sagte Justizstaatssekretär Max Stadler (FDP). Ermittler „verweisen auf Einzelfälle, die sie dann als typisch bezeichnen“. Solche Behauptungen seien weder belegt noch belegbar.

ZDNet.de Redaktion

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