Onlinemarktplatz Melango.de: Das Amtsgericht Dresden spricht ein Machtwort

Zwei kurze Meldungen über den Online-Markplatz Melango.de sorgen bei den Lesern von ZDNet.de seit inzwischen fast drei Jahren für hitzige Diskussionen: Im März 2009 hatte das Sat1-Magazin Akte09 berichtet, dass der Onlineshop durchschnittlich nur jeden zehnten Kunden beliefere.

Anlass für den Beitrag waren Beschwerden von zwei Händlern. Sie waren durch Angebote deutlich unter dem üblichen Händlereinkaufspreis (HEK) zum Kauf bewogen worden und hatten die dazu notwendige, zehn Tage lang kostenlose Mitgliedschaft beantragt. Die bestellten und bezahlten Waren im Wert von rund 1600 beziehungsweise 6000 Euro trafen innerhalb dieses Zeitraums jedoch nicht ein, daher wurde ein Mitgliedsbeitrag von rund 280 Euro fällig. Nach mehreren Wochen und zahlreichen Anrufen bei einer 0900-Servicerufnummer erhielten beide Händler immerhin ihr Geld zurück – abzüglich einer Bearbeitungsgebühr von fünf Prozent.

Der Betreiber sah sich zu Unrecht verdächtigt: Als B2B-Online-Marktplatz biete Melango.de registrierten Händlern die Möglichkeit, Waren zu verkaufen und zu erwerben. Bei allen Transaktionen trete der Betreiber lediglich als Vermittler auf. Dieser Sachverhalt war aber offenbar nicht allen Nutzern klar – wohl auch, weil nur äußerst dezent drauf hingewiesen wurde.

Ein schwarzes Schaf – gleich zweimal

Die Situation verschärfte sich im Herbst 2010 noch. Damals erhielt Melango.de von den Markenschützern von OpSec bereits zum zweiten Mal den Schmähpreis „Das Schwarze Schaf“. Begründet wurde das mit zahlreichen Beschwerden von Kunden. Diese erhielten kurz nach ihrer Anmeldung eine Rechnung über Mitgliedsgebühren in Höhe von mehreren hundert Euro – auch, wenn sie die Anmeldung nahezu umgehend nachdem sie sich über deren Folgen klar geworden waren per Fax widerrufen hatten. Auf der Startseite sei weder ersichtlich, dass bei einer Anmeldung überhaupt Kosten anfallen noch dass lediglich Händler, Gewerbetreibende und Kaufleute die Plattform nutzen dürfen. Darauf werde nur in den allgemeinen Marktplatzregeln hingewiesen.

Laut OpSec ist das Hauptproblem, dass sich Melango.de als B2B-Verkaufsplattform nicht widerrechtlich verhält. Zwischen Kaufleuten gelten schließlich andere Bestimmungen bezüglich der Aufklärungspflichten als zwischen gewerblichen Verkäufern und Verbrauchern. Beispielsweise müssen Händler, die an gewerbliche Abnehmer verkaufen, nicht in gleicher Form auf entstehende Kosten hinweisen wie Händler, die ihre Produkte Endverbrauchern anbieten. Nutzer, die sich bei Melango.de als private Käufer anmelden, verstoßen gegen die Geschäftsbedingungen. Den zahlreichen Kommentaren bei ZDNet nach zu urteilen, nehmen die Betreiber deren Geld nehmen aber trotzdem gerne. Viele Betroffene waren mit der entstandenen Situation überfordert und wussten nicht, wie sie sich wehren sollten.

Urteil des Amtsgerichts Dresden (Aktenzeichen 104 C 3441/11)

Für sie dürfte das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 5. Oktober 2011 hilfreich sein (Aktenzeichen 104 C 3441/11). Auf die bei der IHK Dresden zusammengefasste Entscheidung hatte ZDNet-Leserin Stephanie dankenswerterweise bereits am 25. Dezember hingewiesen. Möglicherweise ist diese Empfehlung wegen der Feiertage etwas untergegangen. Heute hat ZDNet-Leser Don Oyle in seinem Kommentar den Link zur Veröffentlichung des Urteils (PDF) durch den eine Betroffene vertretenden Rechtsanwalt Ralf Möbius zukommen lassen. Grund genug, an dieser Stelle etwas ausführlicher auf die Entscheidung einzugehen.


