Interview: Deutschland trödelt beim Glasfaserausbau

Die Kupferdoppelader bis in die Haushalte, auch als Teilnehmeranschlussleitung (TAL) oder letzte Meile bekannt, gehört in Deutschland nach wie vor der Telekom. Andere Provider müssen die TAL mieten. Die Höhe des Preises ist ein Dauerthema in der Branche. Während die Telekom ihre Kosten nicht gedeckt sieht, streben Konkurrenten eine Senkung an, um den erwünschten Wettbewerb zu fördern. Die Entscheidung fällt die Bundesnetzagentur, die es aber keiner der Parteien recht machen kann.

Neben dem Aufbau einer zukunftsfähigen TK-Infrastruktur sind es daher vor allem ökonomische Gründe, die Netzbetreiber zu Investitionen in eine eigene Infrastruktur motivieren. Denn selbst regional oder nur lokal agierende Unternehmen überweisen der Telekom dafür jedes Jahr zweistellige Millionenbeträge. Die – so die Rechnung – ließen sich besser in eigene Anlagen investieren. Um den Angeboten des Branchenriesen auch langfristig etwas entgegensetzen zu können, reicht es aber vielfach nicht aus, dasselbe Paket lediglich günstiger zu vermarkten. Differenzierungsmerkmale sind gefragt. Dafür bieten sich Glasfaserkabel an. Um der Konkurrenz der Kabelnetztbetreiber paroli zu bieten, beginnt aber auch die Telekom inzwischen mit der Installation von Glasfaserleitungen.

Ein Glasfaseranschluss für jedes Haus soll mehr als ausreichende Ressourcen für Telefon, Internet, Radio und Fernsehen bereitstellen – so zumindest das Ziel des FTTH Council Europe. In dem Verband haben sich mehr als 130 Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche zusammengeschlossen. Sie sehen Fibre to the Home (FTTH) und Fibre to the Basement (FTTB) als einzigen Weg zum integrativen Kommunikationsnetz der Zukunft. ZDNet sprach mit Professor Hartwig Tauber, Director General beim FTTH Council Europe, über den Stand und die Perspektiven des Glasfaserausbaus in Deutschland.

ZDNet: Zur CeBIT hatten sich Messegesellschaft, Bitkom und Politik zum Breitband-Gipfel getroffen. Dabei – oder in dessen Umfeld – waren auch einige Zusagen für den Breitbandausbau in Deutschland gemacht worden. Sind das nur Absichtserklärung oder steckt wirklich etwas dahinter?

Hartwig Tauber: Es gibt derzeit viele Ankündigungen und Pläne betreffend Breitbandausbau in Europa. Viele davon haben sich im Rückblick als reine Marketingmaßnahmen herausgestellt. Auch bei FTTH-Netzwerken kommt dies immer wieder vor, wir haben dafür sogar einen eigenen Terminus entwickelt: FTTPR – Fiber to the Press Release.

Inwiefern die Ankündigungen in Deutschland nun tatsächlich zu Ausbaumaßnahmen führen, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Wir als FTTH Council Europe würden uns natürlich wünschen, dass besonders die Pläne für den Glasfaserausbau – inklusive jener, die die Deutsche Telekom im März angekündigt hat – auch tatsächlich umgesetzt werden.

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ZDNet.de Redaktion

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