Löschen statt sperren: Bundesregierung kippt Zugangserschwerungsgesetz


Mit solchen Warnhinweisen versucht die Bundesregierung, den Zugriff auf kinderpornografisches Material einzudämmen (Bild: BKA).

Die Spitzen von CDU/CSU und FDP haben sich gestern Abend auf eine endgültige Aufhebung des umstrittenen Internet-Sperrgesetzes oder auch Zugangserschwerungsgesetzes der Vorgängerregierung verständigt, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in ihrer Online-Ausgabe berichtet. Kinderpornografische Inhalte sollen künftig nicht mehr gesperrt, sondern direkt gelöscht werden.

Das hatten zahlreiche Internetnutzer, die Piratenpartei und der AK Zensur schon seit längerem gefordert. Letzterer legte im Februar sogar Verfassungsbeschwerde gegen das Zugangserschwerungsgesetz ein, weil es eine „ungeeignete, weil unverhältnismäßige Maßnahme“ und „sowohl aus formalen als auch aus inhaltlichen Gründen“ nicht verfassungskonform sei.

Das Sperrgesetz gilt seit einem Jahr und verpflichtet Internetprovider dazu, Websites mit kinderpornografischen Inhalten zu blockieren, die auf einer täglich aktualisierten geheimen Sperrliste des Bundeskriminalamts geführt werden. Union und FDP vereinbarten im Herbst 2009 in ihrem Koalitionsvertrag, die Sperren zunächst nicht anzuwenden und ein Jahr lang das Löschen von Seiten zu testen, um anschließend über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Nun scheinen sie endgültig vom Tisch zu sein.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte die Entscheidung. Es gebe Erfolge beim Löschen – der nun eingeschlagene Weg der Koalition sei daher richtig, sagte sie der FAZ. „Nach aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts sind nach zwei Wochen 93 Prozent der kinderpornografischen Inhalte gelöscht, nach vier Wochen sind es sogar 99 Prozent.“

Der AK Zensur bewertete die Abkehr von den Sperren ebenfalls positiv. Die formelle Aufhebung des Gesetzes sei der einzig rechtstaatlich saubere Schritt, es vollständig zu den Akten zu legen und den Aufbau einer Zensur-Infrastruktur zu verhindern.

Dass das Prinzip „löschen statt sperren“ funktioniert, beweist unter anderem eine im März veröffentlichte Statistik des Bundeskriminalamts. Innerhalb einer Woche wurden demnach 97 von 143 gemeldeten Kinderporno-Seiten gelöscht. Nach vier Wochen und drei Mahnungen war nur noch eine online. 81 Prozent der beanstandeten Inhalte wurden in den USA, Russland oder Kanada gehostet.

Die Ergebnisse des BKA decken sich mit denen des Branchenverbands der deutschen Internetwirtschaft (Eco) und von Inhope, dem Dachverband von Beschwerdestellen über illegale Netzinhalte. 2010 hatte Inhope 24.047 Berichte über kinderpornografische Seiten erhalten und eine Löschung beantragt – unter anderem aufgrund von Hinweisen des Eco. Nach Angaben von Inhope-Sprecher Denton Howard wurden 91,995 Prozent der Inhalte binnen 14 Tagen nach Eingang der Hinweise gelöscht, 69 Prozent innerhalb von fünf Tagen. Knapp die Hälfte der beanstandeten Inhalte (44,44 Prozent) seien gar binnen zwei Tagen verschwunden.

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ZDNet.de Redaktion

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