Debian-Nutzerin erhält offenbar gefälschte Filesharing-Abmahnung

Offenbar erhalten Personen, die sich in den vergangenen Wochen die freie Software Debian 5 über Bittorrent heruntergeladen haben, derzeit Abmahnungen wegen illegalen Filesharings. Das berichtet eine davon betroffene sächsische Nutzerin. Die Abmahnungen werden scheinbar im Namen der niederländischen Firma Media Art Holland B.V. von einer Augsburger Kanzlei ausgesprochen. Diese nimmt in dem Schreiben die Rechte an Debian 5 in Anspruch.

Die Augsburger Kanzlei, von der das Schreiben stammen soll, hat gegenüber ZDNet dessen Echtheit bestritten: „Von uns ist keine Abmahnung zu Debian verschickt worden.“ Außer im Fall der sächsichen Nutzerin sei man zudem auch noch nicht von Betrofenen oder deren Anwälten angesprochen worden. Entweder haben diese noch nicht reagiert, sind den Forderungen nachgekommen oder es handelt sich um einen Einzelfall. In der Vergangenheit hat sich die Augsburger Kanzlei in zahlreichen Fällen um die Durchsetzung der Urheberrechte an Filmen gekümmert.

Außerdem hat Gulli.com unter Berufung auf Recherchen eines Users berichtet, dass das Unternehmen Media Art Holland nicht im niederländischen Handelsregister eingetragen ist. Das müsste die Firma bei der Gesellschaftsform B.V. aber so sein. Auch das legt nahe, dass es sich um einen Betrugsversuch handelt.

Die Kanzlei Ferner aus Alsdorf hält es nach dem bisher bekannten Wortlaut des Schreibens für eher unwahrscheinlich, dass jemand ernsthaft behauptet, dass im Debian-Paket eine Software von ihm ohne entsprechende Lizenz genutzt wird. Wahrscheinlicher sei, dass es sich um eine gefälschte Abmahnung handelt. Die Kanzlei empfiehlt Betroffenen, keine Schritte selbst zu unternehmen. Insbesondere sollten sie ohne Rat keine modifizierte Unterlassungserklärung abgeben: Immerhin versichere man damit gegen das Versprechen der Zahlung einer Vertragsstrafe, eine frei verfügbare Software nicht mehr anzubieten.

Die Kanzlei Ferner weist in ihrem Blog aber auch auf ein altes, aber noch nicht gelöstes GPL-2-Problem hin: „Wer sich die Binary-Quellen via Bittorrent kopiert, und damit automatisch auch wieder anbietet, der bietet die binären Quellen ohne den Quellcode an, was nach der GPL untersagt ist. Die benannten Ausnahmen greifen in diesem Szenario nicht (dazu Paragraf 3 der GPL 2 lesen). In der Theorie wäre damit jeder Upload eines reinen Binary-Repositories bei Bittorrent ein GPL-2-Verstoß.“

Im aktuellen Fall werde aber nach dem derzeitigen Kenntnisstand dieser Sachverhalt nicht geltend gemacht, sondern die umfassenden Rechte am Debian-Paket insgesamt angeführt. Laut Kanzlei Ferner ist aber abzuwarten, ob eines Tages jemand, dessen Software in einem solchen Paket zu finden ist, einen Verstoß gegen die GPL entdeckt und deswegen Abmahnungen ausspricht. Sie hält unter diesem Aspekt das Filesharing von Open-Source-Software keinesfalls für abmahnsicher.

Update 18 Uhr 39: Die Empfängerin des Schreibens hat in dem Forum, in dem sie diese ursprünglich zur Diskussion gestellt hatte mitgeteilt, dass es sich bei dem Schreiben um die Einzeltat einer ihr bekannten Person gehandelt hat. Diese sei weder mit der im Schreiben genannten Kanzlei noch mit Debian verbunden. Es wird also kein Anspruch auf Urheberrechte an Debian erhoben.

HIGHLIGHT

P2P-Filesharing: So reagiert man richtig auf Abmahnungen

Ein Abmahnschreiben wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung ist kein Grund zur Panik. ZDNet zeigt, wie man die Folgen mit einem kühlen Kopf und den richtigen Schritten minimiert.

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

MadMxShell: Hacker verbreiten neue Backdoor per Malvertising

Die Anzeigen richten sich an IT-Teams und Administratoren. Ziel ist der Zugriff auf IT-Systeme.

12 Stunden ago

April-Patches für Windows legen VPN-Verbindungen lahm

Betroffen sind Windows 10 und Windows 11. Laut Microsoft treten unter Umständen VPN-Verbindungsfehler auf. Eine…

12 Stunden ago

AMD steigert Umsatz und Gewinn im ersten Quartal

Server-CPUs und Server-GPUs legen deutlich zu. Das Gaming-Segment schwächelt indes.

21 Stunden ago

Google stopft schwerwiegende Sicherheitslöcher in Chrome 124

Zwei Use-after-free-Bugs stecken in Picture In Picture und der WebGPU-Implementierung Dawn. Betroffen sind Chrome für…

2 Tagen ago

Studie: 91 Prozent der Ransomware-Opfer zahlen Lösegeld

Die durchschnittliche Lösegeldzahlung liegt bei 2,5 Millionen Dollar. Acht Prozent der Befragten zählten 2023 mehr…

2 Tagen ago

DMA: EU stuft auch Apples iPadOS als Gatekeeper ein

Eine neue Analyse der EU-Kommission sieht vor allem eine hohe Verbreitung von iPadOS bei Business-Nutzern.…

2 Tagen ago