Der frühere NSA-Mitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden hat weitere Details zur Abhörpraxis des US-Geheimdienstes verraten. In einem Live-Chat beantwortete er Fragen von Lesern des britischen Guardian, der seine Enthüllungen über das Überwachungsprogramm PRISM veröffentlicht hatte. Snowden führte dabei aus, dass in den USA auch inländische Telefongespräche abgehört und E-Mails mitgelesen werden – ohne gerichtliche Anordnung und auf alleinige Veranlassung eines NSA-Analysten.
Snowden zufolge benutzt der eigentlich nur für Auslandsspionage zuständige Geheimdienst „inländisch“ bewusst als schwammigen Begriff. Dank des FISA Amendments Act (FAA) und seiner Ermächtigungen im Abschnitt 702 werde tatsächlich auch die „Kommunikation amerikanischer Bürger täglich gesammelt und betrachtet aufgrund der Entscheidung eines Analysten anstelle einer gerichtlichen Anordnung.“ Die NSA entschuldige das als „beiläufige“ und nicht absichtliche Datensammlung, aber es führe in jedem Fall dazu, dass die Kommunikationsinhalte dem Geheimdienst vorliegen.
Ob sich das nur auf einen Datensatz oder den tatsächlichen Inhalt beziehe, wollte Guardian-Mitarbeiter Glenn Greenwald präzisiert wissen. „Beides“, antwortete der PRISM-Enthüller. „Wenn ich beispielsweise eine E-Mail-Adresse als Ziel vorgebe, etwa unter FAA 702, und diese E-Mail-Adresse schickt etwas an dich, Joe America, dann bekommt das der Analyst. Alles davon. IPs, Rohdaten, Inhalt, Kopfzeilen, Anhänge, alles. Und es wird für eine sehr lange Zeit gespeichert – und das kann erweitert werden durch Erlasse anstelle gerichtlicher Anordnungen.“
Ganz ähnlich hatte es zuvor in Bezug auf abgehörte Telefongespräche der demokratische US-Abgeordnete Jerrold Nadler berichtet – die NSA habe das bei einer geheimen Unterrichtung von Kongressmitgliedern selbst eingeräumt. Schon einige Tage später allerdings ließ Nadler durch seinen Sprecher erklären: „Ich freue mich, dass die Regierung wiederholt hat, dass die NSA ohne einen speziellen Gerichtsbeschluss die Inhalte der Telefonate von Amerikanern nicht mithören kann.“
James Clapper, Nationaler Geheimdienstdirektor der Vereinigten Staaten, reagierte auf die Enthüllungen inzwischen mit einer sorgfältig formulierten Erklärung: „Die Aussage, dass ein einzelner Analyst inländische Kommunikation ohne einwandfreie rechtmäßige Genehmigung abhören kann, ist unzutreffend und wurde auch nicht gegenüber dem Kongress getroffen.“
Der Begriff der „rechtlichen Genehmigung“ bezieht sich aber offenbar nicht auf eine herkömmliche gerichtliche Anordnung, die „hinreichenden Verdacht“ voraussetzt und damit die Privatsphäre unbeteiligter Bürger schützt. Kurt Opsahl, Anwalt der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF), hält die Erklärung des obersten Geheimdienstschefs daher für zweifelhaft. „Der Nationale Geheimdienstdirektor hat schon immer mit Worten gespielt und Begriffe mit sorgfältig verschleierter Bedeutung benutzt, um einen von der Wahrheit abweichenden Eindruck zu vermitteln“, sagte Opsahl. „Die Wortwahl führt hier zu mehr Fragen, als sie beantwortet.“
[mit Material von Declan McCullagh, News.com]
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