Weshalb Microsoft beim CRM scheitern könnte

Microsoft gab Anfang Juli seinen Einstieg in den wachsenden CRM-Markt bekannt und plant zum Ende des Jahres die Einführung von zwei entsprechenden Modulen (eines für Verkaufsmitarbeiter und eines für Vertreter des Kundenservice).

Sharon Ward, Analyst der Hurwitz Group, bezeichnete den Markteintritt von Microsoft als „eines der bedeutendsten Ereignisse des Jahres 2002 im CRM-Bereich“, wobei er die Demos des Unternehmens als „beeindruckend“ beschrieb.

Ovum-Analyst David Bradshaw hat jedoch seine Zweifel. Er rät den Benutzern hinsichtlich der ersten Produktversionen zur Vorsicht und stellt die von Microsoft verfolgte Strategie einer Integration in zwei Back Office-Suites – Great Plains und Navision – in Frage.

„Als ich zum ersten Mal vom Einstieg Microsofts in den CRM-Markt hörte, war ich versucht, einfach zum Abwarten der Version 3.1 zu raten und basta“, schrieb Bradshaw in einem Bericht.

Doch dann kam Bradshaw zu dem Schluss, dass er den weltweit größten Software-Anbieter nicht einfach so abtun konnte. Hier erklärt er die Gründe dafür.

Tech Update: Welche Vorteile wird Microsoft gegenüber seinen Wettbewerbern auf dem CRM-Markt haben?

Bradshaw: Microsofts Stellung bringt erhebliche Vorteile mit sich, darunter nicht zuletzt die Marketingstrukturen und die Fähigkeit zur Bereitstellung der technischen Ressourcen für die Umsetzung. Natürlich verfügt Microsoft auch über technische Expertise für das Erstellen der Anwendungen. Auch die finanzielle Stabilität ist ein wichtiger Faktor – das Unternehmen kann Risiken eingehen, da selbst ein enormer kommerzieller Fehlschlag (wie beim Kabel-TV) nicht das Ende von Microsoft bedeuten würde.

Tech Update: Und die Nachteile?

Bradshaw: Das Fehlen eines ausgereiften Produkts. Erstversionen sind immer fehleranfällig, wie ich in einem Bericht erläutert habe. Außerdem enthalten bewährte Produkte viele speziell angepasste Funktionen, die aufgrund von Benutzer-Feedbacks integriert wurden. Microsoft wird am Anfang nur auf wenig oder gar kein Feedback der Benutzer zurückgreifen können.

Außerdem fehlt ein geeignetes Netzwerk aus Partnerschaften. Selbst bei Unternehmen des Mittelstands sind Mitarbeiter für Business Consulting und Implementierung erforderlich. Great Plains verfügt zwar über solche Partnerschaften, allerdings handelt es sich hierbei nicht um CRM-Experten.

Dazu kommt die Tatsache, dass Microsoft CRM nicht nur in eine, sondern zwei Back Office-Suites (Great Plains und Navision) integriert werden muss.

Tech Update: Wie beurteilen Sie die Strategie der Entwicklung eines Systems als eigenständiges Produkt, das sowohl mit Great Plains als auch mit Navision zusammenarbeitet?

Bradshaw: Ein schwerer Fehler. Die weitaus beste Vorgehensweise für Microsoft wäre die Schaffung eines CRM-Systems als „separate“ Erweiterung eines Back Office-Produkts gewesen. Eine solche Erweiterung hätte auf vorhandenen Datenmodellen und Prozessen aufbauen können, ganz zu schweigen von der Nutzung der Anpassungstools. Auf diese Weise hätte man Inkonsistenzen vermieden. Unter „separat“ verstehe ich hierbei die Möglichkeit zur vollständig unabhängigen Verwendung des CRM-Moduls, wie dies beispielsweise das CRM-System von SAP ermöglicht.

Dies wäre die Lösung für eines der größten Probleme in CRM-Bereich gewesen: die Integration von Back Office- und Front Office-Anwendungen. Microsoft hat jedoch einen anderen Weg gewählt – ein Fehler, der sowohl Microsoft als auch seinen Kunden noch Kummer bereiten wird.

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ZDNet.de Redaktion

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