Videoüberwachung in Bibliotheksräumen ist zulässig

Die Kommunalwissenschaftliche Bibliothek der Universität Münster verfügt über zwei Räume, die von der Bibliotheksmitarbeiterin am Eingang nicht eingesehen werden können. Aufgrund zahlreicher Diebstähle und Beschädigungen installierte die Universität vier Videokameras. Deren Aufnahmen wurden im Wechsel auf einen Monitor bei der Bibliotheksmitarbeiterin übertragen. Auf die Videoüberwachung wurde hingewiesen.

Außerdem speicherte die Bibliothek sämtliche Aufnahmen bis zu einem bestimmten Volumen für eine eventuell notwendige Beweissicherung. Nach Erreichen eines gewissen Speichervolumens wurden ältere jeweils mit neueren Aufnahmen überspielt. Seit Einführung der Videokameras waren keine Diebstähle oder Beschädigungen mehr zu vermelden, so dass auf das gespeicherte Material nicht zurückgegriffen werden musste.

Gegen die Videoüberwachung der Bibliothek haben zwei Studenten geklagt, da sie sich in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sahen. Ihre Klage hatte teilweise Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Münster differenzierte jedoch zwischen der Videoüberwachung und der Übertragung auf den Monitor einerseits sowie der Speicherung der Aufnahmen andererseits (Aktenzeichen 16 A 3375/07).

Die reine Überwachung der Räume durch Videokameras sei durch das Hausrecht der Universität gedeckt und damit zulässig. Zwar sei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Kläger durch die Aufnahmen betroffen, das öffentliche Interesse überwiege jedoch. Die Überwachung sei geeignet und erforderlich, um Straftaten zu vermeiden und den Bestand der Bibliothek und damit die Qualität der Juristenausbildung zu sichern.

Das zeige sich daran, dass seit Einführung der Videoüberwachung keine Diebstähle und Beschädigungen mehr aufgetreten seien. Ein milderes Mittel stehe nicht zur Verfügung. Akustische Sicherungssysteme beispielsweise zeigten lediglich die Mitnahme von Büchern aus der Bibliothek an. Ob Bücher innerhalb der Bibliothek beschädigt würden, ließe sich durch sie nicht feststellen.

Schließlich sei die Videoüberwachung verhältnismäßig, denn die Kläger seien nicht stärker beeinträchtigt, als wenn in den Bibliotheksräumen eine Person Aufsicht führen würde. Der Unterschied bestehe lediglich darin, dass die Kläger bei der Überwachung durch vier Kameras im Wechsel nicht ständig wüssten, ob sie gerade beobachtet werden oder nicht.

Die permanente Speicherung der Aufnahmen ohne konkreten Anlass untersagte das Gericht jedoch. Durch die Speicherung seien personenbezogene Daten in hohem Maße betroffen. Unverzichtbar zur Verfolgung und Beweissicherung eventueller Vergehen in der Bibliothek sei nur eine anlassbezogene Speicherung. Daher dürfe erst gespeichert werden, wenn die Bibliotheksmitarbeiterin am Monitor den konkreten Verdacht einer gerade bevorstehenden oder stattfindenden Straftat habe.

Die Abschreckungswirkung sei bereits durch die reine Videoüberwachung gegeben. Es sei davon auszugehen, dass sich angehende Juristen bereits durch die Möglichkeit, dass sie am Monitor bei der Begehung von Straftaten beobachtet werden könnten, von Diebstählen und Buchbeschädigungen abhalten ließen. Eine generelle Speicherung der Daten sei nicht erforderlich.

Die Kanzlei Dr. Bahr kommentiert für ZDNet aktuelle Urteile aus dem IT-Bereich. Sie ist auf den Bereich des Rechts der Neuen Medien und den Gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Unter www.Law-Podcasting.de betreibt sie einen eigenen wöchentlichen Podcast und unter www.Law-Vodcast.de einen monatlichen Video-Podcast.

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

Adobe schließt neun kritische Lücken in Reader und Acrobat

Das jüngste Update bringt insgesamt zwölf Fixes. Schadcode lässt sich unter Umständen ohne Interaktion mit…

4 Stunden ago

Fabrikautomatisierung: Siemens integriert SPS-Ebene

Eine softwarebasierte Workstation soll es Ingenieuren erlauben, sämtliche Steuerungen zentral zu verwalten. Pilotkunde ist Ford.

5 Stunden ago

Ebury-Botnet infiziert 400.000 Linux-Server weltweit

Kryptodiebstahl und finanzieller Gewinn sind laut ESET-Forschungsbericht die vorrangigen neuen Ziele.

17 Stunden ago

Sicherheitslücken in Überwachungskameras und Video-Babyphones

Schwachstellen aus der ThroughTek Kaylay-IoT-Plattform. Dringend Update-Status der IoT-Geräte prüfen.

17 Stunden ago

AWS investiert Milliarden in Cloud-Standort Brandenburg

Fast acht Milliarden Euro fließen in die deutsche Region der AWS European Sovereign Cloud. Das…

20 Stunden ago

Hochsichere Software für Electronic Knee Boards der Bundeswehrpiloten

Im Rahmen der umfassenden Digitalisierung der Bundeswehr ersetzen Electronic Knee Boards die herkömmlichen Handbücher von…

23 Stunden ago