Unser amerikanischer ZDNet-Kollege Robin Harris hat sich schon früher ausführlich kritisch zu den Erfolgsaussichten von Blu-ray geäußert. Nur richtig zugehört hat ihm offenbar kaum einer. Nach einem Beitrag bei ZDNet.com, in dem sich Harris auf eine Umfrage von Harris Interactive beruft, schreckte gestern jedoch sogar die Blu-ray-Gemeinde in Deutschland auf. Die Schlagzeilen reichen vom eher gemäßigten „Blu-ray verbreitet sich nur langsam“ über leicht panische Untertöne bei „Rob Harris: Die Blu-ray steht vor dem Aus“ und der bangen Frage „Ist Blu-ray ein gescheitertes Format?„, bis zum reißerischen und sachlich nicht ganz korrekten „Neue Umfrage sieht Blu-ray im Todeskampf„. Aber worum geht es genau?

„Jetzt wäre eine gute Zeit, in Panik zu geraten“, schreibt Robin Harris den Marktstrategen, Rechteinhabern und Herstellern von Blu-ray-Produkten ins Stammbuch. Grund für den Alarm sind die Zahlen (PDF) einer Umfrage von Harris Interactive, denen zufolge das Interesse der Käufer am hochauflösenden Medium gesunken ist: 2008 planten noch neun Prozent der befragten US-Bürger die Anschaffung eines Blu-ray-Players, aktuell sind es sieben Prozent. Dagegen schlossen 2008 den kompletten Umstieg auf Blu-ray noch 65 Prozent für sich kategorisch aus. Dieses Jahr sind es bereits 75 Prozent.

Das könnte auch mit negativer Mundpropaganda zu tun haben. Von den 16 Prozent der Befragten, die bereits einen Blu-ray-Player besitzen, wartet die Hälfte nicht, bis ein Film auf Blu-ray erscheint, wenn die DVD bereits vorher erhältlich ist. 59 Prozent kaufen sogar häufiger DVDs als Blu-ray-Discs. Den von der Industrie so dringend erhofften kompletten Umstieg, nämlich den Austausch der DVD-Sammlung gegen eine Blu-ray-Videothek im eigenen Haus, vollziehen nur ein Drittel derjenigen, die bereits einen Blu-ray-Player besitzen.

Zweckoptimismus in der Blu-ray-Branche

Die Umfrageergebnisse von Harris Interactive stehen im krassen Widerspruch zu Zahlen (PDF) von Futuresource Consulting, die der Branchenverband Blu-ray Disc Group Deutschland im März veröffentlicht hat. Demnach erwarten die Marktforscher in den drei größten Märkten USA, Japan und Westeuropa 2009 die Verdreifachung Absatzes von Blu-ray Discs auf mehr als 100 Millionen Stück.

Auch die Zahl der verkauften Blu-ray-Player soll sich in diesem Jahr verdreifachen. 40 Prozent der in Europa abgesetzten neun Millionen Blu-ray-Discs (3,6 Millionen) gingen 2008 übrigens in Großbritannien über den Ladentisch. In Deutschland, wo gut 20 Millionen Menschen mehr wohnen als in Großbritannien, konnten dagegen nur 1,6 Millionen (rund 18 Prozent) einen Käufer finden.

Kein Wunder, dass Filmanbieter bei Amazon immer wieder Rabattaktionen durchführen, um den Absatz anzukurbeln. Auch kein Wunder ist, dass sich die Blu-ray-Lobbyisten gestern beeilten mitzuteilen, dass derzeit in Deutschland rund 1100 Filme im Blu-ray-Format erhältlich seien und in diesem Jahr bereits 1,8 Millionen Blu-ray-Discs verkauft worden sind. Den Durchschnittspreis eines Films im Blu-ray-Format gibt die Blu-ray Disc Group Deutschland derzeit mit 20,30 Euro an. Das seien sieben Euro weniger als im Vorjahr.

Weihnachtsgeschäft als letzte Chance

Dennoch sieht Robin Harris das diesjährige Weihnachtsgeschäft als letzte Chance für das Format, den Durchbruch auf breiter Basis zu schaffen. Um nicht ein Nischenformat zu bleiben, seien eine große Zahl günstiger Player und weitere Preissenkungen bei den Filmen notwendig. HD-fähige Fernsehgeräte stünden inzwischen in immer mehr Haushalten – der eine oder andere freut sich vielleicht, wenn er damit dann endlich auch hochauflösende Inhalte betrachten kann.

Robin Harris sieht das diesjährige Weihnachtsgeschäft dennoch als letzte Chance. Notwendig seien eine große Zahl günstiger Player und weitere Preissenkung bei den Filmen. HD-fähige Fernsehgeräte stünden inzwischen in immer mehr Haushalten – der eine oder andere freut sich vielleicht, wenn er damit dann endlich auch hochauflösende Inhalte betrachten kann.

Möglicherweise verpassen die Hersteller aber genau diese letzte Chance auf den breiten Durchbruch: Der taiwanische Branchendienst Digitimes rechnet erst für 2010 damit, dass die Preise deutlich – nämlich um 50 Prozent – sinken. Dass günstige Einstiegskosten durchaus ein Anreiz sein können, zeigten kürzlich Aktionen in den USA, bei denen Blu-ray-Player für 99,99 Dollar angepriesen und auch umgehend abverkauft waren. Der Haken: 100 Dollar sind derzeit – wieder laut der in diesen Dingen gewöhnlich gut informierten Digitimes – ungefähr die Herstellungskosten eines Blu-ray-Players. Verdient ist damit also nichts. In Deutschland kosten günstige externe Geräte derzeit rund 150 Euro.

Übrigens: Unser US-Kollege Robin Harris hat mit Harris Interactive nicht mehr als den Namen gemeinsam und besitzt auch keine DVD-Fabrik. Mit wem ihn welche Interessen verbinden, steht hier.

ZDNet.de Redaktion

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