Die Gründe für Ablehnung sind vielfältig und beziehen sich nicht immer auf die Inhalte der Richtlinie. Glaubt man dem zuständigen EU-Berichterstatter Michel Rocard, so waren sich die Parlamentarier in dem Wunsch einig, mit dem „Nein“ den Ministerrat abzustrafen. Der Franzose beklagte Arroganz und den Zynismus mit der der Rat die Verbesserungsvorschläge des Parlaments nach der ersten Lesung ignorierte.
Doch der Stimmungswandel der Abgeordneten hat nicht nur mit dem Wunsch nach mehr Mitspracherecht zu tun. Er ist auch der Erfolg einer beispiellosen Kampagne der Patentrechtsgegner. Vor allem die Open Source-Gemeinde, aber auch Grüne und mittelständische Softwerker, brachten europaweit Parlamente und Regierungen ins Grübeln. Auch von einem „einheitlichen Vorschlag des Rats“, wie es offiziell heißt, kann eigentlich nicht mehr die Rede sein. Insofern lieferten die Gegner ein Lehrstück für europäische Demokratie ab. Zudem bewiesen sie, dass man sich gegen die Lobbyisten selbst der Großindustrie durchsetzen kann. Dafür gebührt ihnen der Dank der europäischen Bürger.
Neben dem jetzigen Abstimmungserfolg gehört zu den sichtbarsten Ergebnissen der Anti-Patente-Kampage, dass selbst Brüssel und Straßburg nur von der Richtlinie über Software-Patente und nicht über computerimplementierte Erfindungen sprechen. Auch die heutige Abstimmung wurde mit diesem inhaltlich eigentlich falschen Titel angekündigt.
Diese Polemik verwischt, dass sich Gegner wie Befürworter von Anfang an gegen Software-Patente wandten. Überhaupt schienen die Gemeinsamkeiten eigentlich überwältigend: Trivialpatente wie in den USA sollte es ebenso wenig geben wie die Monopolisierung der Patentlandschaft durch die Großindustrie. Vielmehr wollten alle durch die europaweite Vereinheitlichung der nationalen Patentierverfahren Rechtsicherheit im internationalen Wettbewerb der Idee schaffen und die Innovation ankurbeln.
Doch Entwurf des EU-Rates konnte diesen hehren Ansprächen nicht standhalten. So ist es den Verfassern nicht einmal gelungen den zentralen Begriff „Technik“ klar zu fassen. Auf breites Unverständnis trifft auch die Unterscheidung zwischen Software und ihrer Implementierung. Ähnliches gilt für die Frage wie neu und innovativ eine Erfindung sein muss, um patentwürdig zu sein. Doch nur eine praktikable und strenge Vorgabe zur Erfindungshöhe schützt gegen die gefürchteten Trivialpatente. All diese Mängel verkehren die gut gemeinten Ziele in ihr Gegenteil, befürchten mit einigem Recht die Gegner der Richtlinie.
Hier kommt wieder die Arroganz des EU-Rates ins Spiel, der die Änderungsvorschläge der ersten Lesung weitgehend ignorierte und somit auch die ursprünglichen Befürworter, insbesondere aus der konservativen EVP, ins gegnerische Lager trieb.
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