Die bisherigen Verhandlungsergebnisse des ACTA-Abkommens, die inzwischen an die Öffentlichkeit gekommen sind, lassen erkennen, dass die Teilnehmerstaaten offensichtlich bereit sind, weitreichende Eingriffe in die Bürgerrechte vorzunehmen und zudem die Provider unter Druck zu setzen. Man lässt Ihnen die Wahl, entweder ihre Nutzer auszuspionieren und bei wiederholten Verstößen gegen das Urheberrecht vom Internet zu trennen oder selbst für die Urheberrechtsverstöße zu haften. Da Letzeres von den Providern finanziell nicht getragen werden kann, bleibt Ihnen nur die erste Alternative.

Die USA und die EU haben bei einigen Details zwar unterschiedliche Vorstellungen, im Grundsatz sind die Forderungen jedoch recht ähnlich. Die EU drängt vor allem darauf, dass ACTA-Teilnehmerstaaten keine Internet-Überwachungsgesetze erlassen müssen, deren Provider freiwillig ihre Nutzer ausspionieren. Doch auch diese Formulierung des Abkommens ist in den meisten EU-Staaten nicht verfassungskonform.

Insbesondere wird das Fernmeldegeheimnis unterlaufen. Da grundsätzlich jede Kommunikation systematisch inklusive ihres Inhalts überwacht werden muss, kann man nicht mehr von einer Einschränkung sprechen, sondern nur von einer faktischen Abschaffung des Fernmeldegeheimnisses – zumindest was die Kommunikation über das Internet angeht.

Darüber hinaus wird die Informationsfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt. In vielen Lebensbereichen ist ein Internetzugang unerlässlich. Das gilt etwa für Freiberufler und Angestellte, die im Home-Office arbeiten. Auch Schulkindern ab einem gewissen Alter kommen heutzutage nicht mehr ohne einen Internetanschluss aus. Es ist geradezu unverantwortlich, auch nur in Erwägung zu ziehen, ihnen wegen drei getauschten Musikstücken den weiteren Zugang zu Bildung zu entziehen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich das europäische Parlament ähnlich wie im Fall der SWIFT-Datenweitergabe gegen das ACTA-Abkommen entscheidet. Zumindest interessiert sich das Parlament inzwischen für die Verhandlungen und will seine Beteiligung notfalls per Klage einfordern.

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ZDNet.de Redaktion

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