ICANN übernimmt Datenbank für Internet-Zeit

Die Internet-Verwaltung ICANN hat die Kontrolle über die „tz database“ übernommen, die Auskunft über den aktuellen Stand aller Zeitzonen gibt. Diese ändern sich in vielen Regionen häufig, und ohne eine solche Datenbank entstünden über das Internet hinaus auch im Alltag wesentliche Probleme. Die Übernahme wurde nach einer Copyright-Klage durch ein Softwareunternehmen erforderlich.

Die Datenbank, nach ihrem Gründer Arthur David Olson auch als Olson-Datenbank bezeichnet, war über Jahrzehnte von freiwilligen Helfern gepflegt worden. Sie betrieben einen FTP-Server, der unter anderem als offizielle Referenz für alle Linux- und Unix-Systeme diente, die damit die Zeit von Universal Time auf die jeweilige Lokalzeit umstellten. Auch Java-Anwendungen, zahlreiche Websites und vermutlich die meisten Mobil-Betriebssysteme waren davon abhängig. Letztlich nutzte sie fast jeder Internetnutzer mehr oder weniger – ausgenommen Windows-Anwender, da Microsoft auf eine eigene Zeitverwaltung setzt.

Das Aus für die Freiwilligen kam durch eine absurd anmutende Klage von Astrolabe, also ausgerechnet von einem Anbieter von Astrologie-Software. Er verklagte Olson mit der Begründung, er habe auch historische Daten aus seinem Programm „ACS Atlas“ eingesetzt und damit sein Copyright verletzt. Obwohl solche Ansprüche für Datensammlungen mehr als umstritten sind, musste der freiwillige Betreiber aufgeben. Da er nicht die Mittel für ein kostspieliges Verfahren aufbringen konnte, stellte er den Betrieb des FTP-Servers ein.

Die Internet Engineering Task Force (IETF) bat dann die ICANN, die Datenbank zu übernehmen. „Die Zeitzonen-Datenbank wird von einer großen Anzahl kommerzieller Betriebssysteme und Softwareanwendungen benutzt“, erklärte IETF-Chairman Russ Housely. „Falsche Zeitzonen-Informationen wirken sich auf alltägliche Aktivitäten einschließlich Versammlungen und Konferenzgesprächen, Flug- und Bahnfahrplänen, Paketlieferungen und astronomischen Beobachtungen aus.“ Die ICANN sah sich zum Handeln gezwungen: „Die Zeitzonen-Datenbank stellt einen wesentlichen Dienst für das Internet bereit. Ihn funktionsfähig zu halten, gehört daher mit zu ICANNs Auftrag, für ein robustes und verlässliches Internet zu sorgen.“

Warum die Zeitzonen eine so große Rolle spielen, erklärt Java-Entwickler Stephen Colebourne in einem Blogeintrag: „Sie glauben vielleicht, dass sich Zeitzonen nicht ändern? Das mag für Amerika und die EU derzeit zutreffen, aber sicher nicht für den Rest der Welt. Regierungen ändern ständig ihre Zeitzonen, und die Entscheidungen haben oft ausgesprochen politische Gründe. Ich schätze, dass weltweit zwischen 20 und 100 verschiedene Änderungen jährlich anfallen. Und sie können sehr kurzfristig kommen, ausgelöst zum Beispiel durch Erdbeben.“

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

Gefahren im Foxit PDF-Reader

Check Point warnt vor offener Schwachstelle, die derzeit von Hackern für Phishing ausgenutzt wird.

1 Tag ago

Bitdefender entdeckt Sicherheitslücken in Überwachungskameras

Video-Babyphones sind ebenfalls betroffen. Cyberkriminelle nehmen vermehrt IoT-Hardware ins Visier.

1 Tag ago

Top-Malware in Deutschland: CloudEye zurück an der Spitze

Der Downloader hat hierzulande im April einen Anteil von 18,58 Prozent. Im Bereich Ransomware ist…

1 Tag ago

Podcast: „Die Zero Trust-Architektur ist gekommen, um zu bleiben“

Unternehmen greifen von überall aus auf die Cloud und Applikationen zu. Dementsprechend reicht das Burg-Prinzip…

2 Tagen ago

Google schließt weitere Zero-Day-Lücke in Chrome

Hacker nutzen eine jetzt gepatchte Schwachstelle im Google-Browser bereits aktiv aus. Die neue Chrome-Version stopft…

2 Tagen ago

Hacker greifen Zero-Day-Lücke in Windows mit Banking-Trojaner QakBot an

Microsoft bietet seit Anfang der Woche einen Patch für die Lücke. Kaspersky-Forscher gehen davon aus,…

2 Tagen ago