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EU fordert stärkere Regulierung von Internet-Plattformen- Google droht Milliardenstrafe

Der für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger hat sich in einer Rede auf der Hannover Messe für eine stärkere Regulierung von Internetfirmen ausgesprochen. Wie das Wall Street Journal berichtet, will er erreichen, dass eine neue Generation europäischer Anbieter die dominierenden US-Akteure überholen kann.

Derzeit seien die Online-Unternehmen in Europa von „wenigen nicht EU-Akteuren weltweit abhängig“, da Europa bei der Entwicklung eigener Online-Plattformen „viele Gelegenheiten verpasst hat“. „Das darf künftig nicht mehr passieren“, sagte Oettinger. „Die ‚Datenwirtschaft‘ sollte nicht in abgeschlossen Umgebungen und Plattformen entwickeln.“

Es sei notwendig, die heutigen „Web-Suchmaschinen, Betriebssysteme und Sozialen Netzwerke“ zu ersetzen, so Oettinger weiter. Allerdings nannte er laut WSJ keinerlei Namen. EU-Politiker bezögen sich jedoch häufig auf Firmen wie Apple, Amazon, Facebook und Google, wenn sie von der Vormachtstellung einzelner großer Internetfirmen sprächen.

Das Wall Street Journal will zudem erfahren haben, dass sich EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Kartellverfahren gegen Google auf die formellen Beschwerdepunkte geeinigt hat. Demnach soll Vestager noch heute die anderen EU-Kommissare über die Vereinbarung informieren.

Den Quellen des WSJ zufolge wirft Vestager Google einen Missbrauch seiner dominanten Suchmaschine vor. Es soll seine eigenen vertikalen Suchdienste etwa für Reisen und Shopping besser platzieren als rivalisierende Angebote. Darüber hatten sich unter anderem Microsoft, TripAdvisor und Yelp beschwert.

Google sieht sich indes für eine Auseinandersetzung mit der EU gut gerüstet. In einem internen Rundschreiben, das Recode vorliegt, warnte Google seine Mitarbeiter, die EU werde heute wahrscheinlich ein formelles Verfahren einleiten. Google rechnet demnach aber auch mit einer formellen Untersuchung zu seinem Mobilbetriebssystem Android.

Die Google-Suche spare Verbrauchern Zeit und liefere schneller und direkter Ergebnisse zu Suchanfragen, argumentierte Google gegenüber seinen Mitarbeitern. Entgegen den Vorwürfen der EU „blühe“ der Wettbewerb im Internet. Google drohe Konkurrenz beispielsweise von anderen Suchangeboten wie Apples Siri und Microsofts Cortana sowie spezialisierten Anbietern wie Amazon, Expedia und Ebay.

Verbraucher profitieren auch von mobilen Apps, die ihnen einen direkten Zugang zu Informationen gewährten, und zwar unter Umgehung von Googles Suchmaschine, so der Internetkonzern weiter. Sieben von acht Online-Minuten auf mobilen Geräten entfielen auf Apps. Yelp selbst habe erklärt, dass es 40 Prozent seines Traffics von seiner eigenen mobilen App erhalte.

Kartellverstöße kann die EU-Kommission mit einer Geldstrafe in Höhe von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes ahnden. Das würde im Fall von Google einem Betrag von bis zu 6,6 Milliarden Dollar entsprechen. Je nach Schwere der Vergehen kann die Strafe aber auch geringer ausfallen. Intel musste 2009 beispielsweise 4 Prozent seines Umsatzes zahlen. Die EU kann aber auch jederzeit noch einen Vergleich aushandeln und keine finanziellen Sanktionen verhängen.

Vestager hatte sich allerdings Anfang des Monats ablehnend über Absprachen geäußert. Der Financial Times sagte sie: “Es ist wichtig, dass Absprachen nicht zur Gewohnheit werden.” Sie seien zwar einfacher für alle Beteiligten, es gebe aber Präzedenzfälle, in den nur Richter und Gerichte entscheiden könnten.

Stefan Beiersmann

Stefan unterstützt seit 2006 als Freier Mitarbeiter die ZDNet-Redaktion. Wenn andere noch schlafen, sichtet er bereits die Nachrichtenlage, sodass die ersten News des Tages meistens von ihm stammen.

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