Justizministerin fordert von EU Aufklärung über ACTA

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat hinsichtlich des umstrittenen Anti-Piraterieabkommens ACTA rechtliche Klarheit von der EU-Kommission gefordert. „Europa-Parlamentarier stellen die Frage, ob die Kommission eine neue Rechtsetzung beabsichtigt. Diese Frage muss umfassend beantwortet werden“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der Passauer Neuen Presse. „Alle wesentlichen Kritikpunkte, die sich auf Urheberrechtsschutz und Internet konzentrieren, müssen vom Europäischen Parlament und der Kommission beantwortet werden.“


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)

Deutschland hatte die Unterzeichnung des internationalen Anti-Counterfeiting Trade Agreement Ende vergangener Woche ausgesetzt. Günter Krings, Vize-Fraktionsvorsitzender der CDU, kritisierte diesen Schrtt gegenüber der Zeitung als „Alleingang“ der Justizministerin. „Ich wünsche mir von ihr ein klares Bekenntnis zum Inhalt des Abkommens“, sagte er. „Wenn aus Deutschland das Signal ‚Wir wollen ACTA nicht!‘ kommen würde, wäre das für den Schutz geistigen Eigentums weltweit fatal.“ Leutheusser-Schnarrenbergers Vorgehen verwundere ihn, weil sie ACTA vor kurzem noch verteidigt habe.

„ACTA ist ein recht harmloses Abkommen, das im Wesentlichen Rechtsregeln der Europäischen Union auf andere Staaten überträgt“, so Krings weiter. Der Vertrag zwinge Deutschland nicht zu konkreten Maßnahmen. Eine Überwachung des gesamten Internetverkehrs im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen lehne er ab. Stattdessen sei „eine Lösung mit Augenmaß“ gefordert, mit intensiverer Kooperation zwischen Providern und Rechteinhabern.

Am Wochenende waren ACTA-Kritiker europaweit zu Tausenden auf die Straßen gegangen, um gegen das Abkommen zu demonstrieren. In Deutschland fanden am Samstag in rund 60 Städten Protestmärsche statt. Allein in München vesammelten sich nach Polizeiangaben 16.000 Demonstranten.

Während einige Teile des Abkommens, etwa zur Bekämpfung von Produktfälschungen physischer Güter, unstreitig sind, gibt es vor allem Proteste gegen die Durchführungsbestimmungen bei der Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen. Demnach sollen Internet-Provider für Urheberrechtsfälschungen ihrer Kunden verantwortlich gemacht und als Störer in Haftung genommen werden. Um dies verhindern zu können, sollen die nationalen Regierungen die ISPs mit umfangreichen Befugnissen ausstatten. Dazu gehören die Überwachung des gesamten Internetverkehrs und die technische Verhinderung von Verschlüsselungs- und Anonymisierungstechniken wie TOR.

Kritiker befürchten, dass Datenverkehr dann nur noch anhand einer Positivliste erlaubt werde, etwa für die Dienste World Wide Web und E-Mail. An direkte verschlüsselte Kommunikation zwischen zwei Nutzern, wie es etwa IPv6 erlaube, sei nicht mehr zu denken. Das Internet in seiner heutigen Form werde es nicht mehr geben können.

Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, wies die Kritik an ACTA zurück. „Was im realen Leben verboten ist – das Kopieren fremden geistigen Eigentums -, muss auch im virtuellen Leben verboten sein“, sagte er der Rheinischen Post. Es gehe um eine „grundsätzliche Weichenstellung“, wie die Urheberrechte im Netz künftig geschützt werden könnten. Alle ACTA-Kritiker, zu denen auch die Piratenpartei und die Grünen zählen, forderte er auf, Vorschläge zu machen, „wie sie das sicherstellen wollen“.

Trotz massiver Proteste hatten 22 der 27 EU-Mitgliedsstaaten ACTA am 26. Januar in Tokio unterzeichnet. Vergangene Woche setzten Polen, Tschechien, die Slowakei und Lettland die Ratifizierung aus, obwohl einige von ihnen bereits ihre Unterschrift unter das Abkommen gesetzt hatten. ACTA ermöglicht eine internationale Verfolgung von Urheberrechtsverstößen. Es wird als Handelsabkommen eingestuft, weshalb die 2007 aufgenommenen Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. Die EU ist seit 2008 beteiligt.

ZDNet.de Redaktion

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