Benzin bald unbezahlbar: Wohin steuert die Automobilindustrie?

ZDNet: Dann besteht keine Hoffnung auf eine weiterhin freie Fahrt für freie Bürger?

Groth: Ich denke, dass es viel hilft, die Bewegungsprofile dieser freien Bürger besser zu erfassen. Das könnte zu dezentralem Tanken führen, etwa indem man dem Auto zuhause oder auf dem Firmenparkplatz Strom zuführt und diesen in Batterien speichert. Das könnte ähnlich wie bei elektrischen Zahnbürsten aus den 50er Jahren kontaktlos über elektromagnetische Wellen erfolgen. Solche Kontaktschleifen könnten auch an Ampeln installiert werden, wodurch die Energieaufnahme während des Wartens, aber auch während der Fahrt möglich würde. Es macht Sinn, über solche Konzepte nachzudenken.

ZDNet: Strom von der Ampel? Denkt über solche Konzepte außer Ihnen auch noch jemand nach?

Groth: (Lacht) Ja, darüber wird diskutiert. Wir sprechen hier aber von einem Lösungszyklus von zehn bis 15 Jahren. In kürzeren Zeitdimensionen können die Forschungsabteilungen von Automobilbauern auch gar nicht denken, denn Sie haben es immer mit einem Entwicklungs-Delay von wenigstens sechs bis sieben Jahren zu tun. Wenn heute ein deutscher Hersteller sagt ‚Lasst uns ein Hybrid-Fahrzeug bauen‘, dann wird es dennoch mindestens fünf Jahre dauern, bis es auf dem Markt ist.

ZDNet: Aber das Spritproblem greift schon früher: Bald ist Benzin ein Luxusgut, vielleicht schon im kommenden Jahr werden wir zwei Euro pro Liter hinlegen müssen.

Groth: Dieses Problem greift früher, richtig. Die Regulierung findet hier über den Markt statt, die Spritpreise werden künftig also definitiv deutlich höher liegen. Dagegen kann man nicht steuern, nur reagieren: Das Home-Office wird für viele zu einem neuen Arbeitskonzept werden. Fahrgemeinschaften werden eine Renaissance erleben – intelligent über elektronische Leitsysteme gesteuert. Daymler-Chrysler hat so etwas bereits vor zwei Jahren im Feldversuch eingeführt.

ZDNet: Wie sieht’s mit einem Tempolimit für Deutschlands Straßen aus?

Groth: Für den Endverbrauch wäre das grundsätzlich gut – vor allem bei kommunikativen Konzepten, bei der jeder dann das selbe Tempo fährt. Für das Land selbst wäre es eine Katastrophe. Die deutsche Industrie stützt sich bis auf wenige Einheiten auf den hohen Ingenieursstatus und ihre Technologieaffinität – und hat zumeist eine direkte Verbindung zur Automobilindustrie. Die ist einfach das Aushängeschild von Deutschland. Hohe Geschwindigkeiten sind ein starkes Verkaufsargument für hochpreisige Fahrzeuge – ein Tempolimit würde aus einem Zugpferd einen lahmen Gaul machen. Ich sehe da ein politisches Dilemma voraus.

ZDNet: Was kann dann ein Durchschnittsverbraucher wie Sie oder ich tun, um weniger für Sprit auszugeben? Sollten wir kurzfristig auf Gas umsteigen?

Groth: Kommt drauf an: Pendler mit einer jeden Tag gleich fest gelegten Strecke könnten davon sehr profitieren. Sogar ein Elektroauto wäre da vielleicht eine sehr gute Lösung. Für alle, die eher spontan unterwegs sind, ist das nichts. Eine kurzfristig angesetzte Fahrt von München nach Berlin in der Nacht etwa wird dann problematisch. Wo sind die entsprechenden Tankstellen, die noch geöffnet haben? Damit will sich nicht jeder beschäftigen – auch wenn es dafür mittlerweile smarte Konzepte gibt. Bei Taxis und anderen Transportlogistikern frage ich mich allerdings schon lange, warum die noch nicht auf breiter Front auf alternative Energien umgestiegen sind. Die könnten Ihre Tankpunkte ganz einfach einplanen.

ZDNet: Und Wasserstoff? BMW hat versprochen, binnen zwei Jahre einen entsprechenden 7er auf den Markt zu bringen. Glauben Sie, die schaffen das?

Groth: Die schaffen das! Aber wirklich, die sind extrem weit mit Ihrer Technik.

Page: 1 2 3 4

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

Microsoft beseitigt Fehler im März-Sicherheitsupdate für Exchange Server

Probleme treten vor allem bei Nutzern von Outlook Web Access auf. Das optionale Hotfix-Update für…

6 Tagen ago

Neue iPads: Apple kündigt Event für 7. Mai an

Die Einladung zeigt einen zeichnenden Apple Pencil. Der wiederum deutet auf neue iPads hin. Es…

6 Tagen ago

EU-Parlament stimmt für Recht auf Reparatur

Die Richtlinie erhält 584 Ja-Stimmen und 3 Gegenstimmen. Das „Recht auf Reparatur“ beinhaltet unter bestimmten…

6 Tagen ago

Forscher entwickeln Exploits per GPT-4 aus Sicherheitswarnungen

Die Tests basieren auf tatsächlich existierenden Sicherheitslücken. GPT-4 erreicht eine Erfolgsquote von 87 Prozent. Alle…

7 Tagen ago

HostPress für Agenturen und E-Commerce-Betreiber

Höchste Performance-Standards für Webseiten und ein persönlicher, kundenorientierter Premium Support.

7 Tagen ago

V-NAND: Samsung steigert Bit-Dichte um 50 Prozent

Die neue V-NAND-Generation bietet die derzeit höchste verfügbare Bit-Dichte. Samsung steigert auch die Geschwindigkeit und…

1 Woche ago