Jetzt geht IBM Microsoft ans Leder

Was ist bloß los mit IBM, mag sich so mancher fragen? Seit ein paar Monaten tritt der Konzern in ziemlich jedem Segment, in dem er aktiv ist, den bedeutenderen Marktbegleitern der Reihe nach gegen das Schienbein. Jetzt ist gerade Microsoft dran. Aber die anderen sollten sich nicht zu früh freuen.

Angefangen hat alles eigentlich ganz harmlos: Linux sei doch eine schöne Sache für Großrechner, hieß es bei IBM vor rund zehn Jahren. Es gab dann auch ein paar Angebote. Aber das wirkte eher so, als ob ein durch und durch fußballbegeisterter Junge zu Weihnachten einen Kasten mit Fischer-Technik geschenkt bekommt: So lange das Wetter schlecht ist, spielt er eben ein bißchen damit. Danach verstaubt er aber in der Ecke.

Wer so dachte, hat sich getäuscht. IBMs Linux-Chefin Inna Kuznetsova hat es im Interview mit ZDNet vor einem Jahr schon angedeutet, als sie Linux am Wendepunkt stehen sah. Sie hatte wohl weitgehend recht. Ein Beispiel: Kürzlich berichtete Kuznetsova Analysten gegenüber von einem wahren Zustrom von früheren Solaris-Nutzern. Die Zahl der Neukunden habe sich innerhalb eines Quartals verdoppelt. Insgesamt hat IBM in drei Jahren 1800 Firmenkunden von Mitbewerbern gewonnen. Die Hälfte davon nutzt Linux. Das klingt dann schon nicht mehr nach Fischer-Technik.

Nächstes Schlachtfeld: Vor einem Jahr hat IBM zusammen mit Red Hat eine Live-DVD mit Microsoft-freiem Desktop veröffentlicht. Viel Aufmerksamkeit außerhalb der Antarktis – wo bekanntlich die Pinguine wohnen – hat das nicht hervorgerufen.

Weitere Open-Source-Initiativen von IBM

Daran schlossen sich weitere Initiativen für Open Source und eine offene IT an, etwa das „Project Liberate“ oder das Propagieren neuer Wege in der Anwendungsentwicklung. Aber IBM-Deutschland-Chef Martin Jetter wiegelte gegenüber ZDNet zunächst ab. Nein, nein, das Engagement für mehr Offenheit sei keine Kampagne gegen Microsoft. „Es geht vielmehr darum, die Möglichkeiten zu zeigen, die man mit offenen Systemen hat.“

Das tat IBM auch auf der CeBIT: Das winzige Präsentationsterminal auf dem riesigen IBM-Stand, auf dem der Microsoft-freie Desktop und Lotus Symphony gezeigt wurden, war zwar schwer zu finden, aber ständig umlagert. Und auch Lotus erfreute sich seit einiger Zeit ungewohnten Interesses. Aber offenbar hatte der Konzern ein Glaubwürdigkeitsproblem: Würden Sie jemandem etwas abkaufen, der in Powerpoint-Präsentationen die Vorteile von Linux hervorhebt?

Auf Vollgas umgeschaltet

Also hat IBM jetzt von Standgas auf Vollgas umgeschaltet. Mit dem Office-Verbot für 360.000 Mitarbeiter ist die Katze aus dem Sack. Die Aktion ist eine klare Kampfansage an Microsoft. Und mit den vorgestellten Werkzeugen von LotusLive geht es – zumindest in den IBM-Plänen – bald auch Microsofts Produkten für Kollaboration an den Kragen.

Aber IBM hat nicht nur Microsoft im Visier. Andere sollten sich auch schon einmal warm anziehen. Cisco zum Beispiel. Dessen Einstieg in den Server-Markt fand IBM offenbar nicht so lustig und verbündete sich flugs mit Brocade. Bis daraus noch etwas wird, kann es zwar dauern. Aber das dachte man damals bei IBMs Linux-Bemühungen auch.

Die Zahlen stimmen

Bei all dem fühlt sich IBM pudelwohl. Während andere von Krise reden, muss IBM zwar schon hin und wieder Mitarbeiter entlassen und Umsatzeinbußen hinnehmen. Aber der Gewinn bleibt nicht nur stabil, nein, er wächst sogar und zu allem Überfluß wurde auch noch die Jahresprognose angehoben.

Vor einem Monat hat IBM einen virtuellen Desktop als Cloud-Dienst eingerichtet. Auch das wurde in der Öffentlichkeit vergleichsweise wenig beachtet. Aber: IBM sieht den Dienst als Teil einer breit angelegten Strategie rund um Desktop-Virtualisierung als Alternative zu Hardware-Anschaffungen. Ganz klar: Das ist die Kampfansage an HP. Den alten Rivalen kann man offenbar am besten da treffen, wo er nicht zurückschlagen kann: beim Verkauf von PCs. Seine eigenen ist IBM ja schon an Lenovo losgeworden.

Übrigens: Drucker hat IBM ja auch nicht mehr (Stichwort: Lexmark). Ich bin schon gespannt, was Big Blue für Ideen hat, um dem Rivalen das Geschäft mit Druckern und Tintenpatronen zu vermiesen. Und eines noch: Weiß jemand von IBM, wie viele der Mitarbeiter überhaupt noch Microsoft Office auf dem Rechner hatten?

ZDNet.de Redaktion

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