Aus dem Auftritt von Melango.de ist laut OpSec für Verbraucher nicht deutlich ersichtlich, dass es sich ausschließlich um eine Handelsplattform für gewerbliche Nutzer handelt – zumindest nicht vor Zahlung der Mitgliedsgebühren. Nutzer des Browser-Plug-ins WOT wissen schon länger, dass Melango.de nicht den besten Ruf genießt. (Screenshot: ZDNet)

Bei Melango.de muss sich ein Käufer vor einer Bestellung anmelden. Nach Eingabe der Unternehmensdaten wird der Kunde in einem zweiten Schritt aufgefordert, diese zu bestätigen. Mit Klick auf den Buttons sollen die AGB angenommen und die Datenschutzbestimmungen akzeptiert werden – ein vielen Webnutzern bekannter und vertrauter Vorgang, über den sie meist nicht weiter nachdenken. In den Allgemeinen Nutzungsbedingungen ist allerdings eine 24-monatige, kostenpflichtige Mitgliedschaft geregelt. Akzeptiert der Kaufinteressent die Nutzungsbedingungen, erhält er kurz darauf eine Rechnung über eine Aufnahmegebühr und einen Mitgliedschaftsbeitrag. Und das ist den meisten Webnutzern dann doch neu.

Eine Kundin wollte das nicht so hinnehmen und wandte sich mit einer negativen Feststellungsklage dagegen. Das Amtsgericht Dresden kam zu dem Schluss, dass die Melango.de GmbH keinen Anspruch auf Zahlung des Betrags – im konkreten Fall 403,41 Euro – hat. Die 24-monatige Laufzeit und die Entgeltlichkeit der Leistungen wertet das Amtsgericht als „überraschende Klausel“. Sie wird laut Paragraf 305c, Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches damit nicht Bestandteil des Vertrages.

Laut Amtsgericht Dresden ist die kostenpflichtige Mitgliedschaft überraschend: „Der Kunde ist auch gewohnt, dass Marktplätze, auf denen man Waren erwerben kann, wie Ebay oder Amazon ohne eine Aufnahmegebühr und eine Mitgliedschaftsgebühr genutzt werden können. Bei dieser Sachlage ist ein Vergütungsanspruch nicht gegeben, ohne dass es darüber hinaus noch darauf ankommt, ob zwischen den Parteien überhaupt wirksam ein Vertrag zustande gekommen ist.“

Michael Mißbach von der IHK Dresden kommentiert das Urteil auf der Website der Organisation so: „Auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr muss dem Vertragspartner spätestens bei Abgabe seiner Vertragserklärung bekannt sein, dass er damit eine Zahlungsverpflichtung eingeht. Das sind allgemeine Rechtsgrundsätze. Dennoch ist jedes Urteil eine Einzelfallentscheidung. In anderen Fällen muss demnach genau geschaut werden, ob und wie rechtzeitig ein Hinweis auf die Entgeltlichkeit erteilt wurde.“ So sei der Internetauftritt von Melango.de zum Beispiel in der Vergangenheit öfter überarbeitet worden, so dass zu unterschiedlichen Zeiten auch unterschiedliche Darstellungsweisen und Bedingungen galten.

Mißbach empfiehlt daher. „Für zukünftige Internetbestellungen sollte man, wie bei jedem Rechtsgeschäft allgemein, eine ausreichende Dokumentation vornehmen. Zu jeder Bestellung oder Anmeldung sind zwingend die aktuellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die jeweilige Angebotsseite und die Bestellseite mit Bestätigungsbutton abzuspeichern. Nur so kann im Zweifel auch vor Gericht ein Nachweis über die Vertragsbedingungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, und nur auf die kommt es an, erbracht werden.“

Soweit die objektive Empfehlung der Industrie- und Handelskammer. Meine ganz persönliche Empfehlung: Augen auf bei ganz besonders attraktiv erscheinenden Schnäppchen – und sobald ein geringer Zweifel an der Seriosität besteht, am besten die Finger davon lassen. Denn wirklich geschenkt bekommt man außer an Weihnachten so gut wie nie etwas. Und Weihnachten ist gerade vorbei.

ZDNet.de Redaktion

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