Interview mit Fachanwalt: Konsequenzen aus dem WLAN-Urteil

ZDNet: Wann und wie hat der WLAN-Betreiber das Netz abzusichern?

Solmecke: Das ist ein besonders interessanter Aspekt des Urteils: Der BGH hat eine Absicherung des Internetanschlusses nur einmalig bei Einrichtung des Netzes verlangt. Ändert sich im Laufe der Zeit die Verschlüsselungstechnik, ist ein weiteres Nachrüsten nicht erforderlich. Unklar ist noch, ob bei der Erstinstallation immer der sicherste Verschlüsselungsstandard gewählt werden muss.

Derzeit gibt es zum Beispiel den sehr sicheren WPA2-Standard und die eher unsichere WEP-Verschlüsselung. Aus unserer Sicht kann es dem Verbraucher nicht zugemutet werden, sich über die verschiedenen Mechanismen vorab informieren zu müssen. Bietet also ein Router beide Verschlüsselungsmöglichkeiten an, kann der Verbraucher eine davon auswählen. Insbesondere ist es technisch sogar so, dass manche Geräte, zum Beispiel Drucker, nur mit der nicht ganz so sicheren Verschlüsselungsart funktionieren.

ZDNet: Was müssen private WLAN-Besitzer jetzt in jedem Fall tun?

Solmecke: Wer jetzt noch ein Altgerät hat, sollte sich zwingend vergewissern, dass die dort vorhandene Verschlüsselung eingeschaltet ist. Darüber hinaus muss auch dringend das Standardpasswort geändert werden. Der BGH hat nämlich deutlich gemacht, dass das aus der Bedienungsanleitung ohnehin ersichtliche Passwort nicht ausreichend sicher ist. Die Richter weisen sogar darauf hin, dass das Passwort ausreichend lang und ausreichend sicher sein muss. Passwörter aus drei Buchstaben dürften diesen Anforderungen nicht gerecht werden.

ZDNet: Im Mittelpunkt des Urteils des Bundesgerichtshofes steht die Haftung von WLAN-Betreibern. Sie weisen aber auf einen anderen, wichtigen Punkt hin, den das Gericht quasi nebenbei noch erledigt hat.

Solmecke: Ja. Vollkommen unerwartet hat der Bundesgerichtshof in seinem aktuellen Urteil auch zur so genannten 100-Euro-Deckelung Stellung bezogen. Danach sollen bei geringfügigen Urheberrechtsverletzungen die Anwaltskosten für die erste Abmahnung auf 100 Euro heruntergeschraubt werden.

ZDNet: Was war diesbezüglich bisher der Stand der Rechtsprechung?

Solmecke: Die Gerichte vertreten derzeit mit unterschiedlicher Begründung überwiegend die Auffassung, dass eine solche Deckelung bei Tauschbörsenfällen nicht gegeben ist. Insbesondere wurde bislang argumentiert, dass beim Tausch eines aktuellen Liedes niemals Geringfügigkeit angenommen werden kann. Dieser gängigen Rechtsprechung hat der BGH heute einen klaren Riegel vorgeschoben. In dem verhandelten Fall ging es gerade um ein Lied, welches im Jahr 2006 sehr aktuell war, nämlich den Song „Sommer unseres Lebens“ von Sebastian Hämer.

ZDNet: Der BGH fährt damit also einen weniger strengen Kurs als einige Gerichte bisher?

Solmecke: So könnte man sagen. Einige Gerichte haben bislang die Auffassung vertreten, dass der Handel von Musik im Internet immer gewerblich sein müsse, da der Nutzer den privaten Bereich verlasse. Auch diese Rechtsprechung wird nach dem heutigen Urteil nicht weiter aufrecht erhalten werden können. Im konkret verhandelten Fall greift die 100-Euro-Deckelung zwar noch nicht, weil sich eine entsprechende Norm im Jahr 2006 noch nicht im deutschen Urheberrechtsgesetz befand. Relevant ist dies jedoch für alle Fälle nach Inkrafttreten des Paragraf 97a des Urheberrechtsgesetzes am 1. September 2008.

ZDNet: Für die Rechteinhaber wird es nun wohl schwieriger, Schadenersatzforderungen geltend zu machen.

Solmecke: Wichtig für alle von Abmahnungen Betroffenen ist an der Entscheidung auch, dass der BGH eine Haftung bezüglich des Schadensersatzes ausgeschlossen hat. Nur der eigentliche Täter muss der Musikindustrie den Schaden ersetzen, der durch den Tausch von Musik entstanden ist. Wie hoch dieser Schaden genau ist, ist ohnehin sehr umstritten. Im konkreten Fall wurden für einen Song 150 Euro verlangt.

ZDNet: Ihr Fazit zu der Entscheidung?

Solmecke: Letztlich hat der Bundesgerichtshof eine sehr ausgewogene Entscheidung getroffen, die den widerstreitenden Interessen der beteiligten Parteien gerecht wird. Die unteren Instanzgerichte werden ihre Rechtsprechung – insbesondere bezüglich der Deckelung der Anwaltsgebühren und der Zahlung von Schadensersatzansprüchen – erheblich anpassen müssen.

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ZDNet.de Redaktion

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