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US-Kartelluntersuchung: Google entging nur knapp einer Strafe

Mitarbeiter der US-Handelsbehörde Federal Trade Commission waren einem Bericht des Wall Street Journal zufolge 2012 zu dem Schluss gekommen, dass Google wettbewerbsfeindliche Geschäftspraktiken benutzt und seine Marktmacht missbraucht hat, um seinen Konkurrenten zu schaden. Das für Wettbewerbsfragen zuständige Büro der Behörde empfahl demnach, eine Klage gegen den Internetkonzern einzureichen. Es wäre die bedeutendste Kartellklage in den USA seit der Klage des US-Justizministeriums gegen Microsoft gewesen.

Der 160-seitige Bericht sollte laut WSJ eigentlich unter Verschluss bleiben. Er sei aber versehentlich mit anderen Unterlagen veröffentlicht worden. Googles „Verhalten hat und wird weiterhin dazu führen, dass Verbraucher und Innovationen in den Märkten für Online-Suche und –Werbung Schaden zugefügt wird“, sei das Fazit der Untersuchung.

Es steht in direktem Widerspruch zu dem einstimmigen Urteil, das die FTC-Kommissare gefällt haben. Sie stellten Anfang 2013 ihre Ermittlungen ein, nachdem Google freiwillig geringfügigen Änderungen seiner Geschäftspraktiken zugestimmt hatte. Konkurrenten des Unternehmens können seitdem beispielsweise verlangen, dass die Google-Suche ihre Inhalte nicht mehr anzeigt. Online-Werbefirmen versprach Google zudem mehr Flexibilität bei der Verwaltung ihrer Anzeigenkampagnen, um die Zusammenarbeit mit konkurrierenden Werbeplattformen zu verbessern. Den Freispruch hatte der damalige Chairman Jon Leibowitz damit begründet, dass Googles freiwillige Maßnahmen schneller umgesetzt werden könnten als alle anderen Optionen.

Googles Chefjustiziar Kent Walker verteidigte laut WSJ in einer gestern veröffentlichten Stellungnahme das offizielle FTC-Urteil. Die Handelsbehörde habe schließlich eingesehen, dass sie in Bezug auf das Ranking von Suchergebnissen keine Maßnahmen ergreifen müsse. „Spekulationen über mögliche Nachteile für Verbraucher haben sich als vollkommen falsch erwiesen. Seitdem die Ermittlungen vor zwei Jahren eingestellt wurden, haben sich die Möglichkeiten der Nutzer auf Online-Informationen zuzugreifen, nur verbessert, was ihnen eine größere Auswahl gibt als je zuvor.“

Dass sich die Kommission nicht den Empfehlungen ihrer Mitarbeiter anschließt, ist dem Bericht des WSJ zufolge eher ungewöhnlich. Im Fall von Google habe es aber noch einen weiteren Untersuchungsbericht der Wirtschaftsabteilung der FTC gegeben, der sich nicht für rechtliche Schritte ausgesprochen habe.

Die neue EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte im Dezember 2014 angekündigt, das Kartellverfahren gegen Google neu aufzurollen. “Ich bin darauf gestoßen, dass die Informationen in diesem Fall einer Aktualisierung bedürfen”, sagte sie in einer Pressekonferenz. “Deshalb haben wir Fragenkataloge an Adressaten in verschiedenen Bereichen wie Karten und Reisen geschickt, um frischere Informationen zu bekommen. Es ist schon eine Weile her, als das zuletzt gemacht wurde.” Um den Fall nach wirklich aktuellem Stand zu bearbeiten, brauche es “neue Informationen in der Akte”.

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Stefan Beiersmann

Stefan unterstützt seit 2006 als Freier Mitarbeiter die ZDNet-Redaktion. Wenn andere noch schlafen, sichtet er bereits die Nachrichtenlage, sodass die ersten News des Tages meistens von ihm stammen.

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