AK Vorrat zeigt Telko-Unternehmen wegen illegaler Datensammlung an

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) hat bei der Bundesnetzagentur Anzeige (PDF) wegen „ordnungswidriger Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten“ gegen sechs deutsche Telekommunikationsanbieter erstattet. Er wirft BT Germany, Deutsche Telekom, E-Plus, M-net, Telefónica Germany und Vodafone vor, illegal unter anderem eingehende Telefonverbindungen und den Aufenthaltsort von Handynutzern bis zu sechs Monate zu speichern. Die Aufsichtsbehörde soll gegen die beschuldigten Unternehmen Geldbußen von bis zu 300.000 Euro verhängen.

Nach Paragraf 97 des Telekommunikationsgesetzes haben Anbieter „für die Abrechnung nicht erforderliche Daten […] unverzüglich zu löschen“, erklärt der AK Vorrat. Die Unternehmen protokollierten jedoch „unter Verstoß gegen das Gesetz“ bis zu sechs Monate lang, von wem man angerufen werde, obwohl die Anrufannahme in aller Regel nicht kostenpflichtig sei. BT und M-net sichern Daten zu eingehenden Anrufen nach Angaben der Datenschützer 180 Tage lang, Vodafone/Arcor 92 Tage, E-Plus 90 Tage, T-Mobile und Telefónica O2 30 Tage sowie Vodafone D2 7 Tage. Die Deutsche Telekom verzichte im Festnetz auf eine Speicherung eingehender Verbindungen.

Zudem zeichnen die Mobilfunk-Provider laut AK Vorrat bis zu sechs Monate lang auf, in welcher Funkzelle in Deutschland welcher Nutzer mit seinem Handy angerufen hat, angerufen wurde sowie SMS versandt oder empfangen hat (Telefónica O2: 7 bis 182 Tage, E-Plus: 90 Tage, T-Mobile: 30 Tage, Vodafone D2: 7 bis 30 Tage). Auch welches Mobiltelefon man nutze, werde anhand der IMEI-Nummer „verbreitet rechtswidrig gespeichert“.

Anfang September war ein internes Dokument der Generalstaatsanwaltschaft München an die Öffentlichkeit gelangt, aus dem die Sammelpraxis der Telekommunikationsunternehmen hervorgeht. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar diskutiert die Rechtsverstöße heute auf einem „Jour Fixe Telekommunikation“.

Der AK Vorrat rät Kunden, zu einem Telefon-, Mobilfunk- oder Internetanbieter zu wechsen, der möglichst wenig Daten aufzeichnet. Auf seiner Website findet sich eine Übersicht über die Speicherdauer bei 25 Anbietern. Außerdem empfehlen die Datenschützer, dass man von seinen Telekommunikationsanbietern schriftlich eine sofortige Verbindungsdatenlöschung mit Verbindungsende oder mit Rechnungsversand verlangen sollte.

Das Bundesverfassungsgericht hatte das umstrittene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung Anfang März 2010 für verfassungswidrig erklärt. Es verstoße gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes und damit gegen das Fernmeldegeheimnis. Alle gespeicherten Daten seien daher „unverzüglich zu löschen“.

Das Gericht hat aber nicht grundsätzlich die Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten für verfassungswidrig erklärt, sodass das Gesetz nicht vollständig abgeschafft werden muss. Stattdessen braucht die Bundesregierung nur die Passagen zu überarbeiten, die nach Ansicht der Richter gegen das Grundgesetz verstoßen. Bis dies geschehen ist, sind die betroffenen Paragrafen nicht mehr rechtsgültig.

Anfang Juni hatte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einen Gesetzentwurf vorgelegt – und damit erstmals eine verdachtsunabhängige Speicherung von Kommunikationsdaten akzeptiert. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass IP-Adressen ohne Anlass sieben Tage lang automatisch gespeichert werden. Auf diese Daten hätten dann Polizei und Staatsanwaltschaft Zugriff. Ende Juni 2011 leitete die EU dennoch ein Verfahren gegen Deutschland ein, weil die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung bisher nicht umgesetzt ist. Diese verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten dazu, Telefon- und Internetdaten sechs Monate lang anlasslos zu speichern.

ZDNet.de Redaktion

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