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WhatsApp-Gründer Jan Koum steigt aus

WhatsApp-Gründer Jan Koum hat via Facebook seinen Rücktritt angekündigt. Koum hatte WhatsApp zusammen mit Brian Acton gegründet und die Firma 2014 für 19 Milliarden Dollar an Facebook verkauft. Anschließend wurde er Mitglied des Facebook-Vorstands. Brian Acton verließ bereits im Herbst 2017 Facebook.

Koum, der angeblich auch seine Position im Vorstand von Facebook verlassen wird, sagte: „Es ist fast ein Jahrzehnt her, seit Brian und ich WhatsApp gegründet haben, und es war eine erstaunliche Reise mit einigen der besten Leute. Aber es ist Zeit für mich, weiterzuziehen. … Ich nehme mir eine Auszeit, um Dinge zu tun, die ich außerhalb der Technik genieße, wie z.B. seltene luftgekühlte Porsches zu sammeln, an meinen Autos zu arbeiten und Ultimate Frisbee zu spielen. Und ich werde WhatsApp immer noch anfeuern – nur von außen. Danke an alle, die diese Reise möglich gemacht haben.“

Nach einem Bericht der Washington Post soll Koum Facebook im Streit „wegen der Strategie des beliebten Nachrichtendienstes und der Versuche von Facebook, seine persönlichen Daten zu nutzen und seine Verschlüsselung zu schwächen“ verlassen haben. Auf Anfrage wollte Facebook den Bericht nicht kommentieren.

Koums Kompagnon Brian Acton hatte die Facebook-Tochter bereits im November verlassen und hat den WhatsApp-Konkurrenten Signal mit 50 Millionen Dollar unterstützt. Nach dem Datenskandal um die britische Firma Cambridge Analytica, die privaten Informationen von 87 Millionen Facebook-Nutzern zu Marketingzwecken missbraucht hat, schloss sich Acton ehemaligen Facebook-Frührungskräften an und unterstützte die #DeleteFacebook-Kampagne. Laut der Quellen der Washington Post traf Koum seine Entscheidung, Facebook zu verlassen, aber bereits vor dem Bekanntwerden des Skandals.

WhatsApp ist mit 1,5 Milliarden Nutzern monatlich der größte Messaging-Service der Welt. Erst kürzlich wurde mit WhatsApp Business auch eine spezielle Version für Unternehmen vorgestellt. Koum und Acton standen Online-Werbung betont kritisch gegenüber. In einem WhatsApp-Blogbeitrag im Jahr 2012 schrieben sie: „Niemand wacht aufgeregt auf, um mehr Werbung zu sehen; niemand geht schlafen und denkt an die Anzeigen, die er morgen sehen wird“. Sie beschrieben Online-Werbung als „eine Störung der Ästhetik, eine Beleidigung Ihrer Intelligenz und die Unterbrechung Ihres Gedankengangs“. Trotzdem haben beide dem Verkauf an Facebook zugestimmt. „WhatsApp wird autonom bleiben und unabhängig arbeiten“, schrieben die Gründer in einem Blogpost, in dem sie die Übernahme ankündigten. „Und Sie können sich immer noch darauf verlassen, dass keine Werbung Ihre Kommunikation unterbricht.“

Inzwischen hat Facebook WhatsApp allerdings dazu gedrängt, seine Nutzungsbedingungen zu ändern, um Zugang zu den Telefonnummern und anderen Daten der WhatsApp-Benutzer zu erhalten. Diese Datenweitergabe wurde in Deutschland und anderen europäischen Ländern jedoch verboten. So hat beispielsweise das Hamburgische Oberverwaltungsgericht entschieden. Es wies Facebooks Beschwerde gegen das im April 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts zurück, das keine rechtliche Grundlage für einen Austausch von Daten zwischen WhatsApp und Facebook sah.

Auslöser des Rechtsstreit war eine Untersagungsverfügung des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit. Sie richtete sich gegen die Weitergabe von Daten von WhatsApp-Nutzern an Facebook. Das Social Network will diese Daten für eigene Geschäftszwecke, zum Zweck der Netzsicherheit und zur Optimierung von Werbung benutzen. Das Verwaltungsgericht bestritt jedoch in der ersten Instanz die Notwendigkeit des Datenaustauschs und bestätigte die Verfügung des Datenschutzbeauftragten.

Wie schon die erste Instanz ließ auch das Oberverwaltungsgericht offen, ob überhaupt deutsches Datenschutzrecht angewandt werden könne, und ob in dem Fall der Datenschutzbeauftragte gegen Facebook mit Sitz in Irland vorgehen dürfe. Unter diesen Umständen sei die Untersagung nicht offensichtlich rechtswidrig.

Das Gericht geht nämlich davon aus, dass die mit der Änderung der WhatsApp-Nutzungsbedingungen im August 2016 automatisch eingeforderte Zustimmung der WhatsApp-Nutzer „voraussichtlich nicht den deutschen Datenschutzvorschriften“ entspricht. Eine Interessenabwägung führe in dem Fall „zu einem Überwiegen der Interessen deutscher WhatsApp-Nutzer am Schutz ihrer personenbezogenen Daten“.

Strittig ist vor allem die Passage der Nutzungsbedingungen, mit der Nutzer bestätigen, dass sie WhatsApp regelmäßig ihr vollständiges Adressbuch zur Verfügung stellen – also auch Daten von nicht WhatsApp- und Facebook-Nutzern – und bestätigen, dass sie dazu autorisiert sind. In der Praxis bedeutet diese Klausel eigentlich, dass jeder Nutzer noch vor der Erstinstallation von WhatsApp die Zustimmung aller Personen in seinem Adressbuch zur Weitergabe seiner Daten an WhatsApp einholen muss. Dasselbe gilt für jeden Kontakt, den er ab dann in das Adressbuch seines Smartphones einträgt.

Auf diese rechtliche Grauzone wies zuletzt auch Thüringens Datenschützer Lutz Hasse hin. Er unterstellt sogar, dass in 99 Prozent der Fälle Anwender WhatsApp rechtswidrig nutzen, weil sie dem Anbieter erlauben, auf sämtliche Kontakte zuzugreifen.

Den Datenaustausch zwischen WhatsApp und Facebook sieht aber nicht nur das Land Hamburg kritisch. Frankreich untersagte die Weitergabe Ende 2017 ebenfalls mit dem Hinweis, WhatsApp habe nicht die Zustimmung seiner Nutzer zum Datenabgleich eingeholt. Es habe lediglich seine Richtlinie geändert, der aber nur neue Nutzer zustimmen müssten – oder solche, die die App neu installieren. Zudem hätten Nutzer nur eine Möglichkeit, dem Datenaustausch zu entgehen. Sie müssten die App deinstallieren.

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Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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