Amazon: Schneefall schlimmer als Streiks

Amazon gibt sich unbeeindruckt von Streiks in seinen deutschen Logistikzentren. Gegenüber Reuters erklärte Deutschland-Chef Ralf Kleber, winterliches Wetter – Glatteis in den Kasseler Bergen und Schnee – sei das größere Problem für das Weihnachtsgeschäft und verschaffe ihm Sorgenfalten.

„Wir sprechen über eine Minderheit, die an den von der Gewerkschaft organisierten Aktionen teilnimmt“, sagte Kleber. Amazon sei ein fairer Arbeitgeber, dem viele Mitarbeiter schon seit über 14 Jahren die Treue hielten. „Die Mehrheit der Arbeiter würde sagen, es ist ein guter und ordentlich bezahlter Job.“

In seinen neun deutschen Logistikzentren beschäftigt der Onlinehändler etwa 9000 Mitarbeiter und zusätzlich 14.000 Saisonarbeiter. Die Gewerkschaft Verdi berichtet von insgesamt rund 1000 Mitarbeitern, die in Bad Hersfeld und Leipzig die Arbeit niederlegten. Amazon lehnte jedoch Tarifgespräche ab, da Verdi „nicht Teil unserer Beziehung“ sei. Gewerkschaftssprecher Schneider warf Amazon Arroganz vor.

Verdi fordert eine Bezahlung, wie sie im Einzel- und Versandhandel üblich ist. Amazon sträubt sich gegen eine solche Tarifbindung und zieht es vor, sich an der geringeren Bezahlung in der Logistikbranche zu orientieren. „Wir sind eine Logistikfirma“, sagte Kleber. „Lastwagen fahren vor, werden abgeladen. Waren werden sortiert, verpackt und wieder auf Lastwagen geladen.“

Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender der Otto Group – hinter Amazon zweitgrößtes Unternehmen im Internethandel – schien indirekt Amazon zu kritisieren, als er bei einem Einzelhändlerkongress in Berlin von Wettbewerbern sprach, die das Ansehen des E-Commerce durch schlechte Arbeitsbedingungen schädigen. „Diese schwarzen Schafe versuchen an den Futtertrog zu kommen und verschaffen sich kurzfristige Vorteile durch ihr Sozialdumping“, sagte er. „Wir brauchen einen Konsens darüber, dass Mindeststandards erhalten bleiben.“

Mit der kürzlichen Ankündigung, neue Logistikzentren gleich hinter der polnischen Grenze zu bauen, sorgte Amazon für Spekulationen, in noch strukturschwächere Regionen mit noch niedrigeren Löhnen umsiedeln zu wollen. Das Unternehmen erklärte jedoch, auch die Zahl der deutschen Logistikzentren weiter erhöhen zu wollen. Laut Kleber erwägt es darüber hinaus, sein Sortiment auf frische Lebensmittel zu erweitern, was den Aufbau eines eigenen Versandnetzes in Konkurrenz zu DHL und anderen Zustelldiensten erfordern könnte.

Eine Voraussetzung für den breiten Einstieg in den Lebensmittelhandel könnte auch eine weiter automatisierte Logistik sein. Im letzten Jahr kaufte der Onlinehändler Kiva Systems, das Lagerhaltung und Versandbearbeitung mit Robotern automatisiert. Nach der Übernahme fuhr Amazon die Produktion vor allem für den eigenen Bedarf an Robotern hoch – und leitete damit eine neue Automatisierungswelle in seinen Lagern ein, bei der zunehmend Menschen durch Roboter ersetzt werden.

[mit Material von Dara Kerr, News.com]

ZDNet.de Redaktion

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